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China: Warum Peking in Wirtschaft & Außenpolitik immer aggressiver auftritt


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Tagesanbruch
In China braut sich was zusammen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 29.08.2024Lesedauer: 7 Min.
Chinas Diktator Xi Jinping steht intern unter Druck.Vergrößern des Bildes
Chinas Diktator Xi Jinping steht intern unter Druck. (Quelle: Vincent Thian/AP)
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"Wenn China hustet, erkältet sich die ganze Welt", pflegen Ökonomen zu warnen. So groß ist die Wirtschaftsmacht der weltgrößten Produktionsstätte, dass sich dort jede Krise, jeder Handelseinbruch sofort global auswirkt. An erster Stelle können wir Deutschen ein Lied davon singen: Ohne die Batterien, Chemikalien und Computer aus dem Riesenreich der Mitte stehen in hiesigen Fabriken ruckzuck die Bänder still, wie wir während der Pandemie schmerzvoll erfahren mussten.

Mittlerweile ist die Corona-Krise vorüber und die Welt hat sich längst neuen Notlagen zugewandt. Ukraine und Gaza, Migration und islamistischer Terror, Trump und Putin bestimmen die täglichen Schlagzeilen. Wobei man da genau sein sollte: Bestimmen in Europa die Schlagzeilen. 7.000 Kilometer östlich sorgt man sich um ganz andere Probleme. Dort ist Corona nach wie vor das alles bestimmende Thema, auch wenn niemand offenherzig darüber sprechen darf. Aber die langfristigen Folgen des monatelangen Stillstands in Fabriken und auf Baustellen, in Häfen und auf Flughäfen, treiben Tag und Nacht Hunderte Millionen Menschen um.

In China nahm das Corona-Drama seinen Anfang, und China halten dessen Folgen bis heute in Bann. Die ideologische Pandemie-Politik (manche Beobachter nennen sie auch idiotisch) hat gigantische Schäden angerichtet: Erst verhängten Diktator Xi Jinping und seine Planwirtschaftler drastische Lockdowns, riegelten Millionenstädte monatelang von der Außenwelt ab und ließen Hauseingänge zumauern. Als die frustrierte Bevölkerung gegen die Beschränkungen zu rebellieren begann und die Staatspartei um ihre Macht fürchten musste, öffneten die Pekinger Schreibtischstrategen schlagartig die Pforten und ließen das normale Leben wieder zu. Omikron bedankte sich und trat seinen Vernichtungsfeldzug durch die kaum immunisierte Bevölkerung an. Hunderttausende Menschen, womöglich sogar mehrere Millionen, sollen dem Virus zum Opfer gefallen sein. Genau weiß man das nicht, weil alles, was mit dem Corona-Virus zu tun hat, in Chinas totalitärem System ein Staatsgeheimnis ist.

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Für die exportbasierte Wirtschaft, aber auch für den Immobiliensektor, der das Rückgrat des chinesischen Wachstums bildet, kam die Kombination aus totalem Stillstand, Abriegelung vom Rest der Welt und anschließendem Laissez-faire fast einem Todesurteil gleich. Es gab Ökonomen, die ernsthaft den Zusammenbruch des Landes fürchteten. Was dann in Deutschland los gewesen wäre, mag man sich nicht ausmalen. Wir hätten wieder da beginnen können, wo wir Anfang der Fünfzigerjahre schon mal waren. Wozu ein Putin oder ein Lukaschenko sich dann womöglich ermutigt gefühlt hätte, daran will man lieber überhaupt nicht denken.

Da können wir doch froh sein, dass wir diese Teufelsseuche, die Corona-Politik (und deren Fehler) einigermaßen glimpflich überstanden haben: So kann man das sehen. Aber eben nur hier im wohlhabenden und an demokratische Diskurse gewöhnten Mitteleuropa, wo wir Krisen mit unerschöpflichen Geldmengen und aufgeregten, aber am Ende meistens doch fruchtbaren Debatten zu lösen gewöhnt sind.

