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Tagesanbruch: Corona-Sorgen? Schauen Sie lieber mal nach Südsudan


Meinung
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Was heute wichtig ist
Corona-Sorgen? Schauen Sie lieber mal hierhin

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 30.11.2020Lesedauer: 6 Min.
November 2019: Fahrt auf einer Piste von Wau nach Tharkueng.Vergrößern des Bildes
November 2019: Fahrt auf einer Piste von Wau nach Tharkueng. (Quelle: Sebastian Fischer/Unicef)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Ein Jahr kann sehr lang sein, wenn ein Tag dem anderen gleicht. In den Nachrichten Corona hier, Corona da, jeden Abend zu Hause hocken und hoffen, dass einem die Decke nicht auf den Kopf fällt. Ein Jahr kann aber noch viel länger sein, wenn sich die Tage nicht gleichen, sondern ein Tag schlimmer ist als der vorherige. In Zeiten der Pandemie kommt es uns hierzulande ja gelegentlich so vor, als müssten wir das bitterste Schicksal seit Jahrzehnten erdulden. Dabei geht es uns immer noch vergleichsweise gut. Das erkennen wir, wenn wir für einen Augenblick den Blick heben und ihn in die Ferne schweifen lassen. 5.157 Kilometer, um genau zu sein. Zieht man eine so lange Linie von Berlin aus gen Süden, landet man in Tharkueng, einem Weiler im Norden des Südsudans.

Vor einem Jahr traf ich dort Nyamon Piok mit ihren sieben leiblichen und drei Pflegekindern. Die beiden einzigen Gegenstände in ihrer Lehmhütte waren zwei Betten. Ich saß auf dem einen, sie auf dem anderen, auf dem Arm ihr zweijähriges Töchterchen Ahok Deng. Wie Zigtausende andere Kinder in diesem bitterarmen Land litt es an Unterernährung und Malaria, war entkräftet, rang um sein Leben. Von Helfern des UN-Kinderhilfswerks Unicef bekam die Kleine Wasser und Erdnusspaste verabreicht, wurde gewogen, vermessen und aufgepäppelt. Wenn Sie damals schon zu den Leserinnen und Lesern des Tagesanbruchs gehörten, kennen Sie die Geschichte, ich habe sie hier erzählt.

Was ist heute, ein Jahr später, aus Ahok Deng geworden? Das habe ich mich gestern gefragt, als die Kirchen in Deutschland ihre traditionelle Spendenaktion "Brot für die Welt" einläuteten, die in diesem Jahr Kindern in armen Ländern zugutekommen soll. Ihre Mutter kann ich nicht fragen, sie hat kein Handy, keinen Computer, keine Postadresse, sie weiß noch nicht einmal, dass es Deutschland gibt. Aber Jane Gune Rombe, die kann ich fragen. Jane traf ich ebenfalls vor einem Jahr, sie arbeitet als Ernährungsspezialistin in der Stadt Wau, zwei Stunden Fahrtzeit von Tharkueng entfernt. Sie hat das Dorf soeben wieder besucht und mir Folgendes berichtet:

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"Ich fand das Mädchen Ahok Deng zu Hause bei den Geschwistern, aber die Mutter war nach Abyei gereist, einer Stadt an der Grenze zum Sudan. Das Gute ist, dass Ahok jetzt allein stehen und gehen kann. Sie ist jedoch nicht vollständig genesen und deshalb wieder in unser Ernährungsprogramm aufgenommen worden. Ich glaube, dass sie eine Krankheit hat, die wir noch nicht kennen. Ich habe mit Ahoks großer Schwester gesprochen, sie kümmert sich in Abwesenheit der Mutter um die Geschwister. Ich habe ihr geraten, dass sie Ahok ins Krankenhaus nach Wau bringen sollte, damit sie dort weitere medizinische Versorgung erhält."

Man ist krank, also geht man ins Krankenhaus: Hier bei uns in Deutschland ist das selbstverständlich. Im Südsudan ist es das nicht. Die meisten Menschen dort können sich noch nicht einmal ein Medikament leisten, geschweige denn einen Arzt. Erst recht, weil sich die Lage seit einem Jahr verschlechtert hat. Damals berichtete ich von der Hoffnung auf Frieden, nachdem der Kleptokratenpräsident Salva Kiir und sein Kontrahent Riek Machar sich auf Druck der USA zusammengerauft hatten. Doch die Hoffnung ist zerstoben. Die Kämpfe zwischen den Milizen und Räuberbanden sind wieder aufgeflammt, auch die Angriffe auf humanitäre Helfer nehmen wieder zu. Überschwemmungen haben viele Dörfer zerstört, im Matsch gedeihen keine Ernten mehr, dafür aber Malaria, Diarrhöe, Masern, Polio und die Nesseln. Nun ist auch noch Covid-19 hinzugekommen. Hunderttausende leiden Hunger, 1,3 Millionen Kinder sind mangelernährt. Das Elend ist himmelschreiend, und wenn ich könnte, wäre ich in diesem Herbst vielleicht wieder in den Südsudan geflogen, um über das Leid der Menschen zu berichten. Geht nicht wegen Corona.

