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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mentale Gesundheit Umfrage zeigt: Das sind die größten Sorgen der Deutschen
Erschöpft, antriebslos, unmotiviert – so fühlen sich derzeit viele Deutsche. Was die größten Stressoren sind und welche Auswirkung das hat, zeigt eine Umfrage.
Wie es einem Menschen psychisch geht, hat einen großen Einfluss auf seine allgemeine Gesundheit. So können psychische Belastungen etwa das Risiko für Burn-out, Depression oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Was die Auslöser sind und wie sich die Belastung auswirkt, ist dabei von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Allerdings können gesellschaftliche Probleme oft viele Menschen gleichzeitig belasten. So gehen auch die Pandemie, die Wirtschaftskrise und der Schock über die internationalen Konflikte nicht spurlos an der Psyche der Menschen in Deutschland vorbei. Was die größten Sorgen der Bevölkerung sind und wie sich diese auf die Lebensqualität auswirken, hat eine repräsentative Studie der Online-Therapieplattform HelloBetter in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos untersucht.
Fast jeder zweite Deutsche hat mehr Sorgen
Für die Studie wurden 2.000 Personen im Alter von 16 bis 75 Jahren in Deutschland befragt. Das Ergebnis: Fast die Hälfte der Deutschen (43 Prozent) gibt an, viel beziehungsweise etwas besorgter zu sein als noch vor zwölf Monaten. Ganz oben auf der Liste der Sorgen der Deutschen stehen:
- die Inflation und steigende Preise (58 Prozent)
- die politische Lage im In- und Ausland (44 Prozent)
- die Sorge um die eigenen Kinder (44 Prozent)
- die Furcht vor einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft (43 Prozent)
- die drohende Klimakrise und Naturkatastrophen (41 Prozent)
- Altersarmut (41 Prozent)
Zu Punkt vier gaben die Befragten an, "sehr" beziehungsweise "extrem" besorgt oder beängstigt zu sein.
Psychische Belastung auch durch Stress am Arbeitsplatz
Auch im beruflichen Umfeld können sich Einflüsse zeigen, die psychisch belastend sein können – allen voran eine schlechte Bezahlung. So fühlt sich über alle Generationen hinweg fast jeder Dritte aufgrund zu geringer Bezahlung extrem beziehungsweise sehr gestresst (29 Prozent). Mehr als ein Fünftel (23 Prozent) sind aufgrund der hohen Ansprüche an sich selbst unter Druck. Und ebenfalls 23 Prozent klagen über Fachkräftemangel im Team sowie die Arbeitsmenge.
Der Leidensdruck der 16- bis 28-Jährigen (der sogenannten "Gen Z”) scheint im Vergleich deutlich höher zu sein: Sie plagen Sorgen durch zu geringe Bezahlung (45 Prozent), die eigenen Ansprüche (37 Prozent) und die persönlichen Auswirkungen des Fachkräftemangels in Form von mehr Stress und Druck (34 Prozent).
Mental Load: Besonders Mütter fühlen sich überlastet
Ein weiterer Stressfaktor der Deutschen: ein hoher Mental Load. Damit ist die psychische Belastung gemeint, die es kostet, das eigene Leben, Familie, Haushalt, Beruf und Privatleben zu koordinieren und zu bewältigen. Mehr als jeder vierte Deutsche (27 Prozent) klagt über einen hohen bis sehr hohen Mental Load.
Die Studie zeigt, dass vor allem folgende Gründe dazu führen, dass Menschen in Deutschland sich mental belastet fühlen:
- hohe Ansprüche an sich selbst (27 Prozent)
- Organisation finanzieller Angelegenheiten (26 Prozent)
- Organisation des Haushalts (22 Prozent)
- Arbeitsumfang im Haushalt (22 Prozent)
Insbesondere Mütter scheinen mental belastet zu sein: 32 Prozent der befragten Mütter schätzen im Vergleich zu 23 Prozent der Väter ihren Mental Load als hoch beziehungsweise sehr hoch ein. Mögliche Ursache ist die häufig immer noch ungleiche Verteilung der Aufgaben im Haushalt und der Familie. So deuten die Zahlen der Studie darauf hin, dass zum Beispiel die Kinderbetreuung und die Hausarbeit in vielen Beziehungen immer noch eher bei den Frauen liegen.
Social Media ist Stressfaktor bei jungen Menschen
In der jungen Generation zeigt die Befragung, wie belastend die Nutzung von Social Media sein kann. Bei den 16- bis 28-Jährigen ("Gen Z") sind die Selbstzweifel aufgrund des Vergleichs mit anderen bei der Nutzung sozialer Medien sehr hoch: 33 Prozent im Vergleich zum Durchschnittswert, für alle Generationen mit 15 Prozent. Ähnlich hoch liegen die Werte bei der Angst, etwas zu verpassen (englisch: "Fomo" für "Fear of missing out") und bei der Belastung aufgrund von Cybermobbing.
