Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unter Deutschland brodelt es Statistisch überfällig: Hier kann es jederzeit beben

Erdbeben sind kein fernes Problem. Auch in Deutschland könnten sie große Schäden verursachen – vor allem dann, wenn sie unterschätzt werden. Und in manchen Regionen sind Erdbeben ein ernsthaftes Risiko.
Auch wenn Deutschland als ein Land erscheint, in dem Erdbeben wie ein ferner Albtraum aus anderen Teilen der Welt wirken: Auch hierzulande brodelt es unter der scheinbar ruhigen Oberfläche. Die Wahrscheinlichkeit für starke Beben in Deutschland wird als gering bis mittel eingestuft, sollte aber in Risikogebieten nicht unterschätzt werden.
Im Schnitt tritt auf dem Gebiet der Bundesrepublik alle zehn Jahre ein Erdbeben der Magnitude 5 auf. Statistisch gesehen ereignet sich etwa alle 100 Jahre sogar ein Beben mit besonders zerstörerischer Kraft.
Die Erdbebentätigkeit konzentriert sich hierzulande hauptsächlich auf drei Regionen. Diese Gebiete gelten als sogenannte Schwächezonen in der Erdkruste – dort kann es immer wieder zu stärkeren Bewegungen kommen. Es handelt sich um das Rheingebiet mit der Kölner Bucht, die Schwäbische Alb rund um Albstadt und das Vogtland in Ostthüringen und Westsachsen.
Die Erdbebenrisikogebiete in Deutschland
Die aktivste seismische Zone Deutschlands liegt im Rheingebiet. Sie erstreckt sich im Norden bis in den Raum Köln und setzt sich von dort weiter westlich bis in das niederländische Limburg und nach Belgien fort. Einen Seismizitätsschwerpunkt im Niederrheingebiet stellt der Raum Aachen/Düren dar. Weiter südlich gilt der Raum Koblenz im Mittelrheingebiet als Hotspot. Auch zwischen Karlsruhe und Mainz, besonders bei Rheinstetten/Rastatt, treten regelmäßig Erdstöße auf. Sogar bis in den südlichen Oberrheingraben rund um Straßburg ist die Aktivität erhöht. In der Vergangenheit kam es hier wiederholt zu spürbaren Erschütterungen – auch mit teils erheblichen Schäden.
Rund um Albstadt, südlich von Stuttgart, liegt eine eng begrenzte, aber historisch aktive Erdbebenzone. Das stärkste bekannte Beben Deutschlands ereignete sich hier am 16. November 1911: Bei einer Magnitude von 6,1 wurden zahlreiche Gebäude beschädigt. Weitere starke Beben folgten in den Jahren 1943 und 1978.
Das sogenannte Vogtländische Schwarmbebengebiet ist bekannt für regelmäßige kleinere Erschütterungen, die oft in kurzen Abständen auftreten. Solche "Schwarmbeben" sind zwar in der Regel harmlos, können aber über längere Zeiträume hinweg Unsicherheit auslösen. Auch größere Einzelbeben wurden hier schon beobachtet.
Erdbeben treten in Deutschland mit Regelmäßigkeit auf
Geophysikalische Langzeitbeobachtungen zeigen, dass Erdbeben in Deutschland kein reines Zufallsphänomen sind, sondern mit einer gewissen statistischen Regelmäßigkeit auftreten. Je nach Stärke ergeben sich folgende Wiederholungszeiträume:
- Etwa alle zehn Jahre kommt es zu Beben mit einer Magnitude von 5,1.
- Alle 50 Jahre wird ein Beben mit einer Magnitude von 5,8 erwartet.
- Rund alle 100 Jahre trifft Deutschland ein starkes Erdbeben mit einer Magnitude von 6,1.
Dabei gilt: Je weiter man in die Geschichte zurückblickt, desto unvollständiger sind die Aufzeichnungen – vor allem aus dem Frühmittelalter sind meist nur die stärksten Beben dokumentiert. Neuere paläoseismologische Untersuchungen etwa im Niederrheingebiet belegen, dass es dort bereits vor dem Jahr 1000 n. Chr. Beben mit Magnituden bis 6,8 gegeben hat.
Die vielfältigen Ursachen von Erdbeben
Die Ursachen für die Erdbeben in Deutschland können allerdings unterschiedlich sein. In der Elbezone liegt etwa eine der größten tektonischen Strukturen Sachsens. Auch wenn die eigentliche Hauptaktivität dieser Grabenstruktur in den vorangegangenen geologischen Zeitaltern aufgehört hat, kommt es dennoch in regelmäßigen Abständen zu leichteren Erdbeben in dieser Region. "Das ist eine geologische Großstruktur, die sich von Tschechien bis fast nach Leipzig zieht. Vor vielen Millionen Jahren hat sie sich bewegt. Jetzt steht sie eigentlich still, aber es gibt noch Restaktivitäten, die wir bei kleineren Beben bemerken", erklärt Geophysiker Lutz Sonnabend.
