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AfD | Norbert Kleinwächter Buhmann für Märchen von Weidel-"Safehouse"


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Machtkampf im Vorstand
Ärger in der AfD um "Safehouse"-Lüge


Aktualisiert am 09.10.2023Lesedauer: 5 Min.
Fatale Aussage: Der AfD-Fraktionsvize Norbert Kleinwächter (am Mikro) steht am Pranger, weil er verbreitet hatte, Alice Weidel sei in einem "Safehouse" quasi gefangen. Doch vor ihm sagte das der obefränkische Bezirkschef Tobias Peterka (rechts).Vergrößern des Bildes
Fatale Aussage: Der AfD-Fraktionsvize Norbert Kleinwächter (am Mikro) steht am Pranger, weil er verbreitet hatte, Alice Weidel sei in einem "Safehouse" quasi gefangen. Doch vor ihm sagte das der oberfränkische Bezirkschef Tobias Peterka (rechts). (Quelle: Screenshot Facebook/Norbert Kleinwächter)

Ein führender AfD-Politiker geht gegen die AfD-freundliche "Junge Freiheit" vor, weil die ihm ein PR-Debakel um Parteichefin Alice Weidel in die Schuhe schiebt. Es geht ums Märchen vom Aufenthalt im "Safehouse".

In der AfD gibt es heftigen Streit um eine Behauptung zur Absage von Alice Weidel zum AfD-Fest zum Tag der Deutschen Einheit in Mödlareuth. Weidel hatte nur eine Videogrußbotschaft geschickt, weil es einen "sicherheitsrelevanten Vorgang" an ihrem Wohnsitz in der Schweiz gegeben habe. In Mödlareuth hieß es dann, Weidel halte sich in einem "Safehouse" auf, das sie nicht verlassen dürfe.

Allerdings kam später heraus, dass Weidel tatsächlich in den Urlaub nach Mallorca gereist war – und statt im angeblichen Safehouse zu sein, wurde sie in einem Strandrestaurant gesehen. Jetzt geht es mit Anwälten darum, wer die erste, falsche und für die AfD fatale Behauptung in die Welt gesetzt hat. Weidel selbst erklärte am Sonntag im ZDF an, zur Aufarbeitung des Geschehens mit den Kindern in Urlaub geflogen zu sein. Bei der "Safehouse"-Darstellung habe es sich um, "eine Falschmeldung" aus der AfD gehandelt, was nun intern aufgeklärt werde.*

Im Fokus dabei: bisher der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Norbert Kleinwächter, der jetzt von "Lüge" und "Verleumdung" spricht, wenn er als Erfinder der Aussage bezeichnet wird.

Über seine Anwälte bringt er jetzt gar Strafanzeigen ins Spiel. Für ihn kann es dabei ums politische Überleben gehen. Nach seiner Darstellung ist er Opfer von Machtkämpfen im Fraktionsvorstand: Am Dienstag wird der neue Fraktionsvorstand gewählt. Mehr erklären will er "nach Schluss der Wahllokale", also sobald die Landtagswahlen in Bayern und Hessen vorbei sind (mehr im Newsblog).

Lüge zur angeblichen Weidel-Anreise

Tatsächlich hatte Kleinwächter wohl nur nachgeplappert, was sein Bundestagskollege und oberfränkischer AfD-Bezirksvorsitzender Tobias Peterka zuvor gesagt hatte. Die rechtskonservative Zeitung "Junge Freiheit" stellt in einem Kommentar aber ausdrücklich Kleinwächter für die Aussage an den Pranger und erweckt den Eindruck, die Fanatasiegeschichte stamme von ihm.

Klar ist, die Veranstaltung im Örtchen Mödlareuth auf der früheren deutsch-deutschen Grenze begann offenkundig bereits mit einer Lüge. Reden sollte Alice Weidel dort um 14 Uhr. In seiner Eröffnung um kurz nach 11 Uhr sagte Veranstalter Tobias Peterka, Weidel sei "noch auf der Anreise". Das passt nicht zu dem, was die AfD drei Tage später angesichts vieler Widersprüche veröffentlichte: Weidel habe demnach bereits in der Woche davor den geplanten Auftritt beim Veranstalter abgesagt. Sie habe aber zunächst darum gebeten, die Absage vertraulich zu behandeln.

Um dann den Besuchern die Absage zu erklären, hatte Weidels Sprecher an Peterka einen Sprechzettel geschickt – eine Sprachregelung. Peterka blickte am Mikrofon stehend aufs Handy und las daraus vor: "Am vergangenen Wochenende" – tatsächlich handelte es sich um das vorvergangene – habe es den "sicherheitsrelevanten Vorfall" bei Weidel gegeben:

"Sie und ihre Familie wurden von der Polizei aus ihrer privaten Wohnung evakuiert und an einen sicheren Ort verbracht, da sich die Hinweise verdichteten, dass auf sie ein Anschlag inklusive Familie geplant wird." Tatsächlich waren Weidel, ihre Lebensgefährtin und die beiden Kinder über Nacht in einem Hotel, die Lebensgefährtin und die Kinder wohnten ab dem Folgetag wieder im Haus, Weidel flog nach Berlin. Nach der Woche reisten alle nach Mallorca.

