Neue Details über Attentäter Von Syrien nach Solingen: Die Chronik des Issa al-Hassan
Im November 2022 bricht Issa al-Hassan in Syrien auf. Rund 21 Monate später tötet er auf einem Stadtfest in Solingen drei Menschen.
Nach dem Terroranschlag in Solingen kommen immer mehr Details über den mutmaßlichen Attentäter an die Öffentlichkeit. Mit Recherchen der "Zeit" lässt sich der Weg von Issa al-Hassan von Syrien bis nach Solingen rekonstruieren. Außerdem sind weitere Informationen über seine Kontakte mit diversen deutschen Behörden ans Licht gekommen.
1. November 2022
Issa al-Hassan bricht nach eigenen Angaben in Syrien auf. Er ist 1998 im Osten des Landes geboren. Das teilt er später dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mit. Ihm habe die Einberufung in die syrische Armee gedroht und er habe nicht gegen die Kurden kämpfen wollen. Sein Hauptfluchtgrund sei die Angst vor Bestrafungen gewesen.
7. Dezember 2022
Über die Türkei erreicht al-Hassan Bulgarien. Er wird im Ort Busmantsi in einer Flüchtlingsunterkunft aufgenommen. Eine Woche später verschwindet er von dort.
Weihnachtszeit 2022
Eine Gruppe von vier Männern erreicht die deutsche Grenze zwischen Österreich und Bayern – unter ihnen ist al-Hassan. Von Bayern fährt die Reisegruppe bis nach Bochum und meldet sich in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen. Issa al-Hassan wird an die Außenstelle des Bamf in Bielefeld weitergeleitet.
27. Januar 2023
Al-Hassan stellt beim Bamf einen Asylantrag. Er beschreibt der Behörde, dass seine Familie aus ärmsten wirtschaftlichen Verhältnissen stamme. Er wolle in Deutschland arbeiten, um sie zu unterstützen. Zudem gibt er an, einen Onkel in Deutschland zu haben. Das Bamf kann diesen Onkel nicht in ihren Unterlagen finden und die Behauptung spielt für das weitere Verfahren keine große Rolle.
27. Februar 2023
Das Bamf weist den Asylantrag von al-Hassan ab. Es hat festgestellt, dass der Syrer bereits im EU-Land Bulgarien registriert wurde. Nach Dublin-Regeln muss al-Hassan dort einen Asylantrag stellen. Das Bamf informiert die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) über den Sachverhalt. Sie sind für die Zustellung abgelehnter Asylbewerber an andere EU-Staaten zuständig. In der Zwischenzeit ist al-Hassan in einer Erstaufnahmeeinrichtung im Paderborner Stadtteil Schloss Neuhaus untergebracht, ist dort regelmäßig präsent und nicht auffällig.
5. Juni 2023
Mitarbeitende der Ausländerbehörde wollen al-Hassan in den frühen Morgenstunden in seiner Unterkunft abholen. Noch am selben Tag soll sein Flug nach Bulgarien gehen. Doch al-Hassan ist nicht anzutreffen. Die Behördenmitarbeiter verlassen die Unterkunft. Wenig später kehrt al-Hassan in sein Zimmer zurück, doch die Leitung der Paderborner Einrichtung informiert das ZAB nicht.
20. August 2023
Die halbjährige Frist zur Überstellung al-Hassans nach Bulgarien ist abgelaufen. Die Dublin-Regeln sehen vor, dass ein Staat einen Flüchtling nur ein halbes Jahr lang in das Land der ersten Einreise überstellen darf. Ab jetzt ist Deutschland für al-Hassan zuständig und er erhält subsidiären Schutz. Dieser wird in der Regel erteilt, wenn eine Person in ihrem Heimatland etwa mit Folter, willkürlicher staatlicher Gewalt oder der Todesstrafe rechnen muss. Der Schutzstatus gewährt al-Hassan eine Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr in Deutschland – eine Verlängerung ist möglich. Ihm wird eine neue Unterkunft in Solingen zugewiesen.
23. August 2024
Gegen halb zehn am Abend sticht Issa al-Hassan auf dem Solinger Stadtfest auf mehrere Menschen ein. Drei Menschen sterben, acht weitere Personen werden teils lebensgefährlich verletzt. Al-Hassan flüchtet. Die Tat findet nur etwa 250 Meter entfernt von seiner Unterkunft statt.
24. August 2024
Nach stundenlanger Suche stellt sich al-Hassan fast einen Tag nach der Tat einer Polizeistreife. Er sagt blutverschmiert: "Ich bin der, den ihr sucht" und lässt sich festnehmen.
- zeit.de: "Ich bin der, den ihr sucht"