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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Massaker im Krieg im Sudan "Sie gingen von Haus zu Haus und töteten jeden"
Das Töten im Sudan geht weiter: Seit April bekämpfen sich Regierungstruppen und Paramilitärs. Nun soll das bisher grausamste Massaker verübt worden sein.
Überdeckt von Kriegen in der Ukraine und Israel geht auch im nordostafrikanischen Sudan das Töten im dortigen bewaffneten Konflikt weiter. In der vergangenen Woche haben Kämpfer der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) Berichten zufolge rund 1.300 Menschen in einem Flüchtlingscamp getötet. Gut 2.000 Menschen sollen zudem bei der Attacke verletzt worden sein, Hunderte gelten als vermisst. Damit wäre es das bisher größte Massaker seit Ausbruch des Konflikts im April.
"Sie gingen auf der Suche nach Männern von Haus zu Haus und töteten jeden, den sie gefunden haben", sagte ein Augenzeuge des Massakers dem Sender Al-Jazeera. "Es lagen viele Leichen auf der Straße." Der Angriff auf das Flüchtlingslager in der Region West-Darfur, die an den Tschad grenzt, dauerte dem Bericht zufolge drei Tage lang an.
Im Sudan kämpfen seit Mitte April die RSF des früheren Vize-Machthabers Mohammed Hamdan Daglo, eine aus Milizen in der Region Darfur hervorgegangene Quasi-Armee, gegen die Streitkräfte unter der Führung von De-facto-Staatschef Abdel Fattah al-Burhan. In den ersten Monaten des Konflikts wurden mehrfach Feuerpausen vereinbart und wieder gebrochen. Beide Seiten beschuldigten einander. Mehr zu dem Konflikt lesen Sie hier.
"Massenmorde" in Regionalhauptstadt in Darfur
Aktivisten und Überlebende werfen der RSF vor, in der Region West-Darfur Angehörige der nicht-arabischen Masalit gezielt zu verfolgen und zu töten. Mehr dazu lesen Sie hier. Dabei handelt es sich um eine schwarzafrikanische Minderheit, die vorrangig in dieser Region und im Tschad lebt. Auch die Vereinten Nationen sowie westliche Regierungen prangerten die systematische Verfolgung und Vertreibung der Masalit an. Dennoch geht das Töten offenbar weiter.
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So berichtete die lokale Menschenrechtsgruppe "Roots Organisation" von Angriffen durch die RSF auf unbewaffnete Zivilisten in ihren Häusern sowie in Flüchtlingslagern. Seit Anfang November seien zahlreiche Menschen getötet, vergewaltigt, verletzt und gefoltert worden, hieß es. Vorausgegangen war offenbar eine Militäroffensive der RSF, bei der binnen zwei Wochen fünf Regionalhauptstädte im Westen des Sudans an die Miliz gefallen sind. Auch Militärbasen habe die Miliz eingenommen, Soldaten flohen Richtung Tschad. Die Zivilbevölkerung war den Angreifern schutzlos ausgesetzt.
Auch die "Washington Post" schrieb unter Berufung auf Augenzeugenberichte von "Massenmorden" in der Regionalhauptstadt Al-Dschunaina und in Flüchtlingslagern in West-Darfur. Ein Mann berichtete der Zeitung, dass er selbst 102 Leichen eingesammelt und unter Zelten gelagert habe. Dutzende weiterer Leichen sollen auf der Straße, die Al-Dschunaina mit der Grenze zum Tschad verbindet, gelegen haben. Unabhängige Beobachter haben seit Wochen kaum Zugang zu der Region.
"Das Töten ging bis zum Abend weiter"
"Am Sonntag kamen viele Fahrzeuge mit Allradantrieb und drangen in das Lager ein, und das Töten ging bis zum Abend weiter", sagte der Augenzeuge der "Washington Post". "Nach dem Mittag griffen sie uns mit Motorrädern an, weil Autos in diesen engen Straßen nicht fahren können. Ich versteckte mich in einem der Häuser und hörte die Beschimpfungen und das Töten von Leuten aus der Umgebung. Sie nannten die Leute 'Sklaven', und bezeichneten uns als Verbündete der Armee."
