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Covid-19-Simulator: Wie die Corona-Lage an Weihnachten sein könnte


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Pandemie-Verlauf simuliert
Reichen die Corona-Regeln für entspannte Feiertage?


Aktualisiert am 29.11.2020Lesedauer: 5 Min.
Passanten in Berlin: Hat sich die Corona-Lage in Deutschland zu Weihnachten beruhigt?Vergrößern des Bildes
Passanten in Berlin: Hat sich die Corona-Lage in Deutschland zu Weihnachten beruhigt? (Quelle: Stefan Zeitz/imago-images-bilder)

Im Dezember gelten in Deutschland verschärfte Corona-Regeln. Reicht das aus, um für eine Entspannung der Lage an Weihnachten zu sorgen? Wir haben verschiedene Szenarien simuliert.

Der Anfang November beschlossene "Wellenbrecher-Lockdown" hat das exponentielle Wachstum bei den Corona-Fallzahlen dem Anschein nach gebremst. Doch die Lage in Deutschland bleibt angespannt. Am Freitag meldete das Robert Koch-Institut (RKI) einen neuen Höchststand bei den Todesfällen. Mehr als eine Million Deutsche waren bereits nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Das entspricht etwa 1,2 Prozent der Bevölkerung – in Wahrheit sind es aber mehr, da viele Infektionen ohne Labortest unentdeckt bleiben.

Zum besseren Schutz sollen ab Dezember neue Regeln gelten – hier können Sie nachlesen, worauf sich Bund und Länder geeinigt haben. Ziel ist es, weiterhin eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und die Fallzahlen auf ein kontrollierbares Niveau zu senken. Doch reichen die Maßnahmen aus, um ein entspanntes Weihnachtsfest und Silvester zu feiern?

Universität des Saarlandes simuliert den Verlauf der Pandemie

Mit dem Covid-19-Simulator von Thorsten Lehr, Professor für klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes, lässt sich der Verlauf der Epidemie für Deutschland, die einzelnen Bundesländer und sogar bis hinab auf die Landkreisebene simulieren.

Die Ergebnisse dürfen natürlich nicht als exakte Vorhersagen missverstanden werden. Die Berechnungen basieren auf vereinfachten mathematisch-epidemiologischen Modellen und den bisher gemeldeten Zahlen der Gesundheitsbehörden und -einrichtungen. Die daraus errechneten Trends werden einfach in die Zukunft fortgesetzt, um dem Betrachter ein Gespür dafür zu geben, was ihn bei gleichbleibender Entwicklung erwarten würde.

Der Aussagekraft sind dabei Grenzen gesetzt: Je weiter die Vorhersage in die Zukunft reicht, desto größer wird der Unsicherheitsbereich (grau dargestellt) – also der Abstand zwischen der untersten und obersten Schätzung. Hinzu kommt, dass das Computermodell grundlegende Verhaltensänderungen in der Bevölkerung, neue Teststrategien oder politische Vorgaben und deren Effekte freilich nicht vorhersehen und mit einberechnen kann.

Jeden Tag sterben mindestens 280 Menschen an Covid-19

Ein Beispiel: Unter der Annahme, dass sich die Fallzahlen weiter entwickeln wie zuletzt, müssten wir dem Modell zufolge damit rechnen, dass zur Zeit um Heiligabend mehr als 280 Menschen pro Tag an den Folgen einer Coronavirus-Infektion versterben. Die Zahl der Todesfälle insgesamt würde bis dahin auf etwa 23.000 steigen. Schätzungsweise 4.800 Personen müssten an den Feiertagen auf den Intensivstationen versorgt werden.

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Dabei handelt es sich wohlgemerkt um das mittlere Szenario. Da Weihnachten noch vier Wochen vor uns liegt, gibt es einen wachsenden Unsicherheitsbereich. Und angesichts der Tatsache, dass Covid-19 hierzulande schon jetzt etwa 280 Tote pro Tag fordert, muss die Prognose vermutlich deutlich nach oben korrigiert werden. Saisonale Effekte durch Kälteeinbrüche oder eine verstärkte Virusverbreitung durch den Feiertagsreiseverkehr werden von dem Modell ebenfalls noch nicht berücksichtigt.

Das Rechenmodell des Covid-19-Simulators wird kontinuierlich mit neuen Daten gefüttert und trainiert. Die Aktualisierung findet wöchentlich, und zwar jeweils am Mittwoch statt. Dieser Artikel basiert auf dem Datenstand vom 24. November.

Welche Wirkung entfalten die neuen Maßnahmen?

Nun gibt es natürlich die Hoffnung, dass sich die neu beschlossenen Maßnahmen positiv auf das Infektionsgeschehen auswirken und die Fallzahlen schneller sinken lassen. Um diesen Effekt zu simulieren, bietet der Covid-19-Simulator die Möglichkeit, einen zukünftigen R-Wert anzugeben ("Future R(t)").

Aktuell liegt der geschätzte R-Wert bei etwa 1. Das heißt, ein Infizierter steckt im Durchschnitt eine weitere Person an. Dadurch bleibt das Wachstum relativ stabil, aber die Fallzahlen sinken nicht schnell genug. Auf diesem Niveau ist keine baldige Entspannung der Lage zu erwarten. Der Lockdown geht in die Verlängerung.

Doch was passiert, wenn es gelingt, den R-Wert ab dem 1. Dezember durch weitere Kontaktbeschränkungen auf 0,8 zu drücken? Das zumindest wäre ein Wert, den der Schöpfer des Covid-19-Simulators für realistisch hält. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Lehr aber auch, dass eigentlich ein niedrigerer R-Wert notwendig wäre, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen. "0,7, 0,6 wären eigentlich Werte, die ich gerne anstreben würde", sagte Lehr und verwies auf den ersten Lockdown im März, in dem tatsächlich ein R-Wert von 0,6 erreicht wurde – mit den entsprechend sichtbaren Erfolgen.

