Ski geht auf die Knie Wintersportarten im Risiko-Check
München/Innsbruck (dpa/tmn) - Einmal im Jahr eine Woche Vollgas auf der Skipiste: So sieht bei vielen Deutschen der Winterurlaub aus. Für manche endet der lang ersehnte Trip in die Berge im Krankenhaus.
Der Drang, aus den Ferientagen ein Maximum an Schnee-Erlebnissen rauszuholen, ist laut dem Orthopäden und Unfallchirurgen Prof. Mirco Herbort ein Hauptrisikofaktor dafür. Der Mediziner von der OCM-Klinik München behandelt jeden Winter viele Verletzte aus den alpinen Skigebieten. Außer vergangenes Jahr: "Da war es wirklich ruhig. In dem Sinne war Corona eine der größten Präventionsmaßnahmen für Sportverletzungen in der Weltgeschichte."
Diesen Winter aber wird es wieder viel mehr Wintersporttourismus geben. Und damit auch wieder mehr Arbeit für die Chirurginnen und Chirurgen in den Kliniken. Wir geben einen Überblick über typische Verletzungen bei den beliebtesten Schnee-Sportarten - und wie sie sich womöglich vermeiden lassen.
Abfahrtsski: Voll auf die Knie
Knieverletzungen sind der Klassiker unter den Skiverletzungen. "Die Knie sind der größten Belastung ausgesetzt. Wir haben den ganzen Winter viele Kreuzband- und Meniskusverletzungen", sagt Prof. Rohit Arora. Als Direktor der Uniklinik für Orthopädie und Traumatologie Innsbruck hat er in jeder Skisaison viele verletzte Wintersportlerinnen und Wintersportler aus den umliegenden Tiroler Skigebieten auf dem OP-Tisch liegen.
Oftmals passieren die Knieverletzungen gar nicht bei hochrasanten Stürzen, sondern auf denkbar unspektakuläre und bittere Art und Weise. Vor allem beim Benutzen der Lifte ist laut dem Münchner Chirurgen und Kniespezialisten Herbort Vorsicht geboten. "Beim Ausstieg nicht aufgepasst, einen Ski im Schnee verkantet und die Beine X-bein-artig verdreht: Da geht durch die Hebelwirkung der Ski schnell das Kreuzband kaputt."
Snowboard: Gefahr für Schulter, Arm und Handgelenk
Unterarmbrüche, ausgerenkte Schultern und Ellenbogen, gebrochene Handgelenke und Schlüsselbeine: Beim Snowboarden sind eher die oberen Extremitäten verletzungsgefährdet.
Zum Schutz der Handgelenke haben Snowboard-Handschuhe oft Protektoren integriert. Mirco Herbort findet diese Schützer sinnvoll, auch wenn sie von vielen als unbequem empfunden werden. "Frakturen im Handgelenkbereich können schwerwiegend sein", sagt er.
Man sollte es nicht unterschätzen, wenn das Gelenk nach einem Sturz schmerzt und anschwillt. "Operiert man es zu spät oder stellt es zu spät ruhig, kann Knochen absterben, weil in dem Bereich die Durchblutungssituation oft schwierig ist", erklärt er. Schlimmstenfalls versteift das Gelenk.
Gesunde Selbsteinschätzung unverzichtbar
Egal, ob man auf Ski oder Snowboard die Piste herunterbrettert: Um verletzungsfrei und mit Spaß durch den Urlaub zu kommen, ist ein gesundes Maß an Reflexion und Risikowahrnehmung ratsam. "Das Schlimmste ist die Selbstüberschätzung", sagt Rohit Arora. "Gerade am Anfang, nachdem man ein Jahr lang nicht gefahren ist."
Außerdem sollte man seine Fahrweise immer an die Witterungsverhältnisse anpassen. Speziell bei schlechter Sicht sind vereiste Stellen oder sulzige Hügel auf der Piste rasch übersehen. Wer dann zu schnell unterwegs ist, riskiert schlimme Stürze.
Man sollte zudem auf seinen Körper hören: Fühlt er sich müde an, lässt man es lieber langsam angehen oder macht mal einen Tag komplett Pause. Auch wenn man eigentlich voll innerem Elan ist, die Pisten herunter zu brettern.
Skilanglauf: Immer richtig hinfallen
Langlauf gilt als die risikoarme Alternative zum Alpin-Ski. So lange es geradeaus oder bergauf geht, kann hierbei tatsächlich nicht allzu viel passieren. Zu Verletzungen kommt es vor allem auf kurzen Abfahrten, wenn Wintersportler die Kontrolle über die langen, schmalen Ski verlieren und stürzen.
"Weil sie dabei oft in die Grätsche gehen, kommt es etwa zu Symphysen-Frakturen im Becken", sagt Rohit Arora. Deshalb ist sein Rat: Immer seitlich fallen, wenn man merkt, dass man nicht mehr sicher zum Stehen kommt.
Schlitten fahren: Lieber mit Helm
Als Gaudi und Abwechslung betreiben viele Skigebiete eigene Rodelpisten. Nicht sehr breit, rasant und kurvenreich führen sie oft mitten durch einen Wald.
Vor allem Nachtrodeln ist beliebt. Manche trinken erst eine paar Biere und Obstler auf dem Berg und wagen sich danach auf die beleuchtete Rodelpiste.
Doch gerade die Kombination Nachtrodeln und Alkohol ist gefährlich, warnt Arora. Er kennt die Folgen von ungebremsten Abflügen mit dem Schlitten gegen einen Baum. Das Ergebnis seien schlimme Schädel-Hirn-Traumen und Verletzungen an der oberen Wirbelsäule.
Gerade wenn die Rodelpiste durch den Wald führt, sollte man deshalb immer einen Helm tragen. Schließlich kann es einem auch im nüchternen Zustand passieren, dass man die Kurve nicht kriegt. Auch ein Rückenprotektor kann im Zweifel nie schaden, sondern nur helfen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.