Also spreche ich per Satellitenverbindung mit Jane Gune Rombe, sie erzählt weiter: "Anfang des Jahres waren die Menschen hier sehr erleichtert über die Friedensvereinbarung. Umso deprimierter sind sie jetzt, weil es keinen Frieden, sondern stattdessen wieder mehr und mehr Kämpfe gibt. Allein in unserem Flüchtlingslager in Wau hausen 10.000 Menschen, die nicht in ihre Dörfer zurückkehren können. Wer vor die Tore tritt, riskiert, getötet zu werden. Die Preise für Lebensmittel sind explodiert, viele Leute können sich noch nicht einmal ein Stück Brot leisten."

Was sie sich wünsche, habe ich Jane gefragt. Ihre Antwort ist einfach: "Hätte ich einen Wunsch frei, würde ich mir Frieden für mein Land wünschen. So viele Kinder sterben hier, das muss doch endlich aufhören." Und was noch?, hake ich nach. "Ich wünsche mir, dass die Menschen in der Welt von unserem Schicksal hier im Südsudan erfahren. Vergesst uns bitte nicht. Wir fürchten, dass die Spenden wegen der Corona-Krise abnehmen. Dann würden hier noch mehr Kinder sterben."

Sie wissen ja, dass ich im Tagesanbruch gelegentlich über Spendenaufrufe von Hilfsorganisationen berichte. Erst vergangene Woche aus dem Jemen. Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich es heute noch mal tue. Wenn wir schon nicht in den Südsudan fahren können, um über das Schicksal der Menschen dort zu berichten, können wir wenigstens die Helfer unterstützen, die den Notleidenden Getreide, sauberes Wasser und Medikamente bringen. Menschen wie Jane Gune Rombe. Sie hat mir versichert, dass die Spendengelder tatsächlich bei den Menschen ankommen. Das wird auch durch das deutsche Spendensiegel bestätigt. Wenn Sie also heute etwas Gutes tun wollen, dann überweisen Sie doch einfach ein paar Euro für die Menschen im Südsudan. Kleine Mädchen wie Ahok Deng und Tausende andere Kinder werden es Ihnen danken.

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WAS STEHT AN?

Die Weltgesundheitsorganisation veröffentlicht heute ihren Bericht über die weltweite Verbreitung von Malaria. Der Kampf gegen die Krankheit wird durch die Corona-Pandemie erschwert.

Die Finanzminister der Euro-Gruppe werden hoffentlich die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus beschließen. Dann wäre der Eurorettungsschirm für die Krisen der Zukunft gewappnet.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung stellt ihre Studie zur Nachhaltigkeit von Städten und Regionen vor. Verglichen werden Aspekte wie wirtschaftliche Entwicklung, Umweltschutz, Gesundheit und Lebensqualität. Ich bin gespannt, wie Deutschland abschneidet.

Der Erklärungsdruck auf die Bundeswehr wächst. Gestern hat unser Rechercheur Jonas Mueller-Töwe berichtet, dass ein Elitekämpfer der US-Armee in Deutschland als russischer Spion enttarnt worden ist. Seine Einheit stand in engem Austausch mit der deutschen Truppe. Da könnten noch brisante Details zutage kommen.

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Wir Normalsterblichen werden jedes Jahr älter. Unsterbliche hingegen bleiben auch dann knackig, wenn sie Falten bekommen. Einen dieser zeitlosen Helden durfte ich vor einiger Zeit beim Rocken bewundern. Heute wird er 65 Jahre jung. Happy birthday, Billy!


WAS LESEN?

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In Donald Trumps Feldzug gegen das Wahlergebnis spielt er die Hauptrolle: Rudy Giuliani macht sich mit grotesken Auftritten zum Gespött. Dabei übersehen viele Menschen, dass der Trump-Anwalt sein wahres Ziel tatsächlich erreicht, berichtet unser US-Korrespondent Fabian Reinbold.


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WAS AMÜSIERT MICH?

Not macht erfinderisch!

Ich wünsche Ihnen zum Wochenbeginn viele gute Ideen. Morgen schreibt Peter Schink den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Mittwoch wieder.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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