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Bayern München und der Monat des Schreckens: Eine Saison ohne Titel?


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Vom fast sicheren Meister zum Krisenklub
Bayern München und der Monat des Schreckens


Aktualisiert am 23.04.2023Lesedauer: 6 Min.
imago images 1028084050Vergrößern des Bildes
Oliver Kahn: Die vergangenen Wochen haben dem Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern ordentlich zugesetzt. (Quelle: IMAGO)

Innerhalb von einem guten Monat wandelt sich der FC Bayern von einem internationalen Schwergewicht zum Krisenklub. Nun droht die erste titellose Saison seit 2012. Eine Chronologie des Schreckens.

Am Nachmittag des 11. März 2023 war die Welt beim FC Bayern noch in Ordnung – zumindest äußerlich. Trainer Julian Nagelsmann trottete lässig über den Platz der Allianz Arena und klatschte seine Spieler ab. Soeben hatte sein Team den FC Augsburg mit 5:3 abgefertigt und ein veritables Fußballspektakel geboten.

Nach einem frühen Rückstand durch Mergim Berisha – eingeleitet durch einen Querschläger von Benjamin Pavard – entfesselte der FCB einen wahren Offensivorkan und überrannte die wackeren Augsburger förmlich. In der Tabelle lagen die Münchner mit zwei Punkten Vorsprung auf Borussia Dortmund auf Platz eins; in DFB-Pokal und Champions League hieß das Ziel: Titelgewinn.

So weit, so unspektakulär – wenn man bedenkt, dass der Klub zuletzt zehn Deutsche Meisterschaften in Folge gewann und Auftritte wie gegen Augsburg zum Standardrepertoire gehörten.

Mainz, Mewa Arena, sechs Wochen später: Oliver Kahn leidet. Sehr. Während des 1:3 gegen einen Mittelklasse-Klub der Bundesliga erlebt Bayerns Vorstandsboss ein Wechselbad der Gefühle. Sein Mienenspiel reicht von himmelhochjauchzend über zu Tode betrübt bis hin zu wutentbrannt. Direkt nach dem Abpfiff stürmt er mit Präsident Herbert Hainer und Sportvorstand Hasan Salihamdzic in die Kabine und liest dem Team die Leviten.

"Eine Katastrophe", poltert Kahn. Noch schwerer wiegt eine von ihm sarkastisch vorgetragene rhetorische Frage: "Wer war die Mannschaft, die Deutscher Meister werden wollte? Es war ganz bestimmt nicht unsere."

In dieser Aussage steckte eine ganze Menge. Sie ist die Essenz der vorangegangenen Wochen – zumal die Bayern durch den BVB-Sieg gegen Frankfurt nun wirklich auf Platz zwei abgerutscht sind. Aus der unersättlichen Titelmaschine, die zehn (!) Meistertitel in Folge eingefahren hat, ist ein Team geworden, das die Meisterschaft in der heißen Saisonphase offenbar gar nicht gewinnen will. Doch wie konnte es innerhalb eines guten Monats so weit kommen?

"Maulwurf-Affäre" und Nagelsmann-Aus: Der Anfang vom Ende?

Nach dem Spektakel gegen Augsburg verlieren die Bayern 1:2 bei formstarken Leverkusenern. Salihamidzic urteilt: "Das war nicht das, was Bayern München bedeutet. Wir haben alles vermissen lassen."

Im Zuge der sogenannten "Maulwurf-Affäre" wurden zuvor Interna nach außen getragen – was Nagelsmann sichtlich wütend macht. Dann folgt der Knall: Am Abend des 23. März gibt es erste Berichte über die Ablösung des Trainers.

Was im ersten Moment fast unvorstellbar erscheint, wird einen Tag um 17.45 Uhr offiziell bestätigt: Nagelsmann muss gehen. Die Trennung erfolgt mit massiven Nebengeräuschen. Von seiner Demission erfährt Nagelsmann aus den Medien. Zu diesem Zeitpunkt weilt er im Skiurlaub.

