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Atempause im Asylstreit: CDU und CSU gönnen sich Verschnaufpause


Atempause bis zum EU-Gipfel
CDU und CSU vertagen Showdown im Asylstreit

Von afp, dpa, dru

Aktualisiert am 20.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Innenminister Seehofer in München: Zerrüttetes Verhältnis zu Kanzlerin Merkel.Vergrößern des Bildes
Innenminister Seehofer in München: Zerrüttetes Verhältnis zu Kanzlerin Merkel. (Quelle: Peter Kneffel/dpa)

CDU und CSU gönnen sich eine Verschnaufpause im unionsinternen Asylstreit. Bis Ende Juni will Kanzlerin Merkel nun Lösungen in der Flüchtlingsfrage auf EU-Ebene finden. Der Konflikt ist damit aber nur vertagt.

CDU und CSU haben ihren erbitterten Asylstreit um zwei Wochen vertagt. Die Unionsparteien einigten sich darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bis zum EU-Gipfel Ende Juni über europäische Lösungen zu Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze verhandeln kann. Doch während Merkel darauf pocht, dass es auch danach "keinen Automatismus" für einen deutschen Alleingang gibt, will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für Anfang Juli die von ihm geplanten Zurückweisungen vorbereiten. Der CSU-Vorstand gab ihm dafür grünes Licht.

Merkel kündigte bei einer Pressekonferenz am Montag in Berlin an, sie werde im "Umfeld" des EU-Gipfels am 28. und 29. Juni mit europäischen Partnern über bilaterale Vereinbarungen sprechen. Im "Lichte des Erreichten" solle dann über das weitere Vorgehen entschieden werden – mit CDU und mit CSU. Zugleich sandte sie eine deutliche Warnung nach München, wo gleichzeitig die CSU-Gremien tagten: Es sei eine "Frage der Richtlinienkompetenz", in anderen Staaten registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückzuweisen.

Damit zog die Kanzlerin eine klare rote Linie für den Fall, dass Seehofer im Alleingang Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen will, die bereits in anderen EU-Ländern registriert wurden. "Wir wollen nicht unilateral, nicht unabgesprochen und nicht zu Lasten Dritter agieren", wiederholte Merkel ihr Credo.

Merkel: "Ich sehe mich angespornt"

Die Kanzlerin räumte ein, dieser von ihr in dem Streit mit Seehofer gemachte Vorschlag setze sie "unter Verhandlungsdruck". Sie glaube aber, "dass es sich lohnt, CSU und CDU beieinander zu halten und in Europa weiterzukommen". "Ich sehe mich angespornt, noch intensiver für eine Lösung mit europäischen Partnern zu arbeiten", versicherte Merkel. Von CSU-Seite wurde der vorübergehende Kompromiss wie ein 14-tägiges Ultimatum für Merkel dargestellt.

Seehofer bestätigte im Grundsatz die Einigung mit Merkel. Doch will er bei seiner harten Linie bleiben: "Wir haben diese ganze Thematik Migration noch nicht wirklich im Griff", sagte er nach den Beratungen in München. "Sofort" will Seehofer dafür sorgen, dass mit Einreisesperren belegte Menschen nicht mehr nach Deutschland kommen können. Er holte sich am Montag das Mandat des CSU-Vorstands, in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge zurückzuweisen.

Können Merkel und Seehofer noch miteinander?

Auch in der grundsätzlichen Frage, ob und wie eine Zusammenarbeit von Kanzlerin und Bundesinnenminister nach der jüngsten Eskalation im Machtkampf noch vorstellbar sei, sendeten die beiden Protagonisten unterschiedliche Signale aus. Kanzlerin und Innenminister "müssen gesprächsfähig sein", sagte Merkel und hob hervor, dies sei angesichts der "nicht einfachen" Sicherheitslage in Deutschland Voraussetzung. "Und diese Voraussetzung ist gegeben."

Seehofer warnte jedoch, CDU und CSU seien in ihrem Flüchtlingsstreit "noch längst nicht überm Berg". Im Bemühen um eine Lösung des Konflikts gehe es "nur vordergründig" um die Merkel für Verhandlungen gewährten zwei Wochen - "in der Substanz" gehe es um die grundlegenden Fragen des Streits. Am Wochenende war eine Aussage Seehofers über die Kanzlerin kolportiert worden, wonach er "mit der Frau nicht mehr arbeiten" könne.

Der Koalitionspartner SPD forderte von der Union die Einberufung des Koalitionsausschusses noch vor dem EU-Gipfel in knapp zwei Wochen, um den Konflikt zu diskutieren. SPD-Chefin Andrea Nahles kündigte zudem an, die SPD wolle beschleunigte Asylverfahren für Flüchtlinge, die bereits in anderen EU-Ländern registriert wurden.

Juncker: Für alle Gesprächsforen offen

Der Asylstreit in Deutschland hat offensichtlich auch die Brüsseler Kommission aufgeschreckt. Ein Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, man sei für alle Gesprächsforen offen, um "so viele Fortschritte wie möglich hin zu einer europäischen Lösung im Umfeld des Gipfels Ende Juni" zu erreichen. Juncker will am Dienstag in Meseberg mit Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sprechen. Eine einvernehmliche Lösung aller 28 EU-Staaten bis zum Gipfel erscheint aber unwahrscheinlich.

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, bezeichnete die aktuelle Praxis, wonach auch Migranten mit Einreisesperre nach Deutschland kommen können, gegenüber der dpa als "Stück aus dem Tollhaus". "Wer auch immer 'Asyl' sagen kann, kann einreisen", sagte er. Auch Seehofer sagte, es sei unerklärlich, dass Menschen mit Einreisesperre trotzdem einreisen könnten. "Im Grunde ist das ein Skandal."

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer nannte die Übergangseinigung zwischen CDU und CSU einen "windelweichen Kompromiss". "Was uns beunruhigt, ist, dass offensichtlich die Regierungskrise nur vertagt ist auf den 1. Juli", sagte sie.

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sagte der dpa: "Damit bleibt Seehofer wieder einmal deutlich hinter der Durchsetzung der rechtsstaatlichen Ordnung zurück und vor allem hinter dem, was er seit Tagen mit viel Theaterdonner verkündet." Gleichzeitig weigere sich die Kanzlerin, einem Minimalkonsens zuzustimmen.

Verwendete Quellen
  • AFP, dpa
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