Der "Inzidenz-Zielwert" wird 2020 nicht mehr erreicht

Bei einem konstanten R = 0,8 ab dem kommenden Dienstag wäre die Zahl der Neuinfektionen immerhin so weit rückläufig, dass sich um Weihnachten voraussichtlich "nur noch" zwischen 8.300 und 8.800 Menschen pro Tag anstecken. Der "Inzidenz-Zielwert" von 50 Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen je 100.000 Einwohner würde in greifbare Nähe rücken: Er läge am ersten Weihnachtsfeiertag bei knapp 80 und an Silvester bei 66. Gelingt es, R sogar noch weiter abzusenken, kann die 50er-Marke noch dieses Jahr erreicht werden.

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Dabei handelt es sich allerdings um einen bundesweiten Durchschnittswert. Regional ist weiterhin mit großen Unterschieden zu rechnen. Die aktuellen Regelungen sehen Lockerungen jedenfalls erst dann vor, wenn eine Inzidenz von weniger als 50 erreicht wird.

Sie können mit dem Covid-19-Simulator auch die Entwicklungen in Ihrem Landkreis berechnen. Beachten Sie jedoch unbedingt die Hinweise in den FAQ auf der Seite.

Diese Modellrechnung ist zudem äußerst optimistisch. Erfahrungsgemäß zeigen neue Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung erst nach zwei Wochen einen sichtbaren Effekt, nicht schon bei Inkrafttreten. Und: In der Realität bleibt der R-Wert keinesfalls so stabil wie in der Simulation.

Kaum Hoffnung für Besserung auf den Intensivstationen

Selbst bei deutlich sinkenden Fallzahlen im Dezember wird es für viele Familien ein trauriges Weihnachtsfest werden. Denn auf die Zahl der Todesfälle und der Hospitalisierungen werden sich die Maßnahmen zunächst kaum auswirken. Für die Betroffenen kommen sie schlicht zu spät. Oft versterben die Patienten erst nach einem langen, schweren Krankheitsverlauf.

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In dem Modell (mit R = 0,8 ab 1. Dezember) erreicht die Kurve der täglichen Todesopfer Anfang Dezember einen vorläufigen Höhepunkt und fällt vor Weihnachten ab. An den Feiertagen sterben im Schnitt aber immer noch jeden Tag deutlich mehr als 200 Patienten. Die Gesamtzahl der Toten zum Jahresende schwankt im Modell zwischen 23.200 bis 25.500 mit zusätzlichen Maßnahmen, und etwa 23.600 bis 26.400 Todesopfern, wenn es nicht gelingt, den R-Wert abzusenken.

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Diese Faktoren könnten die Zahlen noch aufmischen

Im besten Falle zeichnet sich im Januar eine deutliche Entspannung auf den Intensivstationen ab und Lockdown-Maßnahmen können schrittweise aufgehoben werden. Ohne deutlichen Rückgang bei den Fallzahlen sind Lockerungen zu Beginn von 2021 kaum vorstellbar.

Allerdings wissen wir nicht, wie sich die Feiertage auf das Infektionsgeschehen auswirken werden. Bund und Länder wollen die Regeln zwischen Weihnachten und Silvester aufweichen, damit die Bürger wie gewohnt feiern können. Das ist nett gemeint, könnte sich allerdings als kontraproduktiv erweisen und das Infektionsgeschehen zwischenzeitlich wieder anfeuern.

Auch Ausbrüche in Pflegeheimen und Krankenhäusern könnten eher optimistische Prognosen bezüglich der Todeszahlen schnell zunichte machen. Bei der sogenannten Ü60-Inzidenz zeichnet sich bereits ein besorgniserregender Trend ab: Diese besonders gefährdete Altersgruppe ist nun deutlich stärker vom Coronavirus betroffen als noch vor ein paar Wochen.

Bürger müssen sich noch lange einschränken

Angesichts der düsteren Aussichten sprach sich Lehr bereits vor der Konferenz der Ministerpräsidenten im Deutschlandfunk unmissverständlich für weitere Schritte aus: "Ich denke, nachschärfen wäre sicherlich hilfreich, weil die jetzigen Maßnahmen nicht ausreichen", sagte er in dem Gespräch.

Dabei sei nicht nur die Politik gefordert, sondern jeder einzelne Bürger, betonte der Wissenschaftler. "Wir sollten schauen, private Treffen und auch Feiern weiter einzudämmen, auch die Reisen, so weit es geht, zu beschränken." Seit Inkrafttreten des "Lockdown light" am 2. November haben die Deutschen ihre Mobilität zwar bereits eingeschränkt, doch der Effekt ist bei Weitem nicht so deutlich wie noch im Frühjahr.

"Horrorszenario": Wenn der R-Wert weiter hoch bleibt

Lehrs "Horrorszenario" wäre eines, in dem der R-Wert weiterhin über 1 bleibt. "Dann würden wir nicht nur ein weiteres Ansteigen der Fallzahlen beobachten, sondern, was viel schlimmer wäre, wir würden natürlich auch ein Ansteigen in den Krankenhäusern beobachten", sagte Lehr dem Deutschlandfunk.

Die Belastungsgrenze dürfte nach Einschätzung des Experten bei etwa 6.000 Corona-Intensivpatienten bundesweit nahezu erreicht sein. Aber schon sehr viel früher kann es in einzelnen, stark belasteten Regionen zu schwer erträglichen Situationen kommen. Die entscheidende Frage sei, wie weit der R-Wert herabgesenkt werden könne. "Je härter, desto besser", so Lehr.

Verwendete Quellen
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