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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Große Reform Was sich an den Briefen vom Finanzamt jetzt ändert
Die Post vom Finanzamt ist oft langatmig formuliert, sogar mancher Professor verzweifelt an den Formulierungen. Nun wollen die Landesfinanzminister das ändern – doch vor ihnen liegt ein weiter Weg.
Wer Steuerbescheide, Mahnungen und andere Schreiben vom Finanzamt liest, versteht heute häufig wenig. Manchmal auch gar nichts. Wem leuchtet schon ein, was die Beamten sagen wollen, wenn es etwa heißt: "Die Begründetheit des Rechtsbehelfs ist im Verfahren zur Entscheidung über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung nur in einem begrenzten Umfang zu prüfen"?
Das Beispiel stammt aus einer Studie des Mannheimer Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache, bei der den Probanden Originaltexte von Finanzbehörden vorgelegt wurden. Das Ergebnis: Nur ein knappes Drittel findet die Formulierungen akzeptabel. Kein Wunder angesichts all der Umständlichkeiten: Sätze, die sich über zehn Zeilen erstrecken, in sich verschachtelte Bandwürmer, Fachbegriffe und Wortungetüme – von bürgernaher Sprache sind die Finanzämter weit entfernt. Das soll sich nun ändern. Die Landesfinanzminister haben einen entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht.
Präzise und allgemein verständliche Formulierungen sind gleich aus mehreren Gründen wichtig: Zum einen steigern sie die Akzeptanz der Finanzamtsschreiben bei den Bürgern. Zum anderen laufen diese nicht Gefahr, etwas falsch zu verstehen, Fristen zu verpassen und am Ende womöglich viel Geld zu verlieren. Und auch für die Finanzämter selbst wäre die Reform hilfreich: Denn sie ächzen schon länger unter hoher Belastung – auch weil viele Steuerzahler Nachfragen zu ihren Bescheiden haben. Eine Reform würde alle entlasten.
484 Schreiben umformuliert, 702 entsorgt
Die Verwaltung müsse in verständlicher Sprache kommunizieren, findet der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne): "Das gilt gerade auch für komplizierte Sachverhalte wie Steuern. Das stärkt am Ende auch das Vertrauen in öffentliche Institutionen, schließlich sind Behörden Dienstleister für unsere Bürger." Der nordrhein-westfälische Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) sagt dazu: "Wir haben ein klares Ziel: Als Finanzverwaltung wollen wir serviceorientierter, digitaler und bürgerfreundlicher werden."
Die Sprache, die sich die Landesminister vorstellen, soll sich fundamental von den aktuellen Formulierungen unterscheiden. Klare Sätze, die jeder versteht, am besten nicht zu lang. Zudem soll die Ansprache der Bürger freundlicher werden, die Schreiben sollen klar gegliedert sein. Für jeden soll sofort verständlich werden, worum es bei dem jeweiligen Schreiben geht. Deshalb wurde das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache hinzugezogen. Die dortigen Mitarbeiter unterstützen sowohl bei der Neuformulierung als auch bei der Ausbildung der Beamten im Umgang mit der neuen Art zu schreiben.
Es geht dabei offenbar vorwärts: 484 Schreiben wurden bereits umformuliert, 148 Bausteine in Texten überarbeitet. 702 der Musterschreiben sollen künftig gar keine Verwendung mehr finden. Im Jahr 2023 sollen nun die noch übrigen etwa 100 Musteranschreiben ebenfalls in eine klare Sprache gebracht werden.
Ganz ohne Fachwörter wird es nicht gehen
Das könnte dann so aussehen: Statt die Bürger mit Satzanfängen voller unbekannter Paragrafen zu vergraulen, erfahren sie zunächst, worum es wirklich geht. Zum Beispiel: "Sie sind verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben." Nicht: "Gemäß der § 149 und § 150 AO in Verbindung mit dem § 25 Abs. 3 EStG ergibt sich für Sie eine Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung."
Auch sonst gibt es bereits erste Beispiele dafür, dass sich die Sprache ändert. So lautete eine alte Erläuterung im Einkommenssteuerbescheid: "Anstelle des Pauschbetrags für behinderte Menschen wurden die tatsächlichen pflegebedingten Aufwendungen i. S. d. § 33b Abs. 1 Satz 1 EStG im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt, weil dies zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis geführt hat." In der neuen Variante heißt es nun: "Sie haben sowohl den Pauschbetrag für Menschen mit Behinderung beantragt als auch die tatsächlichen pflegebedingten Aufwendungen angegeben. Ich habe die tatsächlichen Aufwendungen als allgemeine außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Dies führte zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis."
Die Umstellung, so heißt es aus den Landesfinanzministerien, erfolge schrittweise. Bis also alle Finanzämter vollständig klar verständlich kommunizieren, werden noch einige Jahre vergehen. Die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert (SPD) sagt t-online dazu: "Warum es so lange dauert, bis sich etwas ändert? Es ist sehr aufwändig, alle Formulierungen zu prüfen und gegebenenfalls rechtssicher zu vereinfachen, die entsprechende Software anzupassen und auch noch Einigkeit zwischen Bund und Ländern herzustellen."
Dennoch: Ganz ohne Fachwörter wird es nicht gehen. Zumindest nicht, wenn das Steuerrecht bleibt, wie es ist. Denn ein kompliziertes Regelwerk erfordert mitunter komplizierte Sprache, damit die Texte vor Gericht Bestand haben. Leichter formuliert könnte man sagen: Solange die Steuererklärung nicht auf einen Bierdeckel passt, lassen sich auch die zugehörigen Formulare und Bescheide nicht so leicht lesen wie eine Getränkekarte.
- Eigene Recherche
- deutschlandfunk.de: "Wie man Steuerbescheide verständlicher formulieren könnte"