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Zum journalistischen Leitbild von t-online.AfD-Co-Chefin bei "Lanz" "Ich bin schockiert": Weidel kritisiert Merz scharf

Alice Weidel zieht das Koalitionsangebot an Friedrich Merz zurück. Sie feiert J. D. Vance als "unglaublich weisen Mann". Markus Lanz ist am Ende.
Alice Weidel zieht ihre in Richtung Union ausgestreckte Hand zurück. "Mit dieser CDU unter Friedrich Merz" sei für die AfD keine Koalition mehr denkbar, sagte die Parteivorsitzende am Donnerstagabend bei "Markus Lanz". "Unter der Führung von Merz definitiv nicht", bekräftigte sie. Der vermutlich nächste Bundeskanzler habe sämtliche Wahlversprechen gebrochen: "Sie betrügen ihre eigenen Wähler."
Die Gäste
- Alice Weidel (AfD), Parteivorsitzende
- Johannes Winkel (CDU), Vorsitzender Junge Union
- Sonja Álvarez, Journalistin "WirtschaftsWoche"
- Justus Bender, Journalist "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"
Das immense Investitionsprogramm von Union und SPD samt Lockerung der Schuldenbremse bezeichnete die AfD-Fraktionsvorsitzende als verfassungswidrig und "finanzpolitischen Staatsstreich". Weidel sprach dem aktuellen Bundestag die Legitimation ab, nach der Neuwahl noch eine Änderung des Grundgesetzes zu beschließen zu dürfen. "Das ist ein Fanal", sagte Weidel. "Ich bin schockiert."
Union und SPD wollen das Investitionsprogramm und Lockerung der Schuldenbremse noch mit dem alten Bundestag beschließen, weil im neuen Parlament die Aussichten für eine Zweidrittelmehrheit schlecht sind. AfD und Linke haben zusammen eine Sperrminorität.
Weidel warnt vor Folgen für Kreditmarkt
Die voraussichtliche Oppositionsführerin im Bundestag attestierte der möglicherweise nächsten schwarz-roten Bundesregierung, noch vor dem Start implodiert zu sein. Merz mache nun linke Politik und orientiere sich an der 16-Prozent-Partei SPD. Weidel warnte bei "Lanz" vor weitreichenden Folgen des Finanzpakts für Anleger und Bauherren: "Uns wird der Kreditmarkt um die Ohren fliegen."
"Das ist ja eine gute Nachricht am heutigen Abend, dass die AfD kein Interesse an Regierungsverantwortung mehr hat", warf Johannes Winkel (CDU), Vorsitzender der Jungen Union, sarkastisch ein. Das müsse Weidel dann ihren Wählern erklären. Der Nachwuchs-Christdemokrat war bei "Lanz" der einzige andere Politiker. Außerdem hatte der Moderator zwei Journalistenkollegen eingeladen. Doch auch zu viert konnte nicht verhindert werden, dass Weidel am Ende zufrieden lächelnd dasaß – so wie schon bei ihrem ersten und bislang einzigen Besuch bei "Lanz".
Angespannter als bei erstem Besuch
Nachdem sich Lanz nach eigenem Bekunden monatelang Abfuhren eingehandelt hatte, gelang am 4. Mai 2021 der kleine Coup: Die AfD-Fraktionsvorsitzende kam, auch nach einigem innerparteilichen Druck, in die Talkshow nach Hamburg-Altona – und wurde von Lanz fast 20 Minuten demonstrativ ignoriert. Die Taktik ging nicht auf. Am Ende blieb dem Moderator für seine zahlreichen Fragen derart wenig Zeit, dass er nicht in die Tiefe gehen konnte. So entspannt hatte sich Weidel ihr Debüt vermutlich nicht vorgestellt.
Deutlich angespannter war die AfD-Chefin jetzt am Donnerstag, was allerdings nicht automatisch ein Pluspunkt für Lanz war. Der fuhr einen Konfrontationskurs, operierte dabei aber in erster Linie mit persönlicher Entrüstung über Weidels Weltbild. Die AfD-Chefin hielt mit ihren Ansichten ebenfalls nicht hinter dem Berg.
Weidel hält J. D. Vance für "brilliant"
"Ein unglaublich weiser, vorausschauender Mann", sagte sie etwa über den US-Vizepräsidenten J.D. Vance, der nach dem Eklat-Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus besonders in die Kritik geraten war. "Ich halte den für ziemlich brillant", sagte Weidel über Donald Trumps Stellvertreter und attestierte Vance eine Vision für Amerika und Europa.
Bei Selenskyj bekräftigte Weidel hingegen auf Nachfrage von Lanz hin die frühere Bemerkung vom "Bettelpräsidenten". Selenskyj sei drei Jahre lang "um die Häuser gezogen" und habe um Geld "gebettelt". Der Ampelkoalition warf die AfD-Bundessprecherin vor, mit "gefakten" Daten die verbliebenen Atomkraftwerke abgeschaltet zu haben.
Allerdings legte sie dafür keine Beweise an. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages war zu keinem einheitlichen Ergebnis gekommen, auf welcher Entscheidungsbasis die AKWs abgeschaltet wurden. Der Ampelregierung war von Seiten der Opposition vorgeworfen worden, politisch gehandelt zu haben.
Weidel stellt sich hinter Krah und Höcke
"Germany First. Deutschland zuerst", gab Weidel als Parole aus, sollte die AfD in Regierungsverantwortung kommen. Dazu gehöre es, gute Beziehungen zu den USA, Russland und China zu pflegen und sich über ein Europa der starken Einzelstaaten wieder mehr Gehör in der Welt zu verschaffen.
Wie schon 2021 fragte Lanz am Ende der Sendung noch schnell nach Weidels Verhältnis zu Björn Höcke sowie anderen umstrittenen Mitgliedern der AfD-Fraktion wie Maximilian Krah und Matthias Helferich. Weidel wiederholte frühere Aussagen, ihre damalige Opposition gegen Höcke sei ein Fehler gewesen; Krah und Helferich seien in den Bundestag gewählt worden und damit Teil der Fraktion.
Am Ende ihres zweiten Auftritts bei "Lanz" konnte sich Weidel zurücklehnen und auf den jüngsten Erfolg bei der Bundestagswahl, insbesondere in Ostdeutschland, verweisen. "Aber Erfolg ist doch keine Haltung", erwiderte Justus Bender ("Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"). "Spannend. Spannend", hatte Lanz 2021 am Ende des ersten Weidel-Besuchs bilanziert. Seitdem ist viel geschehen. "Wir sind am Ende – sowohl intellektuell als auch sonst", verabschiedete sich der Moderator dieses Mal.
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 6. März 2025