Anders ist das in einem System, in dem nur eine einzige Person über alle und alles bestimmt. Xi Jinping gilt als kluger Kopf, aber während der Pandemie hat er sein Riesenreich fast in den Abgrund gestürzt – und die Folgen dieses Politikversagens sind heute brutal. Das Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts ist nicht nur eingebrochen, es befindet sich im Sturzflug, und die Prognosen sind zappenduster. Für eine stolze Nation, die an 14, 15 Prozent Wachstum gewohnt war, sind 3 oder 4 Prozent eine Vollkatastrophe.

Mit so mickrigen Werten kann die kommunistische Herrscherclique ihren inoffiziellen Herrschaftsvertrag nicht mehr erfüllen: Wir Parteibonzen holen euch anderthalb Milliarden Menschen aus der Armut und garantieren euch ein Mittelstandsleben – dafür haltet ihr euch an alle unsere Regeln und ansonsten die Klappe. Wenn in einer 18-Millionen-Stadt wie Shenzhen, in einer 15-Millionen-Metropole wie Chengdu oder einer 11-Millionen-City wie Wuhan auch nur 15, 20, 25 Prozent der Bevölkerung den Eindruck bekommen, dass das Versprechen von der konstanten Wohlstandsverbesserung nicht mehr funktioniert, kann rasant das ganze System ins Wanken geraten. Schon die Aufstände gegen die Corona-Lockdowns brachen buchstäblich über Nacht aus.

Das ist der wichtigste Grund, warum Xi Jinping und seine Handlanger sich aggressiver denn je gebärden – wirtschaftlich, politisch und militärisch:

Wirtschaft: Mit spottbilligen Staatskrediten, Subventionen und Steuervergünstigungen päppelt das Regime heimische Hersteller auf – vom Stahl über die Batterie bis zum Auto. Die Strafzölle der Europäer und Amerikaner beantwortet Peking mit massivem Druck auf ausländische Firmen, die in China produzieren. Die deutschen Autobosse können lange Klagelieder davon singen.

Außenpolitik: Um die Regierungen in den überlebensnotwendigen Absatzmärkten Amerikas und Europas unter Druck zu setzen (und natürlich auch aus Ideologie), unterstützen Chinas Globalstrategen Autokraten und Aggressoren in der ganzen Welt, von Putin über Kim bis Orbán. Der Feind meines Feindes ist mein Freund, sagt man sich in Peking. Und wenn ihr Demokraten wollt, dass sich das ändert? Dann müsst ihr uns eben beim Handel entgegenkommen und nach unserer Wirtschaftspfeife tanzen.

Militär: Was tut ein totalitäres Regime, das dem Tod ins Auge geschaut und erkannt hat, dass seine ewige Erfolgsstory womöglich irgendwann abrupt enden könnte? Wir wissen es aus der Historie: Solche Regime rüsten auf. Bewaffnen sich bis an die Zähne, rasseln mit dem Säbel und gaukeln der eigenen Bevölkerung einen äußeren Feind vor, gegen den die Reihen eng zu schließen seien. So erklären sich Pekings Angriffsdrohungen gegen Taiwan und die beispiellose Aufrüstung – mit Kampfjets, Fregatten, Atombomben. Es könnte der Tag kommen, an dem sich die roten Bosse nur noch auf ihrem Thron halten können, indem sie ein anderes Land überfallen. Das ahnen wohl Xi und seine Getreuen. Putin lässt grüßen.

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Das ist der Hintergrund, vor dem Jake Sullivan derzeit in Peking ist: der erste China-Besuch eines Sicherheitsberaters des amerikanischen Präsidenten seit acht Jahren! Joe Bidens Vertrauter hat Außenminister Wang Yi bereits getroffen und wird womöglich auch eine Audienz beim roten Kaiser Xi bekommen.

Es ist gut, dass dieser Kontakt endlich zustande kommt. Die Spannungen zwischen der alten und der neuen Supermacht, vor allem aber die in zunehmender Unruhe wurzelnde Aggressivität Chinas haben die Welt in eine brandgefährliche Lage getrieben. Diese Bedrohung ist den meisten Menschen, die hierzulande tagein, tagaus auf Kiew, Scholz, Migranten oder das Dschungelcamp starren, gar nicht bewusst. Wer jedoch mit Diplomaten spricht, bekommt ein mulmiges Gefühl und erkennt: Da braut sich was zusammen. Und es ist allerhöchste Zeit, dass diese globale Eskalation eingedämmt wird.


