Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Deutschland droht der Winterblues
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
es gibt durchaus Tage, die schön sind. Mit Spaziergängen im Wald, dem bunten Laub, einem heißen Kakao, vielleicht ein paar Sonnenstrahlen.
Aber oft sind sie weniger schön.
Auf dem Weg zur Arbeit ist es noch dunkel. Auf dem Weg nach Hause ist es schon dunkel. Dazwischen wird es oft gar nicht richtig hell. Und wenn doch, dann ist es besonders unangenehm, wenn es wieder dunkel wird. Als würde jemand die Vorhänge vor dem Kopf zuziehen. Und dann steigt ein Gefühl von Traurigkeit hoch, von Melancholie und Einsamkeit.
Es braucht gar keine ausgewachsene Winterdepression, um sich in den kommenden Wochen unwohl zu fühlen, wie diese Schilderungen zeigen. Betroffene berichten wie in diesem Fall eher von einer Art Winterblues, einem Unwohlsein in der dunklen Jahreszeit – vielen Menschen in Deutschland geht das so.
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Mir persönlich ist es glücklicherweise relativ egal, welche Jahreszeit gerade ist. Sicher, der Sommer ist mir letztlich näher als der Winter. Aber eher so, wie mir Schokolade näher ist, als es Gummibärchen sind. Auch mit Gummibärchen bin ich zufrieden.
Leider geht es nicht allen so. Bis zu 20 Prozent der Bevölkerung leiden in den Wintermonaten an milderen und eher temporären Stimmungstiefs, ein bis zwei Prozent gar an einer Winterdepression. Bei der milderen Variante ist oft ganz einfach der Mangel an Tageslicht schuld, der den Hormonhaushalt durcheinanderbringt.
Am kommenden Wochenende spitzt sich das auch noch zu – mit dieser vermaledeiten Zeitumstellung. Auch wenn die Umstellung am Sonntag von 3 auf 2 Uhr zu einer Stunde Gewinn führt: Fast jeder Dritte hat aufgrund des Mini-Jetlags körperliche oder psychische Probleme – Müdigkeit, Einschlafprobleme und Konzentrationsschwierigkeiten. Bis zu depressiven Verstimmungen.
Die Ursprungsidee hinter der Zeitumstellung war es, Energie zu sparen, indem die Menschen das Tageslicht besser nutzen. Leider funktioniert das nicht, wie diverse Untersuchungen ergeben haben. Kein Wunder, dass Umfragen regelmäßig eine breite Ablehnung der Zeitumstellung zeigen – nachdem die eigentlich längst beschlossene Abschaffung immer weiter nach hinten verschoben wurde. Fakt ist: Statt Energie zu sparen, macht die Umstellung weiterhin vielen Menschen körperlich und geistig zu schaffen. Und dazu wird es ab der kommenden Woche auf einen Schlag früher dunkel.
Am Montag nach der Umstellung melden sich dementsprechend mehr Menschen krank als gewöhnlich.
Das wiederum könnte dazu führen, dass am kommenden Montag in einigen Betrieben besonders wenig los ist. Es schwappt nämlich ohnehin schon eine Krankheitswelle durch Deutschland. Die Zahl der akuten Atemwegserkrankungen ist derzeit außergewöhnlich hoch. Das RKI zumindest geht von 6,9 Millionen Betroffenen aus, wie es gestern bekannt gab.
Das kommt nicht ganz überraschend, denn irgendwie sind ohnehin alle um einen herum erkältet. Erst gestern berichtete mir ein Kollege von einem Patienten-Rückstau im Berliner Stadtteil Friedrichshain fast um den Block herum – und einer Vorab-Mail der Praxis, man möge warme Kleidung mitbringen.
Der Vorstandschef der drittgrößten deutschen Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, pocht im Gespräch mit meinem Kollegen Mauritius Kloft sogar auf eine politische Debatte zum hohen Krankenstand und fordert einen "Krankenstands-Gipfel".
Atemwegserkrankungen und Winterblues. Da braucht es keinen Arzt, um zu analysieren, dass schlechte Nachrichten aus Deutschland und der Welt wenig zur Erheiterung beitragen. Etwa die von gestern, dass die Haushaltslücke des Bundes größer wird, weil Deutschland mit weniger Steuereinnahmen auskommen muss als erwartet. Oder die Nachricht, dass eine Frau vor einer Polizeistation in Hessen um sich geschossen hat.