Kleinwächter schmückte Peterka-Erzählung noch aus

Was Peterka den AfD-Anhängern als weitere Erklärung sagte, stand laut dem Sprecher von Weidel nicht auf dem Sprechzettel, sondern formulierte Peterkla frei: "Sie darf nicht aus dem Safehouse raus, sie muss untergetaucht bleiben bis auf Weiteres." Es ist eine Aussage, die für die AfD sehr peinlich ist, seit der Mallorca-Urlaub öffentlich wurde. Peterka teilt die Auffassung nicht: "Der Sprechzettel enthielt 'sicherer Ort'", teilte er t-online mit. "Bei der späteren kurzen freien Rede wollte ich Wortdoppelungen vermeiden. Die Bedrohungslage bestand zu meiner Kenntnis auch fort," weshalb nun "derart an einem Begriff die Gefahr heruntergespielt" werde, sei "eine Sonderbehandlung der AfD".

Vor allem wurde der Begriff zum Problem für Norbert Kleinwächter: Die Behauptung vom Zwangsaufenthalt in einem Safehouse wurde in vielen Medien ihm zugeschrieben.

Kleinwächter gilt als einer der besten Redner der Fraktion, hat deshalb viele Anhänger und wollte 2022 anstelle von Tino Chrupalla Parteichef werden.

Mit 36,5 zu 53,5 Prozent Zustimmung unterlag er zwar, das Ergebnis wurde aber als überraschend stark gewertet. Kleinwächter hat zugleich aber auch viele Gegner, weil er den russlandfreundlichen Kurs der AfD nicht mitträgt, sondern Deutschland im Westbündnis verankert sieht. Damit stellt er sich gegen Björn Höcke und Europawahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah – was ihn in der Partei zunehmend isoliert.

In Mödlareuth trug Kleinwächter mit deutlich mehr Pathos und Dramatik vor, was vor ihm Peterka emotionsloser gesagt hatte. Kleinwächter schmückte die Geschichte noch weiter aus für seine Rede: Weidel "wurde derart bedroht, dass sie nicht nur nicht hierherkommen konnte, sie wurde in ein Safehouse gebracht und kann das Haus nicht verlassen, Hausarrest für einen politisch missliebigen Kandidaten, das gab es zuletzt vor der Teilung."

"Junge Freiheit" kritisierte "geltungssüchtige Polit-Lautsprecher"

Nun kommt die Zeitung "Junge Freiheit" ins Spiel. Deren Redaktion steht eigentlich dem Teil der AfD näher, der sich als "liberalkonservativ" und gemäßigt sieht und zu dem Kleinwächter zählt. Er wird aber in einem Kommentar zu "Wichtigtuern" und "geltungssüchtigen Polit-Lautsprechern" gemeinsam mit dem bayerischen AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron kritisiert.

Mit ihren unhaltbaren Behauptungen schadeten sie der Partei. Über Kleinwächter heißt es, er habe sich "plötzlich zu Wort" gemeldet und "behauptet, seine Vorsitzende sei in einem "Safe-House". Nächste Breitseite: im Kommentar habe sich Kleinwächter vielleicht so exponiert, weil die Wahl des Fraktionsvorstands ansteht und Kleinwächters Chancen auf Wiederwahl schlecht stehen? "Am Ende ist es vor allem eines: dumm und unprofessionell."

Kleinwächter wird als Buhmann dargestellt, dem es um Aufmerksamkeit geht – und kein Wort ist davon zu lesen, dass der Mödlareuth-Veranstalter Peterka die Behauptung in die Welt gesetzt hatte.

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In t-online vorliegenden Chats der AfD flog Kleinwächter der Kommentar um die Ohren. Der Brandenburger Abgeordnete, der im eigenen Landesverband keinen Rückhalt hat, wurde heftig kritisiert: "Unterirdisch", "ekelhaft", "schäm dich". Er reagierte darauf im Chat am Freitag: "Diese Darstellung der JF ist eine Verleumdung." Er gab dem Autor "eine Stunde, das Ding abzuräumen, sonst gibt es Strafanzeige und Unterlassungserklärung". Im Chat antwortet er auf die Bitte, seine Aussage bei der Veranstaltung zu erklären: "Gern. Nach Schluss der Wahllokale."

Tatsächlich blieb der Text unverändert, und Kleinwächter ging am Samstag an die Öffentlichkeit. Die Zeitung sei presserechtlich abgemahnt, die Verantwortlichen für den Text würden angezeigt. Und: Umgekehrt sei versucht worden, mit dem Text die Vorstandswahl der Bundestagsfraktion zu beeinflussen.

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Dort ist Kleinwächter bislang einer der Stellvertreter von Weidel und Chrupalla. Am Dienstag wird die Fraktionsspitze neu gewählt. Wiedergewählt werden will da auch Leif-Erik Holm aus Mecklenburg-Vorpommern, ebenfalls stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Den vernichtenden Text über Kleinwächter in der "Jungen Freiheit" hat Holms früherer Büroleiter geschrieben.

In AfD-Chatgruppen wird rund um die Weidel-Absage wegen des "sicherheitsrelevanten Vorfalls" noch eine weitere Diskussion geführt: Mit den aufsehenerregenden Darstellungen zu Anschlägen und Anschlagsplänen habe der Vorstand es geschafft, von einem Thema abzulenken, das an der Basis für viel Unmut sorgt: Die Aufstellung der Liste zur Europawahl mit zumindest zwei Kandidaten, die hochstaplerisch falsche Angaben gemacht haben. Die beiden Betroffenen Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch haben durch das zögerliche Verhalten des Bundesvorstands trotzdem gute Chancen auf ein Mandat im Europaparlament und faktisch keine Konsequenzen zu befürchten.

*Der Text wurde mit der Weidel-Äußerung aktualisiert.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • twitter.com: Account Norbert Kleinwächter
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