Die RSF hatten am vorvergangenen Samstag mitgeteilt, dass sie Al-Dschunaina erobert haben. Schon im Sommer war es dort bei Angriffen von RSF und verbündeter Milizen zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen gekommen. Nach Angaben der UN von Juli wurden dort Massengräber mit mehreren Dutzend ermordeten Zivilisten der ethnischen Minderheit Masalit gefunden. Die RSF bestritten die Vorwürfe.
Ähnliche Berichte gibt es aus Nyala, der Hauptstadt des Bundesstaats Dschanub Darfur (Süd-Darfur) im Süden des Sudan. Auch dort soll es zu mehrtägiger Gewalt und Plünderungen gekommen sein. Ein Augenzeuge berichtete, dass RSF-Milizionäre den Menschen gesagt hätten, dass sie keine Staatsgehälter bekommen würden und deshalb plündern müssten. An den Zugängen zu Märkten erlaubten die Kämpfer demnach den Zutritt nur gegen Geld.
Die "Teufel auf Pferderücken"
Nach den neuesten Angriffen hat sich das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR besorgt gezeigt. Neben den vielen Getöteten seien auch Tausende Menschen vertrieben worden, die in den Tschad geflohen sind. Besonders von der Gewalt betroffen ist demnach zudem die Ortschaft Ardamata nahe der Regionalhauptstadt Al-Dschunaina.
"Vor 20 Jahren war die Welt schockiert über die schrecklichen Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen in Darfur. Wir befürchten, dass sich eine ähnliche Dynamik entwickeln könnte", warnte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi. Die UN selbst hat kaum noch Zugang zu den umkämpften Gebieten.
Bereits seit 2003 gibt es immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen verschiedener Volksgruppen in Darfur mit Regierungstruppen. Schwarzafrikanische Milizen kämpfen dabei auch gegen bewaffnete Gruppen arabischer Reiter-Nomaden. Diese haben als "Dschandschawid" (zu deutsch, "Teufel auf Pferderücken") Bekanntheit erlangt. Ihnen werden Kriegsverbrechen wie das Verbrennen von Dörfern, die massenhafte Tötung von Zivilisten sowie Vergewaltigung als Kriegswaffe vorgeworfen. Die Dschanschawid schlossen sich später den RSF an.
Tausende Menschen fliehen in den Tschad
Die US-Regierung hat sich "zutiefst beunruhigt" über die Augenzeugenberichte über die jüngsten schweren Menschenrechtsverletzungen geäußert. Die "schrecklichen Taten" verdeutlichten die "Missbräuche der RSF im Zusammenhang mit ihren Militäroffensiven", hieß es in einem Beitrag der US-Botschaft im Sudan auf der Plattform X (vormals Twitter).
Auch die medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sprach von "verstärkten Kämpfen" in West-Darfur. In den ersten drei Tagen des Novembers seien aufgrund von Angriffen etwa 7.000 Menschen in den benachbarten Tschad geflohen – mehr als im gesamten Monat davor.
In der Hauptstadt Khartum gehen die Kämpfe indes weiter. Nach übereinstimmenden Angaben der Konfliktparteien ist eine strategisch wichtige Brücke in Khartum zerstört worden. Zeugenaussagen zufolge wies die Schambat-Brücke, die den Weißen Nil überquert und Khartum mit der Nachbarstadt Omdurman verbindet, am Samstag deutliche Zeichen der Zerstörung auf. Beide Konfliktpartei machten sich gegenseitig für die Zerstörung der Brücke verantwortlich.
Auf im Internet verbreiteten Bildern, deren Echtheit die Nachrichtenagentur AFP zunächst nicht überprüfen konnte, war ein Abschnitt in der Mitte der Brücke verschwunden. Auf den verbliebenen Teilen der Brücke waren augenscheinlich beschädigte Autos zu sehen.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- aljazeera.com: "‘Corpses on streets’: Sudan’s RSF kills 1,300 in Darfur, monitors say" (englisch)
- washingtonpost.com: "Sudanese paramilitaries seize Darfur cities in major advance, amid massacres" (englisch)
- dw.com: "UN: Kämpfe im Sudan eskalieren"