Die Aussichten? Zunächst mal überschaubar. Der dunkle November mag sich ziehen. Und global gesehen schwebt noch ein Damoklesschwert über der Welt: das bedrohliche Szenario rund um einen möglichen Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen. Die Folgen würden sicherlich nicht nur politisch spürbar.
Alles in allem: ein Schreckensszenario, das man besser nicht zu Ende denkt.
Zeit also, den Kopf in den Sand zu stecken, sich zu Hause zu verkriechen und zu warten, bis die dunkle Jahreszeit bald vorbei ist? Zum Glück gibt es da hervorragende Alternativen. Gegen den Mini-Jetlag der Zeitumstellung gibt es wirkungsvolle Tipps wie den, sich viel zu bewegen, am besten bei Tageslicht – und auf einen Mittagsschlaf zu verzichten.
Gegen den Winterblues hilft unter anderem sozialer Austausch (und es gibt weitere Tipps, die Sie hier finden). Ganz sicher hilft es, aufeinander Rücksicht zu nehmen, füreinander da zu sein und sich verantwortlich zu fühlen für diejenigen, die jetzt leiden. Und sie ernst zu nehmen. Und eventuell helfen auch ein paar herrliche Bilder vom goldenen Herbst in Deutschland – unter die sich zugegebenermaßen auch eines aus Kanada geschlichen hat.
Termine des Tages
Die Regierungschefs der Länder setzen am Freitag die Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig fort. Am Mittag wollen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und sein niedersächsischer Amtskollege Stephan Weil (SPD) die Ergebnisse der Beratungen vorstellen. Strittig sind vor allem weitere Maßnahmen in der Asylpolitik und eine Einigung zur vorgeschlagenen Erhöhung des Rundfunkbeitrags.
Bundeskanzler Olaf Scholz sowie mehrere Bundesminister treffen in Neu-Delhi Indiens Ministerpräsident Narendra Modi sowie indische Amtskollegen. Die siebten deutsch-indischen Regierungskonsultationen stehen unter dem Motto "Zusammenwachsen mit Innovation, Mobilität und Nachhaltigkeit". Solche Regierungsgespräche führt Deutschland nur mit besonders wichtigen Partnern. Es soll neben den Beziehungen beider Länder untereinander auch um die internationale Politik gehen, vor allem um den Umgang mit Russland. Indien unterhält enge Kontakte sowohl zu Russland als auch zum Westen und gilt als möglicher Vermittler bei den diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs.
Es gibt kaum eine Sängerin, die so für ein Lied steht wie Nicole, die deutsche Grand-Prix-Siegerin von 1982: "Ein bisschen Frieden". Heute wird sie 60 Jahre alt. Nach ihrer überstandenen Brustkrebserkrankung gehe es ihr heute ausgezeichnet, sagt sie. Herzlichen Glückwunsch!
Heute wird der ifo-Geschäftsklima-Index für Oktober veröffentlicht. Der Index basiert auf monatlichen Meldungen von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes, des Groß- und des Einzelhandels. Die circa 7.000 Unternehmen beurteilen ihre gegenwärtige Geschäftslage und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate.
Historisches Bild
Der Leopard 2 ist einer der bekanntesten Panzer der Welt, seine Geschichte reicht weit zurück. Hier lesen Sie mehr.
Lesetipps
Nach der Steuerschätzung beginnt im Bundestag das finale Ringen um den Haushalt, wie Florian Schmidt und Johannes Bebermeier berichten. Dabei geht es um ein Finanzloch, von dem keiner so recht weiß, wie groß es wirklich ist.
Lange waren Deutschland und Europa Frieden gewohnt, doch diese Zeit ist zu Ende. Denn weltweit betrachten manche Staaten militärische Gewalt verstärkt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen, warnt der Militäranalyst Franz-Stefan Gady im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.
Markus Söder will entgegen seinem bisherigen Verhalten und Naturell diesmal den Kanzlerkandidaten der Union voll und ganz unterstützen. Da muss Großes dahinterstecken, wie mein Kollege Christoph Schwennicke in seiner Kolumne schreibt.
Nordkorea schickt zur Unterstützung von Wladimir Putin im Krieg in der Ukraine Soldaten nach Russland. Doch das Taktieren mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un könnte für den Kreml nach hinten losgehen, schreibt mein Kollege Patrick Diekmann.
Zum Schluss
Not macht erfinderisch.
Ich wünsche Ihnen einen vergnüglichen Tag und ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
Ihr
Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur
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Mit Material von dpa.
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