Äußerungen zur Kirche Scharfe Kritik an Julia Klöckner – auch aus der CDU

Mit ihren Äußerungen zur Rolle der Kirche hat Bundestagspräsidentin Julia Klöckner viel Kritik ausgelöst – auch aus den eigenen Reihen bekommt sie nicht nur Zuspruch.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hat für ihre Aussagen zu politischen Stellungnahmen der Kirchen breite Kritik geerntet. Der Generalsekretär des künftigen Koalitionspartners SPD, Matthias Miersch, sagte der "Rheinischen Post": "Christinnen und Christen haben sich immer politisch eingemischt. Und das ist gut so."
Miersch sagte, nach dem Tod des Papstes Franziskus irritiere es ihn umso mehr, "wenn Christinnen und Christen heute fordern, Kirche solle sich aus politischen Debatten heraushalten. Das C im Parteinamen verträgt nicht die Aufforderung an Geistliche, keine Stellung zu beziehen und sich auf Seelsorge zu beschränken".
Klöckner riet den Kirchen am Osterwochenende, sich auf seelsorgerische Aufgaben zu konzentrieren. Bei tagespolitischen Themen solle sie sich aber zurückhalten, sagte Klöckner der "Bild am Sonntag". Die Kirchen drohen ansonsten "beliebig" zu werden und als eine von vielen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu erscheinen.
- "Dafür zahle ich nicht unbedingt Kirchensteuer": Klöckner attackiert Kirche
Die studierte Theologin Klöckner kritisierte in dem Interview, "dass Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat". Dann werde die Kirche "leider auch austauschbar".
Klöckner führte aus: "Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer." Sie glaube, "von Kirche erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität".
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Kritik aus der eigenen Partei
Damit stieß Klöckner auch in der eigenen Partei auf Widerspruch. Dennis Radtke, der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels (CDA), sagte der "taz": "Ich finde es maximal irritierend, dass wir meinen, wir hätten das Recht, die Kirchen zurechtzuweisen und in ihrer Kommunikation auf ihre vermeintlichen Kernaufgaben zurückzudrängen, wie Julia Klöckner das jetzt getan hat."
Die Kernaufgabe der Kirche sei die Verkündigung des Evangeliums und die Lehre von Jesus Christus, sagte Radtke weiter – und fügte hinzu: "Überall da, wo Kirchen der Meinung sind, das kollidiert mit der Politik, hat Kirche natürlich das Recht und auch die Pflicht, sich zu Wort zu melden."
Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagte derweil: "Kirche war immer politisch". "Wer aus der christlichen Botschaft ableitet, dass man die Welt verändern soll, zum Guten verändern soll, die Welt gestalten soll, dann ist das immer eine politische Botschaft". Dies beziehe sich auch auf alle großen Päpste. Den am Ostermontag verstorbenen Papst Franziskus würdigte Laschet als einen "Priester der Armen".
Haßelmann: "Existenzielle Fragen"
Kritisch äußerte sich auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann, die sich für politisch aktive Kirchen aussprach. "Warum sollten sich die Kirchen nicht äußern zu Ungerechtigkeiten in der Welt, zu Humanität und Menschlichkeit, zum sozialen Zusammenhalt und zur Nächstenliebe?", sagte Haßelmann dem "Tagesspiegel" (Dienstagsausgabe). "Das sind doch existenzielle Fragen des Lebens."
Der Grünen-Abgeordnete Andreas Audretsch warf Klöckner vor, politische Stellungnahmen der Kirche nur dann zu dulden, wenn sie ins konservative Weltbild passen. "In dem Moment, wo es darum geht, Kernfragen auch des Christentums, nämlich die Bewahrung der Schöpfung, den Klimaschutz, den Umweltschutz in den Mittelpunkt zu stellen oder die Gleichheit aller Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, da hat sie Abwehrreaktionen", sagte Audretsch RTL/ntv.
Auch Lars Castellucci, Kirchenbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion, setzte eine Spitze gegen Klöckners Äußerungen. Die Kirche sei die "weltweit größte Nichtregierungsorganisation", sagte Castelucci dem "Spiegel". Dies habe auch der verstorbene Papst Franziskus mit seinem Engagement deutlich gemacht.
Stegner: "Häufiger, unbequemer und lauter"
Noch schärfere Kritik an Klöckner kam vom SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner. "Statt der österlichen obrigkeitsstaatlichen Zurechtweisung hätte ich mir von meiner Präsidentin des Deutschen Bundestages die besondere Wertschätzung für diese Rolle der Kirchen gewünscht", sagte er dem "Tagesspiegel". "Die Stimme der Kirchen für Frieden und Gerechtigkeit dürfte ruhig häufiger, unbequemer und lauter zu hören sein", sagte Stegner.
In Deutschlands freiheitlicher Demokratie könne und dürfe man im Gegensatz zu anderen Staaten die Kirchen kritisieren, sagte Stegner, "und das gilt selbstverständlich auch für die Bundestagspräsidentin. Allerdings liegt Frau Klöckner fundamental daneben, wenn sie fordert, dass sich die Kirchen weniger ins politische Tagesgeschäft einmischen sollten. Das hätten manche Politiker und Politikerinnen wohl gerne." Das Gegenteil sei aber richtig und notwendig.
Klöckner, die früher Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken war, hatte ihre Ansichten bereits Anfang April in einem Interview mit dem katholischen Domradio dargelegt. Damals sagte sie, sie halte es "nicht immer für sinnvoll, wenn Kirchen glauben, eine weitere NGO zu sein und sich zur Tagespolitik äußern". Sie wünsche sich eine Kirche, die etwa in bioethischen Fragen Orientierung gibt – "wenn es um das ungeborene Leben geht oder das Leben, das den letzten Atemzug macht".
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa