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Donald Trumps eifriger Gehilfe: Rudy Giuliani ist zur Witzfigur geworden


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Trumps eifrigster Gehilfe
Schamlos, schamloser, Giuliani

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 29.11.2020Lesedauer: 5 Min.
Trump-Anwalt Rudy Giuliani: "Ich kenne mich mit Gaunern aus."Vergrößern des Bildes
Trump-Anwalt Rudy Giuliani: "Ich kenne mich mit Gaunern aus." (Quelle: Jonathan Ernst/reuters)
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Die Welt spottet über Rudy Giuliani – und übersieht, was der Trump-Anwalt anrichtet. Für seinen Kampf gegen die Realität könnte ihn der US-Präsident hoch belohnen.

Nach der Rückkehr aus dem Urlaub stand ich in Washington prompt vor demselben Dilemma wie Donald Trump. Und Trump, fürchte ich, traf die bessere Entscheidung als ich.

Es war Mittwochmorgen und die Frage für uns beide lautete: Zu Rudy fahren oder nicht?

Rudy Giuliani, seit zweieinhalb Jahren als Trumps persönlicher Anwalt unterwegs, ist zur Haupt- und zur Witzfigur der großen Aufführung zur Anfechtung der US-Wahl geworden. Manche Episoden der Farce werden Sie gesehen haben: Wie er sich auf einer Pressekonferenz beim Verzerren der Realität derart in Rage redete, dass ihm mit dem Schweiß auch das Haarfärbemittel über die Wangen lief.

Oder wie Trump eine große Pressekonferenz im Luxushotel Four Seasons in Philadelphia ankündigte, Giuliani dann aber im Industriegebiet auf dem Parkplatz des Gärtnereibetriebs Four Seasons Total Landscaping zwischen Erotikbuchhandlung und Krematorium Hof hielt.

Diese Auftritte sind Symbole dafür, wie absurd das Theaterstück ist, das den Wahlverlierer Trump als Wahlgewinner präsentieren soll. Vor Gericht kassiert der 76-jährige Rudy Giuliani, der einst verehrte New Yorker Bürgermeister, derweil Klatsche um Klatsche.

Rudy, die Witzfigur. Ein gefundenes Fressen für Amerikas Late-Night-Komiker oder auch für Scherze in Deutschland. Ich sehe in ihm allerdings mehr als eine Witzfigur. Er verrät uns etwas Entscheidendes über die Lage in Amerika.

Und deshalb machte ich mich am Mittwochmorgen schließlich doch auf den Weg zu ihm. Es ging nach Gettysburg im Süden Pennsylvanias, wo einst eine der blutigsten und entscheidenden Schlachten des Bürgerkriegs ausgefochten wurde. 157 Jahre später wollte Rudy Giuliani dort gegen den vermeintlichen Wahlbetrug zu Felde ziehen.

Angekündigt als Veranstaltung des Senats von Pennsylvania entpuppte sich der Termin als Treffen Trump-treuer Republikaner in einem Hotel.

Trump selbst wollte dort an der Seite Giulianis sogar auftreten. Es wäre seine erste richtige Reise nach der Wahlniederlage gewesen. Sie war in Geheimhaltung geplant worden und wurde erst in letzter Minute wieder abgesagt. Denn es war die Nachricht hereingeplatzt, dass ein Mitarbeiter, der eng mit Giuliani zu tun hatte, an Covid erkrankt war.

Ich erfuhr davon erst, als ich schon da war. Ich hatte mit der Reise auch gezögert – einerseits wegen Corona, das bei Veranstaltungen im Trump-Orbit immer noch behandelt wird wie ein Schwindel der Linken. Und auch weil mir Giulianis Zirkus mit immer irreren Theorien, auf gut Deutsch, auch etwas zu blöd ist. Aber manchmal muss man eben dorthin gehen, wo es weh tut.

In Gettysburg vor dem Hotel fand ich diese Szenerie vor: Zweihundert Demonstranten, Trump-Fahnen, ein Mann im Bademantel hatte sich ein Biden-Pappbild vors Gesicht gezogen und ein großes Plakat: Wo bin ich? Klar, die Verwirrten sind stets die anderen.

Die Schlachtrufe lauteten "God Bless Trump!" und "Stop the Steal!" (der vermeintliche Klau der Wahl), das Mikro ging reihum, es wurde geschrien, auch geweint. Eine Frau erzählte, sie habe eine Eingebung gehabt, nach der am Wochenende Jesus Christus nach Philadelphia herabsteigen werde, genau dort, wo Rudy den größten Wahlbetrug der Demokraten ausgemacht haben will.

Mit anderen Worten: Es war der ganz übliche Trump-Wahn.

Befeuert wurde der wieder von drinnen, wo Giuliani beim Einmarsch in den Ballsaal beklatscht und bejubelt wurde und dann mit Zahlen und Anschuldigungen nur so um sich warf. Ich will es nicht im Einzelnen wiedergeben, nur betonen: Es gibt nach wie vor keinerlei Anhaltspunkte für einen Betrug, der den Ausgang der Wahl beeinflusst hätte.