Zwei Tage später wird Thomas Tuchel als neuer Coach vorgestellt. Der Neue wirkt agil wie eh und je, verbreitet Aufbruchstimmung. Die Diskussion über die Art und Weise von Nagelsmanns Rauswurf verstummt indes nicht.

Video | Die Details verschweigen sie wohl aus gutem Grund
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Quelle: t-online

Spitzenspiel und Zoff zwischen Kahn und Matthäus

Mit dem Rückenwind des Trainerwechsels fegt der FCB Dortmund am 1. April mit 4:2 vom Platz. Der Titelkampf scheint acht Spieltage vor Schluss entschieden zu sein. Also eigentlich alles wie immer? Nicht ganz! Vor dem Spiel kommt es auf dem Rasen der Allianz Arena zu einem heftigen Streit zwischen Kahn sowie Sky-Experte und Bayern-Chefkritiker Lothar Matthäus.

Dieser hatte den Klub zuvor bei t-online stark kritisiert und bemängelt, dass den Bayern das "Mia san mia"-Gefühl abhandengekommen sei. Kahn ist damit gar nicht einverstanden – und hebt hervor, dass man versucht habe, Nagelsmann vor dessen Abgang telefonisch zu erreichen.

Matthäus entgegnet, dass er wisse, dass Kahn nicht die Wahrheit sage. Der Streit eskaliert vor laufender Kamera. In der Pause bekräftigt Matthäus bei t-online seine Kritik. Es entwickelt sich ein tagelanges Hin und Her, bei dem beide Seiten mehrfach öffentlich nachlegen. Das ganze Zoff-Protokoll lesen Sie hier.

Video | Diese Aussage disqualifiziert ihn als Kapitän
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Quelle: t-online

Pokal-Aus und zunehmende Unruhe

Der Klub und sein Umfeld kommen nicht zur Ruhe. Das überträgt sich auf den Rasen. Am 4. April scheitern die Bayern überraschend im DFB-Pokal-Viertelfinale am SC Freiburg. Vor heimischer Kulisse heißt es am Ende 1:2. Kimmich geht mit dem Team hart ins Gericht, stellt sogar die Charakterfrage ("Man hat bei uns das Gefühl, dass es ein Tick zu wenig ist – zu wenig Leidenschaft und zu wenig Emotion.").

Tuchel gibt sich dennoch gelassen. Wirklich zu behagen scheint ihm der Trubel im Umfeld allerdings nicht. Zwar gelingt in der Bundesliga wenige Tage später die Revanche gegen den SC (1:0), doch Joshua Kimmich eröffnet einen weiteren Nebenkriegsschauplatz, indem er provokant jubelt und auf dem Platz eine Rudelbildung auslöst. Den SC-Spielern stößt das übel auf.

Kimmich entschuldigt sich später zwar, zielt in seiner Begründung aber erneut auf das Pokal-Aus. Intern scheint das noch längst nicht verdaut zu sein. Innerhalb der Mannschaft rumort es.

Debakel in Manchester und Kabinenattacke

Tuchel und die Bayern-Chefetage bemühen sich um Harmonie. Kein Wunder: Denn nun steht das Champions-League-Viertelfinale gegen Manchester City an – und für dieses wurde der neue Trainer ja eigentlich geholt. Doch im Regen des englischen Nordwestens gehen die Bayern 0:3 unter, werden vom eiskalten Superstar Erling Haaland regelrecht gedemütigt – trotz einer insgesamt ordentlichen Leistung.

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In der Kabine sorgt das für Frust. Es kommt zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Sadio und Leroy Sané. Dabei soll Mané seinem Teamkollegen auf den Mund geschlagen haben. Eine Lippenverletzung Sanés einen Tag später ist deutlich sichtbar.

