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"Mia-san-mia"-Debatte beim FC Bayern: Die fünf mächtigsten Männer


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Unruhe beim FC Bayern
Hinter dem TV-Streit steckt mehr


Aktualisiert am 04.04.2023Lesedauer: 6 Min.
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Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn: Die Bayern-Bosse hatten keine einfache, aber eine erfolgreiche Woche. (Quelle: t-online)

Herzensklub oder kickender Konzern? Beim FC Bayern ist eine Debatte um das Leitmotiv des Klubs entbrannt. Die fünf mächtigsten Männer stehen dabei im Fokus.

Julian Buhl berichtet aus München

Seinem Ruf als FC Hollywood, wie er in früheren Jahren öfter genannt wurde, wird der FC Bayern momentan wieder mehr als gerecht. In den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten lieferte der Klub jedenfalls so einige filmreife Geschichten mit immer neuen überraschenden und spektakulären Wendungen.

Das neueste Kapitel darin schrieben zuletzt Vorstandsboss Oliver Kahn und Lothar Matthäus, der nach wie vor in einer Doppelrolle als TV-Experte bei Sky sowie gleichzeitig als Markenbotschafter des Vereins auftritt. Die beiden ehemaligen Mannschaftskollegen der Bayern lieferten sich jedenfalls vor dem Topspiel gegen Borussia Dortmund, das der Rekordmeister nebenbei bemerkt mit 4:2 gewann, einen Streit vor laufenden Kameras. Dieser gipfelte darin, dass Matthäus in der Halbzeitpause bei t-online an Kahn gerichtete Lügenvorwürfe in den Raum stellte.

Kahn hatte bei Sky den Trubel selbst entfacht und rückte damit selbst das Trainerbeben rund um die überraschende Entlassung von Julian Nagelsmann, um deren Verlauf sich die Debatte hauptsächlich gedreht hatte, wieder in den Fokus.

Im TV-Ärger ging es um noch viel mehr

Im Kern ging es dabei aber um noch viel mehr. Denn Matthäus hatte aufgrund der fragwürdigen Umstände, die Nagelsmanns Freistellung begleiteten, ganz Grundsätzliches kritisiert. "Das 'Mia san mia' wird teilweise mit Füßen getreten", schrieb der ehemalige Bayern-Kapitän in seiner Sky-Kolumne. Damit stellte er nicht weniger als die Grundpfeiler infrage, auf denen sich der Klub selbst aufgebaut sieht. Dieses inoffizielle Vereinsmotto ist nicht umsonst sogar auf den Kragen der Spielertrikots zu lesen.

Die Frage, die nun im Raum steht, ist, inwieweit dieses Leitmotiv des Klubs auch tatsächlich noch gelebt wird. Oder bröckelt der Gedanke der "Bayern-Familie", als welche die Verantwortlichen den Klub seit Jahrzehnten bezeichnen, nun unter der neuen Führung um Kahn? t-online erklärt die Rolle der momentan fünf mächtigsten Männer beim FC Bayern.

Oliver Kahn: Nach einer Einarbeitungszeit von einem Jahr trat der 53-Jährige im Sommer 2021 endgültig die Nachfolge von Karl-Heinz Rummenigge als langjährigem Vorstandsvorsitzenden an. Der zog sich damals im Sommer mit dem Trainerwechsel von Hansi Flick zu Nagelsmann etwas früher als eigentlich geplant von seinem Amt zurück und übergab Kahn die Geschäfte.

Als der frühere Weltklassetorhüter zurück beim Klub war, stattete er allen Klubabteilungen Antrittsbesuche ab. Eine Frage, die er jedem Mitarbeiter stellte, den er traf, lautete: "Was bedeutet für Sie 'Mia san mia'?" Kahn präsentierte sich in seinem ersten Jahr als Bayern-Boss deutlich weniger temperamentvoll, als man ihn noch als einstigen Torwart-Titan auf dem Platz erlebt hatte. Dem Vernehmen nach ging diese Zurückhaltung einigen im Klub – und insbesondere Uli Hoeneß – zu weit. Es wurde von ihm erwartet, auch in der Öffentlichkeit als Kluboberhaupt deutlich präsenter aufzutreten.