Die Sorgen wirken sich auf die Lebensqualität aus
Die Studie hat zudem untersucht, wie sich diese Sorgen auf verschiedene Lebensbereiche sowie auf die psychische und körperliche Gesundheit auswirken. Besonders alarmierend: Generationenübergreifend gibt fast jeder fünfte Deutsche (19 Prozent) an, dass sich die eigenen Sorgen auf ihre Kinder auswirken. Bei 18 Prozent wirke sich die psychische Belastung auf ihre Freizeitaktivitäten aus und bei 15 Prozent auf die Arbeitsleistung.
Noch gravierender sieht es bei der Auswirkung auf die Gesundheit aus. Demnach fühlt sich über alle Generationen hinweg fast jeder Dritte (27 Prozent) erschöpft und energielos. 26 Prozent klagen über vermehrtes Grübeln und Gedankenkreisen und 23 Prozent fühlen sich antriebslos und unmotiviert.
Unterschiede in den Altersgruppen erkennbar
Auffällig ist, dass die Generation der 16- bis 28-Jährigen eine deutlich höhere Belastung aufweist: In dieser Gruppe klagen gleich 40 Prozent der Befragten über Erschöpfung und Energielosigkeit und geben vermehrtes Grübeln und Gedankenkreisen an. 35 Prozent fühlen sich antriebslos und unmotiviert.
Den Angaben zufolge geht es den 59- bis 75-Jährigen psychisch und körperlich besser: Nur 13 Prozent fühlen sich erschöpft und lediglich 12 Prozent der Befragten erleben vermehrtes Grübeln.
Allgemein gilt: Sowohl bei jungen als auch bei älteren Menschen kann anhaltender Stress das Risiko erhöhen, psychisch oder physisch zu erkranken. 47 Prozent der "Gen Z" kennen die Angst, in Zukunft davon betroffen zu sein – über alle Generationen hinweg sind es nur 35 Prozent. Das Bewusstsein für die gesundheitlichen Folgen von Stress ist daher in der jüngeren Generation deutlich höher.
Folgen von Stress: Jeder Dritte liegt nachts wach
Schlaflosigkeit, sowie Einschlaf- und Durchschlafprobleme sind eine häufige Folge von psychischem Stress. So gibt auch fast jeder dritte Befragte (32 Prozent) an, sehr beziehungsweise eher unzufrieden mit seinem Schlaf zu sein. Viele liegen nachts wach und können nicht wieder einschlafen (30 Prozent). Folgende Hauptgründe werden genannt:
- Grübeln (38 Prozent)
- finanzielle Sorgen (19 Prozent)
- beruflicher Stress (16 Prozent)
Dabei scheinen viele Deutsche bereits zu wissen, wie man die Schlafqualität verbessern kann. So geben 27 Prozent an, für ein kühles, dunkles und ruhiges Schlafzimmer zu sorgen. 21 Prozent kümmern sich bereits tagsüber aktiv mit viel Bewegung um eine gute Schlafqualität. Und 16 Prozent versuchen, dies durch feste Rituale vor dem Schlafengehen zu erreichen.
Mittel gegen Stress: Das hilft den Deutschen
Gefragt nach einer Möglichkeit, um etwa den Mental Load und Stress durch die Arbeit zu reduzieren, liegt die Viertagewoche bei 29 Prozent der Deutschen ganz vorn. Zudem gab fast jeder fünfte Deutsche (17 Prozent) an, dass psychotherapeutische Unterstützung dabei helfen könnte, mit dem hohen Mental Load umzugehen.
Unterstützung suchen die Befragten zudem häufig bei ihrem Partner oder ihrer Partnerin (36 Prozent), direkt gefolgt von guten Freunden (33 Prozent). Fast jeder Dritte gibt an, die eigenen Probleme mit sich selbst auszumachen. Beliebte Hilfsmittel dabei sind vor allem, in der Natur zu sein (etwa Spaziergänge im Wald) und das Hören von Musik.
Digitale Hilfsmittel: Jeder Dritte würde sie nutzen
Seit 2019 das Digitale-Versorgung-Gesetz in Kraft getreten ist, können Ärzte und Psychotherapeuten kostenfrei digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Rezept verordnen. Dazu zählen unter anderem psychologische Online-Therapieprogramme, die etwa bei Angststörungen, Schlafstörungen sowie Stress und Burn-out eingesetzt werden können.
Im Gegensatz zur klassischen Therapie vor Ort entfällt die Wartezeit und Betroffene können direkt und flexibel zu Hause beginnen. Insbesondere die "Gen Y" ist für diese Art der Behandlung sehr aufgeschlossen: 44 Prozent der 29- bis 43-Jährigen können sich auf jeden Fall oder eher vorstellen, mithilfe digitaler Hilfsmittel ihre psychischen Belastungen zu reduzieren. Über alle Generationen hinweg ist es immerhin jeder Dritte.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- gesundheit.gv.at: "Psychische Belastungen am Arbeitsplatz". (Stand: Dezember 2022)
- Studie der Online-Therapieplattform HelloBetter in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos (Stand: September 2023)