Er präsentierte ein gutes Dutzend Zeugen, die seltsame Dinge in Wahllokalen gesehen haben wollen – hätte er sie doch nur vor Gericht dabeigehabt, wo er in Pennsylvania am Wochenende krachend mit seinen Einwänden gegen das Wahlergebnis gescheitert war. Hier, in der Parallelwelt, erntete er immer wieder Applaus und Lacher. Zwischendrin sagte er: "Ich kenne mich mit Gaunern aus."

Es wurde gelacht, aber nicht über ihn.

Der Auftritt war keiner, der weltweit Spott und Schlagzeilen hervorrief, aber dafür umso wichtiger: Es war die Kristallisation von Rudy Giulianis Treiben als nimmermüde Nebelmaschine. Er will nichts enthüllen, sondern Zweifel streuen. Giuliani und Trump wissen, dass sie vor Gericht keine Chance haben, Ergebnisse zu ändern. Das ist auch nicht das Ziel.

Das Ziel ist es, den Anhängern die Dolchstoßlegende einzuimpfen. Werden einzelne Punkte davon widerlegt, ist nichts verloren, denn es schwirren stets genügend andere vermeintliche Ungereimtheiten durch den Raum. Das ist Giulianis Methode. Mit allem werfen, irgendetwas wird schon haften bleiben.

Er sorgt maßgeblich mit dafür, dass der vermeintliche Wahlklau nun wohl als eine der großen Verschwörungstheorien im Gedächtnis vieler Amerikaner abgespeichert wird: Kennedy-Attentat, Mondlandung, Wahl 2020.

Eine Mehrheit der Republikaner glaubt, dass es bei der Wahl nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Es ist die größte Hypothek, mit der Wahlsieger Joe Biden ins Amt starten wird: Ein großer Teil des Landes wird ihn niemals als rechtmäßigen Präsidenten anerkennen.

Giuliani ist seit Langem Trumps Mann für die Nebelbomben. Die ganze Ukraine-Affäre und Amtsenthebung hätte es ohne ihn nicht gegeben. Es war Giuliani, der nichts unversucht ließ, um Biden über die Geschäfte seines Sohnes in der Ukraine als korrupt zu brandmarken. So geht er nun auch bei der Wahl vor. Abtransportierte Stimmzettel in Pittsburgh, hineingeschmuggelte in Philadelphia, Stimmen toter Bürger in Detroit. Dunkle Interessen in Venezuela und eine Firma in Frankfurt am Main sollen auch noch mitmischen.

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Giuliani und Trump, beide im New York der Vierzigerjahre geboren, sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Rudy geht wie auch Trump nicht meisterhaft, aber schamlos vor.

Angebliche Enthüllungen über Biden ließ er sich von einem russischen Spion einflüstern. Bei den abendlichen Auftritten auf Fox News, in deren Vorfeld er nicht immer auf den Genuss von Alkohol verzichtet, redet er sich aus der Sicht vieler um Kopf und Kragen, doch die Trump-Blase sieht einen Helden, der es mit allen unerschrocken aufnimmt. In dieser Welt wird belohnt, wer sich von Nebensächlichkeiten wie Schamgefühl oder der Wahrheit nicht dabei bremsen lässt, wenn er dem Gegner zusetzt.

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Politik und Öffentlichkeit sichern sich tagein, tagaus mit der Verteufelung der politischen Gegenseite Zustimmung und Quoten. Auf der anderen Seite stehen in diesen Erzählungen nicht Gegner, sondern Vaterlandsverräter. Und Vaterlandsverrätern traut man selbstverständlich auch die Manipulation einer Wahl zu. Es gibt eine hohe Nachfrage nach Giulianis Fantasien.

Die Geschichte des Rudy Giuliani ist für mich deshalb weniger der Absturz eines einstigen amerikanischen Helden, sondern Ausdruck einer Verrohung der Sitten in der politischen Öffentlichkeit, die Schamlosigkeit belohnt. Hauptsache, es knallt.

Am Ende des Auftritts in Gettysburg, den ich dann Corona-bedingt lieber per Stream draußen auf dem Parkplatz weiterverfolgte, hielt Giulianis Kollegin dann noch ihr Telefon ans Mikrofon – Trump selbst war in der Leitung.

Der Telefonjoker, direkt aus dem Oval Office zugeschaltet, raunte noch einmal selbst davon, dass er eindeutig die Wahl gewonnen habe. Bevor er nach zehn Minuten wieder auflegte, wollte er aber noch einen Mann würdigen: Rudy.

Er lobte ihn gleich vier Mal als großartigsten Bürgermeister, den New York je gehabt habe. Dann sagte Trump: "Doch dies hier wird deine Glanzleistung, weil du unser Land rettest."

Es sollte uns nicht überraschen, wenn Trump Giuliani – mittlerweile wegen der Ukraine-Affäre im Visier jener Staatsanwaltschaft in Manhattan, die er einst leitete – auf den letzten Metern im Amt noch vorsorglich begnadigt. Oder ihn einfach auszeichnet: mit der Freiheitsmedaille des Präsidenten, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA. Trump weiß, was er ihm zu verdanken hat.

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