Verbaute Ringmagnete Brauchen Herzschrittmacher zu neueren iPhones mehr Abstand?
Berlin (dpa/tmn) - Magnetfelder mit einer bestimmten Stärke können Herzschrittmacher und Defibrillatoren stören. Daher rät etwa Apple seinen Kunden, mit verschiedenen Geräten mindestens 15 Zentimeter Sicherheitsabstand zu solchen Implantaten zu halten - darunter die iPhones 12 und 13. Applelistetaußerdem unter anderem auch Tablets, Laptops, Smartwatches und kabellose Ohrstöpsel auf.
Was die iPhone-Modelle so besonders macht: Auf ihrer Rückseite sind starke Ringmagnete verbaut. Sie ermöglichen das Anbringen von Zubehör - zum Beispiel von kabellosen Ladegeräten. Doch durch sie gibt es nah ums Gerät herum auch ziemlich starke Magnetfelder. Sie könnten die Funktion der im Ernstfall überlebenswichtigen Implantate stören, wie US-Mediziner herausfanden. Das zog Untersuchungen nach sich und ist der Hintergrund der Abstandsempfehlung.
Doch zwei deutsche Kardiologen sagen mit Blick auf eigene Untersuchungen: 15 Zentimeter sind für die iPhones übertrieben.
Das könne zu Verunsicherung führen und am Ende dazu beitragen, dass Schrittmacher-Patienten die Smartphone-Nutzung ganz scheuen, so Kardiologe Philipp Lacour vom Campus Virchow Klinikum der Berliner Charité. So ein großer Sicherheitsabstand sei nicht nötig, sagt er mit Blick auf eine im Fachjournal "Heart Rhythm" veröffentlichte Studie von ihm und dem Charité-Kardiologen Florian Blaschke.
Was haben Lacour, Blaschke und ihre Kollegen herausgefunden? Kurz: Die iPhones 12 und 13 mit ihren Ringmagneten (MagSafe-Technologie) können die Funktion von Schrittmachern und Defibrillatoren beeinflussen. Aber nur bei ganz nahem Kontakt, und auch nicht bei allen Implantaten, wie die Untersuchung zeigte.
Die Grundlage der Apple-Empfehlung
Nur wie kommt Apple auf 15 Zentimeter? Der Technikkonzern folgt damit einer Empfehlung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA. Sie rät zu einem Abstand von 6 Inches (Zoll) - also etwa 15 Zentimeter.
Eine Untersuchung am Center for Devices and Radiological Health der FDA kam im Sommer 2021 zu dem Schluss: Die Magneten im iPhone 12 (und in der ebenfalls untersuchten Apple Watch 6) erzeugen direkt ums Gehäuse herum ausreichend starke Magnetfelder, um die Funktion von Implantaten zu stören.
Auch wenn der Wert laut der Studie ab einem Abstand von 1,1 bis 2 Zentimetern vom Gerät unter die für eine Funktionsstörung kritische Marke fiel, blieb die Abstandsempfehlung: 6 Inches.
Der Bochumer Kardiologe Prof. Philipp Sommer war überrascht von den Ergebnissen der Untersuchung aus den USA. "Dass die Geräte starke Magnetfelder enthalten, wussten wir - dass sie so stark sind, dass sie Defibrillatoren deaktivieren können, wussten wir nicht", sagt der Direktor der Klinik für Elektrophysiologie und Rhythmologie der Uniklinik Bochum.
Allerdings sei das Magnetfeld eben nur in einem kleinen Nahbereich um das Gerät herum sehr stark, sagt Sommer. "Um Störungen auszulösen, muss es im Prinzip Kleidungskontakt haben - also direkt über der Stelle, wo das Implantat sitzt, aufliegen."
Reaktionen nur bei ganz geringem Abstand
Das ist auch, was Philipp Lacour und Florian Blaschke sagen. In ihrer im November 2021 veröffentlichten Studie haben sie alle auf dem Markt verfügbaren kardialen Implantate mit der Magnetfeldstärke, die diese iPhones konstant ausstrahlen, getestet. Dafür wurden im Labor das iPhone 12 und die Implantate in möglichst engen Kontakt gebracht.
Das Ergebnis: Beeinflussungen gab es ungefähr bei der Hälfte der kardialen Implantate. Und auch dann nur bei ganz geringen Abständen zwischen Ringmagnet und Implantat. "In der Regel maximal ein Zentimeter", sagt Lacour.
Oft liegen Schrittmacher oder Defibrillatoren im Körper unter den Haut- und Fettschichten aber schon mehr als einen Zentimeter tief, so der Kardiologe weiter. So überrascht es kaum, dass die Zahl der Störungen dann beim Test mit 164 Implantat-Trägern im Vergleich zum Test der Implantate außerhalb des Körpers schon deutlich abnahm.
