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Ukraine-Krieg: Soldaten aus Nordkorea in Russland – Putin geht zu weit


Korea-Stellvertreterkrieg in der Ukraine?
Dann könnten die USA eingreifen


24.10.2024 - 19:47 UhrLesedauer: 6 Min.
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Wladimir Putin und südkoreanische Soldaten: Russland riskiert mit seinem Schulterschluss mit der nordkoreanischen Kim-Diktatur ein verstärktes Engagement Südkoreas im Ukrainekrieg.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin und südkoreanische Soldaten: Russland riskiert mit seinem Schulterschluss mit der nordkoreanischen Kim-Diktatur ein verstärktes Engagement Südkoreas im Ukrainekrieg. (Quelle: Imago_Alexander Shcherbak)

Nordkorea schickt zur Unterstützung von Wladimir Putin im Ukraine-Krieg Soldaten nach Russland. Doch das Taktieren mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un könnte für den Kreml nach hinten losgehen.

Es ist gar nicht so lange her, da wurde sie bei den Olympischen Winterspielen 2018 zum Gesicht einer möglichen Aussöhnung auf der koreanischen Halbinsel. Damals reiste Kim Yo Jong, die Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Yong Un, nach Südkorea und besuchte unter anderem ein Spiel eines koreanischen Eishockey-Damenteams, bestehend aus Spielerinnen beider Länder.

Doch mittlerweile ist sie nicht mehr das Gesicht der Aussöhnung. Im Gegenteil: Kim Yo Jong zählt in Nordkorea zu den Hardlinerinnen, die stetig den ideologischen Konflikt mit Südkorea und den USA befeuern.

So beschimpfte Kim Yo Jong in dieser Woche Südkorea und die Ukraine als "böse Hunde, gezüchtet von den USA" und drohte mit dem Einsatz von Atomwaffen. Grund dafür waren Berichte, dass die Kim-Diktatur Soldaten nach Russland schickt – zur Unterstützung von Kremlchef Wladimir Putin im Ukraine-Krieg.

Daraufhin drohte die Nato Nordkorea, woraufhin die Schwester von Kim über eine koreanische Nachrichtenagentur eine Wut-Erklärung abgab. Darin beschimpfte sie Südkorea und die Ukraine als "Verrückte", die riskieren würden, dass der ganze "Abschaum" vernichtet wird. "Niemand weiß, wie unsere Vergeltung und Rache enden wird."

Dass sich Nordkorea im Ukraine-Krieg auf die Seite Russlands schlägt, ist keine Überraschung. Immerhin galt die Diktatur nicht zuletzt aufgrund ihrer ständigen Provokationen mit Atomprogramm und den Tests ballistischer Raketen international als Paria. Die Kim-Diktatur ist über jeden Partner froh, der ihr den Weg heraus aus der Isolation ermöglicht.

Video | Aufnahmen zeigen nordkoreanische Soldaten in Russland
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Quelle: t-online

Für Moskau hingegen ist das Taktieren mit Nordkorea ein Risiko. Einerseits offenbart der Schulterschluss zwischen Putin und Kim Jong Un, dass die russische Armee auf Hilfe angewiesen ist und der Kreml ausgerechnet auf die Kim-Diktatur angewiesen ist.

Andererseits würde der russische Präsident mit dem direkten militärischen Eingreifen in den Ukraine-Krieg durch Nordkorea eine rote Linie überschreiten, die unter anderem die USA und Südkorea auf den Plan rufen könnten. Für Putin ist das ein Dilemma. Doch so weit ist es bislang nicht.

Nordkorea schickt Truppen nach Russland

Zweifelsfrei ist durch Satellitenbilder belegbar, dass nordkoreanische Soldaten zu Ausbildungszwecken in den östlichen Militärbezirk Russlands verlegt wurden. Die genaue Anzahl ist unklar.

Das Weiße Haus spricht von 3.000 Soldaten, die ukrainische Regierung geht von 10.000 aus. Laut dem südkoreanischen Geheimdienst sollen bislang 1.500 in Russland angekommen sein. Auf den Satellitenbildern ist erkennbar, dass für die Soldaten Gräben zum Training ausgehoben wurden.

Darüber hinaus veröffentlichte die Ukraine ein Video, das nordkoreanische Soldaten in russischen Uniformen zeigt, die sich in einem Lager in Russland mit Ausrüstung wie Rucksäcken und Feldbetten eindecken. Außerdem berichtete die "Kyiv Post", dass bei einem ukrainischen Raketenangriff im Oktober auch sechs nordkoreanische Offiziere starben.

Sind die Kim-Truppen also schon in der Ukraine?

Ausschließen lässt sich das nicht. Immerhin unterstützte Nordkorea die russische Armee schon längere Zeit, vor allem mit Artilleriemunition. Dementsprechend ist es gut möglich, dass nordkoreanisches Militärpersonal in die Ukraine geht, um den Einsatz seiner Waffensysteme zu begleiten.

Hinzu kommt, dass Putin und Kim beim Besuch des russischen Präsidenten in Pjöngjang im Juni einen Pakt schlossen, der eine Beistandspflicht beinhaltet. Das bedeutet: Wenn russisches Staatsgebiet angegriffen wird, wie in der Region Kursk durch die Ukraine geschehen, könnte Putin seinen neuen strategischen Partner bitten, Waffenhilfe zu leisten.

Alarmbereitschaft im Westen

Die koreanische Armee ist zwar mit veralteter Technik ausgestattet und allgemein nicht wirklich modern aufgestellt. Aber Kim Jong Un hat im Prinzip das, was Putin sucht: neues Kanonenfutter für die Kämpfe in der Ukraine und viel konventionelle Munition aus alter sowjetischer Produktion.