- Vulkanausbruch in der Eifel: "Es könnte innerhalb weniger Wochen passieren"
- Wenn der Supervulkan ausbricht: "Riesiger Tsunami würde das gesamte Mittelmeer erfassen"
- Neuer Ozean entsteht: Ein Kontinent zerbricht – schneller als gedacht
Auch die Erdbeben in der Kölner Bucht sind auf tektonische Aktivitäten zurückzuführen. Das Gebiet ist ein Teil der rheinischen Erdbebenzone, die sich vom Erdbebengebiet Basel bis in die Beneluxstaaten erstreckt. Die Erde bebt hier, weil sich die Afrikanische Platte unter die Europäische Platte, auch Eurasische Platte genannt, schiebt. Die Afrikanische Platte bewegt sich dabei stetig nach Norden und trifft auf die Europäische Platte. Diese Kollision hat in der Vergangenheit unter anderem die Alpen aufgetürmt und erzeugt heute große Spannungen entlang der Plattengrenzen. Infolgedessen kommt es zu Erdbeben.
Doch nicht alle Regionen an diesen Plattenrändern sind gleich stark gefährdet. Während in Gebieten wie Zentralitalien schwere Erdbeben häufiger auftreten, gibt es andere Regionen, in denen täglich Hunderte kleinere Beben registriert werden. Dies ist zum Beispiel in der Schweiz der Fall. Diese schwachen Erschütterungen (unter Magnitude 2) helfen dabei, Spannungen im Untergrund allmählich abzubauen, ohne größere Beben auszulösen. Auch in der Kölner Bucht kommt es zu Entladungen dieser Art. Im Zuge dieser Erdbeben senkt sich die Kölner Bucht langsam ab.
Vulkanismus in der Eifel und im Vogtland
Die Erdbeben im Vogtland haben hingegen eine andere Ursache: Vulkanismus. Auch in der Eifel sind Erdbeben auf vulkanische Aktivitäten zurückzuführen. Der Geologe Ulrich Schreiber erläuterte im Gespräch mit t-online: "Hier spielen keine tektonischen Platten im klassischen Sinne eine Rolle – also keine Plattengrenzen wie etwa zwischen Afrika und Europa. Stattdessen haben wir es in der Eifel mit einem sogenannten Intraplattenvulkanismus zu tun." Das bedeutet: Die geologischen Prozesse dort finden innerhalb einer tektonischen Platte statt – in diesem Fall der Eurasischen Platte. Es gibt also keine direkte Plattenkollision, wie man sie etwa vom Pazifischen Feuerring kennt.
"Geophysikalische Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich unter der Eifel ein sogenannter Mantelplume befindet – also eine Aufwärtsströmung aus heißem Gestein, das aus großer Tiefe aufsteigt. Dieses aufsteigende Material erhitzt die Erdkruste darüber, was letztlich auch zur Bildung von Magma führt", erklärt Schreiber.
"Statt ganzer Platten, die sich gegeneinander verschieben, bewegen sich in der Region kleinere Krustenschollen – quasi Blöcke innerhalb der Erdkruste. Die Abstände zwischen den einzelnen Blöcken können zwischen drei und zehn Kilometer betragen." Man könne sich das vorstellen wie zwei Umzugskartons, die man gegeneinander schiebt: Zwischen den Kartons bilde sich eine senkrechte Trennfläche, eine Art Spalt. Diese Fläche könne bei genügend Spannung plötzlich aufreißen – etwa durch ein Erdbeben. "Und genau hier liegt die Gefahr: Diese senkrechten Trennflächen können im Extremfall als eine Art direkter Kanal vom Erdmantel bis an die Oberfläche fungieren. Wenn sich so ein Riss bildet – etwa durch ein Erdbeben oder tektonischen Druck – kann Magma sehr schnell aufsteigen."
Unheimlich ist aber auch eine andere Art von Erdbeben – jene, die nicht aus der unberechenbaren Tiefe des Planeten stammt, sondern von Menschenhand ausgelöst wird. Bohrungen, der Abbau von Bodenschätzen, riesige Talsperren, selbst Explosionen – all das kann die Erde zum Beben bringen. Diese sogenannte induzierte Seismizität bleibt oft unbemerkt, doch gelegentlich wird sie spürbar.
- Gespräch mit Ulrich C. Schreiber.
- gfz-potsdam.de: "Erdbeben und Erdbebengefährdung in Deutschland sowie im europäischen Kontext"
- bgr.bund.de: "Erdbeben in Deutschland – historische Erdbebenkataloge"
- bgr.bund.de: "Erdbeben im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bis 1993 – Zusammenstellung und Interpretation erdgeophysikalischer Ereignisse"
- bbk.bund.de: "Erdbeben – Informationen zum Schutz vor geologischen Gefahren"
- eskp.de: "Erdbebengefährdung in Deutschland"