Denn in Nagelsmanns erster Saison wurde zu vielen eigentlich übergeordneten Themen – beispielsweise ein Corona-Ausbruch im Team nach der Weihnachtspause – zwangsläufig der Trainer zum Sprachrohr. In dieser Zeit war Nagelsmann so etwas wie der Außenminister des Klubs. Ein Führungsfehler im Bayern-System, den Kahn zuletzt bei der Pressekonferenz anlässlich des Trainerwechsels selbst noch mal eingestand. In dieser Saison tritt er jedenfalls deutlich häufiger in der Öffentlichkeit in Erscheinung und erklärt sich dort verstärkt. Trotzdem wird seinem Führungsstil eine gewisse Kühlheit nachgesagt. Es heißt, er führe den Verein eher wie einen kickenden Konzern als einen Herzensklub.

Hasan Salihamidzic: Der 46-Jährige stieg 2017 vom Markenbotschafter zum Sportdirektor bei Bayern auf. Drei Jahre später wurde er zum Sportvorstand befördert und leitet nun gemeinsam mit Kahn das operative Geschäft des Klubs. "Brazzo" wird er zwar immer noch genannt. Allerdings ist er längst vom "Bürschchen", was sein bosnischer Spitzname übersetzt bedeutet, zum Boss geworden.

Im vergangenen Sommer erhielt der zuvor noch lange kritisch beäugte Salihamidzic intern wie extern extrem viel Lob. Den Deal mit Sadio Mané, den er vom FC Liverpool nach München lotste, bezeichnete Ex-Präsident Uli Hoeneß gar als Salihamidzics "Meisterstück".

Hängengeblieben ist aus seiner Zeit als Sportvorstand allerdings auch die Trennung von Hansi Flick vor zwei Jahren, mit dem sich Salihamidzic überworfen hatte. Auch der langjährige Co-Trainer Hermann Gerland, der sich gemeinsam mit Flick im Sommer 2021 verabschiedete, sprach nun von atmosphärischen Störungen mit Salihamidzic. "Es passiert doch, dass zwei Menschen sich nicht abkönnen", sagte Gerland am Sonntag im Sport1-"Doppelpass". Er habe mit Salihamidzic "Probleme" bei seiner Arbeit als Nachwuchschef gehabt. "Es wurde mehr erzählt als trainiert", so der 68-Jährige.

Das "Mia san mia" sei heute "anders, als es vor zehn Jahren war. Es entwickelt sich weiter. Ich habe mich da nicht mehr gesehen", beklagte Gerland. Auch am Abschied von WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose als Nachwuchscoach, ebenfalls im Sommer 2021, war Salihamidzic nicht unbeteiligt.

Marco Neppe: Der 36-Jährige hat sich beim FC Bayern längst zu Salihamidzics wichtigstem Mitarbeiter hochgearbeitet. Von 2014, als er zum Verein kam, bis Juni 2017 war Neppe Assistent und Scout des damaligen Technischen Direktors Michael Reschke. Anschließend stieg er zunächst zum Leiter der Scoutingabteilung und Ende 2021 dann selbst zum Technischen Direktor auf.

Verdient hatte er sich diese Beförderung unter anderem mit den Transfers von Alphonso Davies und Jamal Musiala, als deren Entdecker er gilt. Normalerweise arbeitet Neppe im Hintergrund. Seit Beginn dieser Saison tritt er aber zunehmend mehr ins Rampenlicht. Denn während der Spiele sitzt er mittlerweile sogar auf der Ersatzbank. Und bei allen wichtigen Perspektiv- und Vertragsgesprächen mit den Spielern mit am Tisch.

Herbert Hainer: Der frühere Adidas-Boss und langjährige Aufsichtsrat des FC Bayern trat im November 2019 als Hoeneß' erklärter Wunschkandidat dessen Nachfolge als Präsident an. Die Jahreshauptversammlung 2021 dürfte er als Tiefpunkt seiner Zeit als Kluboberhaupt in Erinnerung haben. Aufgrund der Kritik einiger Mitglieder am Katar-Sponsoring lief diese nämlich völlig aus dem Ruder, bis er sie schließlich unter Buhrufen und "Hainer-Raus"-Rufen vorzeitig abbrach. Der ebenfalls anwesende Hoeneß war "schockiert", und sagte: "Das war die schlimmste Veranstaltung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe."