Sondersitzung zu Solingen

Warum befand sich Issa al-Hassan, der mutmaßliche Messermörder von Solingen, überhaupt noch in Deutschland? Diese Frage dürfte im Mittelpunkt stehen, wenn heute Mittag der Innen- und Integrationsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zu einer gemeinsamen Sondersitzung zusammenkommen. Schließlich war der Asylantrag des Syrers schon im Februar 2023 abgewiesen worden. Im Juni desselben Jahres sollte der Mann nach Bulgarien überstellt werden, jenes Land, über das er in die EU eingereist war und das nach den europäischen Asylregeln für ihn zuständig gewesen wäre. Doch weil die Mitarbeiter der Ausländerbehörde ihn am Abschiebetag nicht antrafen, unterblieb die Ausweisung – so lange, bis die dafür geltende Frist von sechs Monaten abgelaufen war und al-Hassan subsidiären Schutz erhielt. Offenbar war der spätere mutmaßliche Attentäter aber nicht dauerhaft abgetaucht. Vielmehr ging der Fall wohl im Behördendschungel verloren.

Politisch verantwortlich für das Versagen in diesem konkreten Fall ist also nicht nur die Ampelkoalition im Bund. Sondern auch die schwarz-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen – nicht umsonst hat Ministerpräsident Hendrik Wüst bereits gefordert, wenn bei Behörden etwas schiefgelaufen sei, müsse "die Wahrheit auf den Tisch". Während die Themen Migration und Abschiebung in allen anderen Bundesländern im Innenministerium angesiedelt sind, fallen sie in NRW ins Ressort der Integrationsministerin Josefine Paul. Die gerät nun stark unter Druck. Für die heutige Sondersitzung wird erwartet, dass sowohl Frau Paul als auch Innenminister Herbert Reul den Abgeordneten Rede und Antwort stehen.


Nagelsmanns neuer Kader

Der Wettbewerb namens UEFA Nations League löst bei vielen Fußballfans weiterhin Reaktanz aus. Aber wenn Bundestrainer Julian Nagelsmann heute seinen Kader für die anstehenden Spiele der DFB-Elf gegen Ungarn am 7. September in Düsseldorf und drei Tage später gegen die Niederlande in Amsterdam bekannt gibt, kann man schon mal hinschauen: Nach den Rücktritten von Toni Kroos, Ilkay Gündogan, Manuel Neuer und Thomas Müller steht schließlich ein bedeutender Umbruch an. Chancen auf eine Nominierung dürfen sich Talente wie Angelo Stiller (23), Brajan Gruda (20) und Rocco Reitz (22) ausrechnen. Namen, die bislang nur Fachleuten vertraut sind, aber in zwei Jahren bei der Fußball-WM 2026 eine wichtige Rolle spielen sollen.


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Lesetipps

Schon in der Flüchtlingskrise 2015 warnte Christoph Schwennicke vor den Folgen der unkontrollierten Einwanderung. Damals wurde er von Kritikern in die rechte Ecke gestellt, verschmäht, öffentlich diffamiert. Fast zehn Jahre später zeigt sich nun: Mein Kollege hatte recht. Was das in ihm auslöst, hat er hier aufgeschrieben.


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Wie fühlt es sich an, wenn man hautnah miterlebt, wie das Opfer eines Messerangriffs stirbt? Mein Kollege Lucas Maier hat mit einer Frau gesprochen, die mitten in Berlin in eine dramatische Situation geraten ist.


Gesichtserkennung, Messerverbote, Vorratsdatenspeicherung: Nach dem Anschlag in Solingen will die Bundesregierung die Sicherheitspolitik massiv verschärfen. Alte Blockaden könnten aufbrechen – ebenso wie alte Abmachungen, berichten unsere Reporter Johannes Bebermeier, Annika Leister und Florian Schmidt.


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen zuversichtlichen Tag. Gönnen Sie sich doch in den heißen Stunden ein bisschen Abkühlung.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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