Bei den Patienten gab es in der Untersuchung durch das Auflegen des iPhones auf die Brust nur in 18 Prozent der Fälle eine Interaktion. Und: Schon wenn das Display des Smartphones zum Patienten zeigte, kam es laut Florian Blaschke zu keiner Interaktion mit den implantierten Schrittmachern oder Defibrillatoren. Der Magnet liegt eben an der Rückseite des iPhones. Folglich ist das Magnetfeld dort stärker.
Risiko im Alltag äußerst gering
"Wenn man das in den Alltag überträgt, bestünde nur dann ein Risiko, einen Defibrillator kurzzeitig zu deaktivieren oder die Schrittmacherfunktion zu beeinflussen, wenn man sein iPhone auf seine nackte Brust und dort auf einen kleinen umschriebenen Bereich legt", sagt Philipp Lacour. Das Mobiltelefon vor die Brust zu halten oder auf der Seite zu telefonieren, wo das Implantat sitzt: Alles kein Problem. 15 Zentimeter Sicherheitsabstand seien nicht nötig, schlussfolgert der Forscher.
Aber, so sagt Florian Blaschke: In dieser Studie ging es um den Einfluss des statischen Magnetfeldes des iPhones 12 auf die Implantate. Theoretisch können in seltenen Fällen auch elektromagnetische Interferenzen auftreten, wenn Smartphones nah an der Brust sind. Etwa während man telefoniert oder im Netz surft. Das hat etwa eine frühere Studie von Blaschke und Lacour gezeigt.
Wer auf Nummer sicher gehen möchte: Eine mögliche Wechselwirkung zwischen dem eigenen Smartphone und seinem Implantat kann man mit einer Geräteabfrage in einer kardiologischen Fachpraxis untersuchen lassen. Bleibt die Frage: Was passiert eigentlich, wenn ein Implantat durch ein Magnetfeld gestört wird?
Bei Herzschrittmachern steigt dann die Frequenz, sagt Philipp Lacour. Bei einem Defibrillator wird die Funktion, die zur Beendigung gefährlicher Herzrhythmusstörungen erforderlich ist, vorübergehend deaktiviert. Das ist eigentlich ein Schutzmechanismus in den Geräten. So wird bei Operationen etwa ein Magnet aufgelegt, damit der Defi nicht fälschlicherweise Schocks abgibt. Ist das Magnetfeld weg, schaltet sich das Gerät automatisch wieder ein.
"Die klinische Wahrscheinlichkeit, dass während einem kurzzeitigen Abschalten des Defibrillators wirklich etwas passiert, ist äußerst gering", sagt Florian Blaschke. Man müsste zum einen genau in diesem Moment eine bedrohliche Herzrhythmusstörung bekommen. Zum anderen müsste dann auch noch das Mobiltelefon stabil vor dem Defibrillator verbleiben. Verrutscht es oder fällt es runter, würde die Defi- Funktion wieder aktiviert und die Rhythmusstörung beendet werden.
Nicht in die Brusttasche
Steckt, um beim Beispiel der iPhones zu bleiben, das Smartphone mit Ringmagnet in der Hemdtasche, droht aber doch ein geringes Risiko. Schläft ein Defibrillator-Träger damit ein, könnte ein im Schlaf auftretendes Kammerflimmern womöglich tödlich sein. Nämlich wenn der Defi durch das Magnetfeld deaktiviert sein sollte und das Smartphone in der Tasche nicht verrutscht. So blieben die lebensrettenden Schocks aus.
Das Szenario sei gar nicht so weit hergeholt, sagt Philipp Sommer. Sein Rat an Implantat-Patienten lautet: Smartphones generell nicht in der Brusttasche bei sich tragen. Das gilt insbesondere für Geräte mit Induktivlade-Funktion.
Auf der sicheren Seite
Aber warum nun gibt Apple 15 Zentimeter an, wenn eine präzise Untersuchung zeigt: Eigentlich kommt es nur bei absolutem Nahkontakt womöglich zu Reaktionen? Das sei im Interesse der Firma, um wirklich auf der ganz sicheren Seite zu sein, vermutet Sommer. "Angenommen, man legt fünf Zentimeter an und es passiert doch mal etwas - das fällt vielleicht auf die Firma zurück."
Es gebe generell viele mögliche Störeinflüsse für Schrittmacher und Defibrillatoren, nach denen Patienten fragten, sagt Sommer. Sei es die Mikrowelle, der Induktionsherd oder der Föhn. "Als Faustregel sage ich dann immer: Nicht näher als eine Handbreit mit der Implantat-Stelle herangehen, das passt." Das sorge schon für Beruhigung.
Bei Smartphones wiederum würde Sommer sagen: "Einfach nicht unmittelbar über oder auf die Hautstelle halten, wo das Implantat darunter sitzt." Und gerade für betroffene Männer wichtig: bitte nicht in die Hemdtasche.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.