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Die vergangene Mitgliederversammlung moderierte Hainer deutlich souveräner und ließ sich dabei erneut zum Bayern-Präsidenten wählen. Allerdings erhielt er mit nur 83,3 Prozent der Stimmen (2019 waren es noch 98,1 Prozent) von den anwesenden Mitgliedern einen Denkzettel. Gleichzeitig ist er – wie zuvor bereits Hoeneß – auch der Vorsitzende des mächtigen Aufsichtsrats. Und nicht zu vergessen: der Vorgesetzte von Salihamidzic und Kahn.

Von den Verantwortlichen haftet Hainer Nagelsmanns Entlassung vielleicht am meisten an. Auch Kahn und Salihamidzic hatten diesem in den vergangenen Wochen und Monaten zwar immer wieder demonstrativ den Rücken gestärkt und stehen deshalb nun verstärkt im Fokus. Allerdings war es Hainer, der den 35-Jährigen noch in der Woche der Freistellung in einem am Montag veröffentlichten "Kicker"-Interview als "Langzeitprojekt" bezeichnet hatte.

Uli Hoeneß: Im Gegensatz zu seinem langjährigen Pendant Karl-Heinz Rummenigge hat sich Hoeneß mit seinem Rückzug vom Präsidentenamt nicht komplett vom FC Bayern verabschiedet. Er sitzt weiter im Aufsichtsrat, wo sein Wort nach wie vor immenses Gewicht hat und ist auch noch sehr regelmäßig in der Chefetage an der Säbener Straße zu Gast.

Rummenigge sagte im Februar im Interview mit t-online über seinen jahrzehntelangen Weggefährten: "Uli darf und wird sich nicht zurückziehen, weil er so riesige Fußspuren im Klub hinterlassen hat", sagte Rummenigge im Februar im Interview mit t-online (hier können Sie das ganze Interview noch mal lesen). "Die Seele dieses Klubs war immer Uli Hoeneß. Der hat den Klub geführt wie sein Eigentum." Hoeneß sei "der perfekte Mann, der dieses Polarisieren des Klubs, um das uns alle immer beneidet haben, personifiziert hat". Anders ausgedrückt: Er ist das "Mia san mia" in Person.

Wer bislang dachte, Hoeneß würde im Tagesgeschäft keine große Rolle mehr bei Bayern spielen, der wurde spätestens bei der Vorstellung von Thomas Tuchel eines Besseren belehrt. Dabei bedankte sich der neue Coach nämlich bei Kahn, Salihamidzic, Hainer sowie explizit auch bei Hoeneß für das in ihn gesetzte Vertrauen.

"Der FC Bayern ist Uli Hoeneß – und Uli Hoeneß ist der FC Bayern", sagte Tuchel, "deshalb war es mir sehr wichtig und ein großes Anliegen, vor meiner Unterschrift mit ihm telefonisch zu sprechen." Hoeneß hatte 2017 und 2018, als Rummenigge damals Tuchels Verpflichtung vorantrieb, noch sein Veto eingelegt und gesagt: "Die Schlaumeier wollten uns Tuchel als Wunschtrainer einreden." Ein Tuschel-Thema.

Hoeneß hat seine Meinung über Tuchel aber mittlerweile geändert, schätzt ihn. Und der Coach hatte eine besondere Botschaft für ihn: "Ich wollte ihm sagen und ihn wissen lassen, dass ich mein Bestes gebe, um gut auf seinen Klub aufzupassen." Tuchel ist gerade erst an der Säbener Straße angekommen und muss seinen Platz beim FC Bayern jetzt erst noch finden. Seiner Verantwortung als Cheftrainer ist sich Tuchel dennoch bereits bewusst. Denn als solcher gehört auch er natürlich zwangsläufig schon jetzt zu den mächtigsten Männern beim FC Bayern.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Hintergrundgespräche
  • t-online-Interview mit Karl-Heinz Rummenigge am 2. Februar 2023
  • "Kicker"-Interview mit Herbert Hainer vom 20. März 2023
  • Sky-Kolumne von Lothar Matthäus vom 28. März 2023
  • Reporter vor Ort bei der Jahreshauptversammlung 2021 und 2022
  • Reporter vor Ort in der Allianz Arena beim Spiel Bayern gegen Dortmund am 1. April
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