Mané wird für ein Spiel gesperrt und muss die höchste Geldstrafe der Vereinsgeschichte zahlen. Dem Vernehmen nach soll es sich um 350.000 Euro handeln. Wegen Parallelen zu ähnlichen Fällen aus den 1990er- und 2000er-Jahren werden Schlagzeilen wie "Der FC Hollywood ist zurück" laut.

Patzer gegen Hoffenheim – die nächste Titelchance ist weg

Ohne den unfreiwillig außer Gefecht gesetzten Mané patzen die Bayern in der Liga. Gegen Abstiegskandidat Hoffenheim reicht es zu Hause zu einem 1:1. Da allerdings auch Konkurrent Dortmund Federn lässt (3:3 bei abstiegsbedrohten Stuttgartern), bleibt der FCB knapp Tabellenführer. Das Team wirkt allerdings physisch und psychisch angeknackst – und von den Ereignissen der vergangenen Wochen überfordert.

Dennoch versuchen die Bosse alle Kräfte für das Rückspiel gegen City zu bündeln und Aufbruchstimmung zu entfachen. Das spielende Personal scheint das nicht übermäßig zu inspirieren. Trotz einer phasenweise sehr ordentlichen Leistung scheiden die Bayern nach einem 1:1 aus der Champions League aus – zum dritten Mal in Folge im Viertelfinale. Wieder macht der sich in formidabler Form befindende Haaland den Unterschied.

Spätestens jetzt gerät die Führungsetage – allen voran Salihamidzic und Kahn – in die Kritik. Sogar Gerüchte über einen vorzeitigen Abgang des vertraglich bis 2024 gebundenen Vorstandschefs machen die Runde. Sky-Experte Jan Aage Fjörtoft behauptet gar, dass es eine "Frage der Zeit" sei, bis Kahn seines Amtes enthoben werde.

Der für lange Zeit unantastbare Kahn wirkt angegriffen. Die einstige Souveränität – auch im Umgang mit den Medien – scheint ihm immer mehr abhandenzukommen.

K.o. in Mainz und Angst vor historisch schlechter Saison

Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen versuchen Trainer und Klubführung die Kräfte zu bündeln – zum wiederholten Mal. Zumindest die Meisterschaft soll es jetzt doch bitte sein.

Doch bei Tuchels Ex-Klub Mainz erlebt der FCB ein kaum für möglich gehaltenes Desaster – das allenthalben für Ratlosigkeit sorgt. Selbst der sonst so schlagfertige Thomas Müller hat "keine Erklärung", wie es so weit kommen sonnte. Trainer Tuchel attestiert dem Team, "ausgelaugt" zu sein und macht dafür auch die vergangenen Wochen verantwortlich: "Ich glaube, es ist einfach zu viel passiert für die Mannschaft."

Innerhalb eines guten Monats ist der FCB vom uneingeschränkten Dominator des deutschen Fußballs zu einem Klub auf potenziellem Vizemeisterformat geschrumpft. Erstmals seit 2012 droht die Saison für den erfolgsverwöhnten Rekordmeister ohne größeren Titel zu enden. Damals hatten die Bayern am 29. Spieltag allerdings vier Punkte mehr auf dem Konto – und standen im Champions-League-Endspiel.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtung
  • kicker.de: Doppelpack: Pavards Torriecher führt Bayern auf die Siegerstraße
  • sport1.de: Mega-Frust bei Kimmich
  • welt.de. "Katastrophal" - Kahns Wutrede auf die Spieler des FC Bayern
  • welt.de: Der Anfang vom Ende (kostenpflichtig)
  • kicker.de: Spielplan des FC Bayern
  • spox.com: FC Bayern München: Die Chronologie des Scheiterns von Julian Nagelsmann
  • transfermarkt.de: Vereinsprofil des FC Bayern
  • transfermarkt.de: Trainerprofil von Julian Nagelsmann
  • transfermarkt.de: Trainerprofil von Thomas Tuchel
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