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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Plötzlich in aller Munde Die heimliche Revolution auf unseren Tellern
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In den 1980er Jahren kannten Einkorn und Co. nur wenige. Heute liegt Urgetreide im Trend der modernen Küche und gesunden Ernährung. Reich an Nährstoffen und historisch faszinierend.
Schon mal gehört: Einkorn, Emmer, Kamut oder Grünkern? Mancher erinnert sich an die "Alternativen", die "Ökos" der 1980er Jahre, die mit Birkenstocks, selbst gestricktem Schafwollpulli und Jutetasche in kleinen Naturkostläden oder Reformhäusern anzutreffen waren. Inzwischen standen Birkenstock-Sandalen als "Kunstobjekt" vor dem Bundesgerichtshof, Stricken ist Kult, und die Stofftasche zieren längst fetzige Supermarkt-Logos. Die damals geschmähten Körner waren Startsignal für die Urgetreide-Bewegung: Einige der so bezeichneten Sorten gibt es nämlich seit mehreren tausend Jahren.
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Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Mit ihrem neuesten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Sie wurden, anders als heutige Hochleistungsgetreide, bis heute kaum verändert und haben so ihre genetischen Eigenschaften bewahrt, sind insgesamt intensiver und rustikaler im Geschmack, liefern mehr B-Vitamine, Magnesium, Eisen, Zink, Calcium und Ballaststoffe. Sie verfügen sogar noch über ein speziell aufgebautes Gluten, das weniger klebrig ist. Ihr Ertrag liegt zwar deutlich unter dem von modernem Weizen, braucht aber weniger Nährstoffe und laugt so die Böden weniger aus.
Einkorn ist hier der Alterspräsident, archäologische Funde datieren zurück auf über 10.000 Jahre. Weil der Ertrag mit einem Korn auf jedem Absatz der Ährenspindel (daher der Name) schon damals recht mickrig war, wurde es allmählich von anderen Sorten verdrängt. Heute setzen Biobauern wieder auf Einkorn: Es hat an die 350 gesunde Inhaltsstoffe, viel Rohprotein und hat einen nussigen Geschmack.
Emmer war das Hauptgetreide im alten Ägypten, in Babylon, Rom und dem antiken Griechenland. Es wird auch Zweikorn genannt, weil hier zwei Körner auf jeder Spindelstufe der Ähre wachsen. Emmer liefert Polyphenole und Flavonoide, die antioxidativ und positiv auf die Darmflora wirken, außerdem punktet es mit einem hohen Vitamin-E-Gehalt. Es wird deshalb wieder in Brot, rustikalen Backwaren und zum Bierbrauen verwendet.
Urdinkel entstand in der Jungsteinzeit aus einer Kreuzung von Einkorn, Emmer und Wildgras, wanderte im Laufe der Jahrhunderte von Mesopotamien nach Mitteleuropa. Mit seinen zahlreichen Aminosäuren, Vitaminen und Mineralstoffen galt es als "Universalheilmittel".
Grünkern ist eine Zufallsentdeckung des 17. Jahrhunderts: Aus Angst vor Ertragsausfällen hatte man die Dinkelernte früher eingefahren und die unreifen Körner über dem Feuer geröstet. Grünkern ist würzig und eignet sich gut für Eintöpfe oder gebratene Puffer. Dinkel findet sich in Nudeln, Backwaren und Brot, in Keksen und Müslis.
Nährstoffreich und ohne Gluten
Kamut trägt auch den mystisch klingenden Namen Khorasan – in dieser historischen Region in Zentralasien soll das Urgetreide seinen Ursprung haben. Das Korn ist fast doppelt so groß wie das vom Weizen und enthält jede Menge Proteine und Mineralien wie Selen, Zink und Magnesium. Es hat einen höheren Gehalt an Fetten, was Kamut zum Energiebolzen unter den Urkörnern macht. Sein Mehl wird in Brot und Backwaren genutzt, seine Flocken in Müslis.
Während Urgetreide besonders nährstoffreich, geschmacklich intensiv und nachhaltig im Anbau sind, glänzen Pseudogetreide wie Quinoa, Amaranth und Buchweizen mit einem ganz anderen Vorteil: Auch sie enthalten Nährstoffe satt, sind aber komplett glutenfrei! Weil Amaranth, Quinoa und Buchweizen zu anderen Pflanzengattungen gehören, aber wie Getreide genutzt werden, hat man ihnen den Namen "Pseudo"-Getreide verpasst. Sie blicken ähnlich wie die Urkörner auf eine lange Geschichte zurück.
Amaranth ist eine der ältesten Nutzpflanzen, reich an Eiweiß (mit hohem Anteil an essenziellen Aminosäuren), Mineralstoffen, vor allem Eisen, und ungesättigten Fettsäuren. Inka und Azteken verehrten die Pflanze als heilig und glaubten, sie könne Alten und Kranken neue Lebensenergie verleihen – im Griechischen bedeutet Amaranthus "unsterblich". Gemahlen lässt es sich, vermischt mit einem anderen Mehl, zum Backen verwenden; gepufft finden sich die kleinen runden Körner in Müslis und Riegeln. Weil es wie Quinoa und Buchweizen kein Gluten enthält, ist es eine gute Alternative bei der Autoimmunkrankheit Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit.
Auch Quinoa hat seine Wurzeln in den Hochlagen der Anden. Quinoakörner kann man wie Reis zubereiten (und sie sollten genau wie dieser vorher gut gewaschen werden), sie haben einen ähnlichen Nährwert und Vitamingehalt, aber bei Mineralien und mehrfach ungesättigten Fettsäuren liegen sie vorn. Vor allem enthält Quinoa sämtliche neun essenziellen Aminosäuren, ganz besonders viel Lysin.
Vorsicht bei bestimmten Beschwerden
Bis ins 19. Jahrhundert wuchs Buchweizen wild in Moor- und Heidelandschaften und wurde dann als "Arme-Leute-Weizen" diffamiert. Erst auf der Vollwertwelle der 1980er und 1990er Jahre surfte er zurück in die Küchen. Bei heutigen Rezepten mag man kaum glauben, dass er früher vor allem als Grütze daherkam. Inzwischen wird er vor allem als Beilage und Einlage in Eintöpfen verwendet, gebraten, als Topping, im Porridge oder als Grundlage für Nudeln. Es gibt ihn im Ganzen, geschrotet und als Mehl. Der Geschmack ist nussig und leicht bitter, die Körner tragen gut 10 Prozent hochwertiges Eiweiß, einen Mix an essenziellen Aminosäuren, Vitaminen (A, B1 und B2) und eine Reihe von Mineralstoffen in sich. Es ist anzunehmen, dass Buchweizen bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels hilft und daher besonders für Diabetiker interessant ist. Daneben gibt es positive Einflüsse auf den Blutdruck und unsere Cholesterinwerte.
In manchen Pseudogetreiden stecken Bitterstoffe (Saponine), die die Aufnahme von Aminosäuren und Spurenelementen hemmen können. Bei Kindern unter zwei Jahren sollte man Quinoa und Amaranth am besten waschen und kochen, da das die Saponine mindert, die andernfalls, in großen Mengen genossen, zu Nährstoffmängeln oder Bauchweh führen können. Bei Amaranth ist zudem der Gehalt an Oxalsäure hoch – bei Nierenproblemen oder Nierensteinen sollte man ihn nur ab und zu konsumieren.
Lupine gehört zu den Hülsenfrüchten
Ungeschälter Buchweizen muss vor der Weiterverarbeitung heiß gewaschen werden, besser nur gekocht verzehrt werden, weil der Farbstoff des roten Häutchens (Fagopyrin) der Körner bei direktem Hautkontakt in Verbindung mit Sonnenlicht phytotoxische Hautentzündungen auslösen kann – etwa wie ein heftiger Sonnenbrand. Bei der geschälten Variante droht keine Gefahr.
Falls Sie hier Lupinen vermissen – die gehören zu den Hülsenfrüchten. Die eiweißreichen Körner der Süßlupine lassen sich aber ähnlich wie Pseudogetreide als glutenfreie Variante nutzen, mit ihrem hohen Gehalt an Ballaststoffen, essenziellen Aminosäuren und Omega-3-Fettsäuren. Perfekt für vegane Fleischalternativen, glutenfreies Backen, Bratlinge oder als Kaffee-Ersatz. Genießen Sie Pseudo- und Urgetreide mit ihrer langen wilden Vergangenheit für Ihre lange wilde Zukunft und kommen Sie gesund durch die Zeit!
- Eigene Meinung
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.