Trotzdem ist der Einsatz nordkoreanischer Truppen nicht unproblematisch. Sprachbarrieren und eine unterschiedliche taktische Ausbildung von russischen und nordkoreanischen Soldaten machen es wahrscheinlich, dass Moskau Kims Truppen als Reserve einsetzt oder sie für Aufgaben in Russland verwendet, um mehr eigene Truppen in die Ukraine schicken zu können.

Kim Jong Un wiederum hat zwar viele Soldaten, die allerdings über kaum Kampferfahrung verfügen. Das könnte sich in der Ukraine ändern. Doch eigentlich versucht Nordkorea, seine Bevölkerung vom Rest der Welt zu isolieren, um die Stabilität des eigenen Regimes nicht zu gefährden. Im Ukraine-Krieg würden bei einem Fronteinsatz auch nordkoreanische Soldaten in Gefangenschaft geraten.

Dementsprechend ist es noch völlig unklar, wie Putin die Truppen aus Nordkorea einsetzt. Nur eines liegt auf der Hand: Die Ukraine und ihre Unterstützer sind in Alarmbereitschaft – und das ist nicht unbedingt gut für Putin.

Dilemma für Südkorea

In erster Linie versucht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Erkenntnisse über nordkoreanische Soldaten in der Ukraine zu veröffentlichen. Das hat auch einen strategischen Hintergrund: Denn Kiew hofft auf mehr Unterstützung aus dem Westen und vor allem aus Südkorea, sollte die Kim-Diktatur wirklich aktiv in den Krieg eingreifen.

Denn die nordkoreanischen Truppenverlegungen nach Russland bringen nun Südkorea in Zugzwang. Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol hat am Donnerstag die Entsendung dieser Truppen als "Provokation" bezeichnet und eine Reaktion angekündigt. "Südkorea wird nicht untätig bleiben", sagte Yoon nach Gesprächen mit dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda.

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Beide Länder seien sich einig, dass die Stationierung eine Provokation sei, "welche die globale Sicherheit über die koreanische Halbinsel und Europa hinaus bedroht".

Südkorea unterhält laut den Militäranalysten von "Global Firepower" die fünftstärkste Armee der Welt, hielt sich bislang aber aus dem Ukrainekrieg weitestgehend heraus. Das hatte vor allem zwei Gründe:

  • Energieversorgung: Putin hat ein Druckmittel gegen Seoul, weil Südkorea ein Drittel des angereicherten Urans für den Betrieb seiner 26 Atomkraftwerke aus Russland bekommt.
  • Sicherheit auf der koreanischen Halbinsel: Zudem erpresst der russische Präsident Südkorea damit, die Kim-Diktatur aufzurüsten, sollte die südkoreanische Regierung Waffen an die Ukraine liefern. Ende Juni erklärte Putin bei einem Besuch in Vietnam: "Ich habe gesagt, auch in Pjöngjang, dass wir uns dann das Recht vorbehalten, andere Regionen der Welt mit Waffen zu versorgen." Eine Drohung, die bislang Wirkung zeigte.

Trotz Bitten der Nato hielt Südkorea bislang die Füße still und deswegen bezeichnete man das Land in Moskau stets als den freundlichsten Vertreter unter der Liste der "unfreundlichen Staaten", die der Kreml nach seiner Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 erstellt hatte. Doch das wird sich nun wahrscheinlich ändern.

Denn in Seoul ist auch durch den russisch-nordkoreanischen Partnerschaftsvertrag die Erkenntnis gereift, dass Russland ohnehin perspektivisch die nordkoreanische Armee wahrscheinlich in Teilen modernisieren und ausrüsten wird.

Südkorea muss abwägen: Energiesicherheit gegen die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel. Doch was meint Präsident Yoon Suk Yeol, wenn er jetzt von Gegenmaßnahmen spricht?

Soldaten einer fremden Macht sind neue Eskalationsstufe

Es gilt als unwahrscheinlich, dass südkoreanische Truppen nun direkt auf Seite der Ukraine kämpfen. Ein koreanischer Stellvertreterkrieg in der Ukraine könnte auch die Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel eskalieren lassen.

Wahrscheinlicher ist, dass Seoul jetzt Waffen, schweres Gerät und Munition an die Ukraine liefern könnte. Darüber hinaus wird das südkoreanische Militär Kiew nachrichtendienstlich unterstützen. Südkorea wird eigenes Wissen teilen und gegebenenfalls nordkoreanische Kriegsgefangene in der Ukraine verhören – auch um eigene Erkenntnisse zu gewinnen.

Die USA sehen darüber hinaus das Potenzial einer ernsthaften Eskalation. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte: "Das wird nicht nur Auswirkungen auf Europa haben, sondern auch auf die Dinge im Indo-Pazifik." Auch die Nato möchte in Kürze über eine Reaktion beraten – und die könnte es in sich haben.

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In Washington wird dies sicherlich erneut die Debatte um die Freigabe für den Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele in Russland befeuern. Es gibt allerdings auch Stimmen, die eine direkte Bekämpfung der nordkoreanischen Truppen durch das US-Militär in der Ukraine fordern. Mike Turner, republikanischer Vorsitzender des Ausschusses für Geheimdienste im US-Repräsentantenhaus, schrieb auf X: "Sollten nordkoreanische Truppen in das Hoheitsgebiet der Ukraine eindringen, müssen die Vereinigten Staaten ernsthaft erwägen, direkte militärische Maßnahmen gegen die nordkoreanischen Truppen zu ergreifen."

Putin spielt in jedem Fall mit dem Feuer, sollten Mächte wie Nordkorea mit ihren Truppen in den Ukraine-Krieg ziehen. Auch Länder wie Polen könnten dann eine aktivere Rolle in dem Krieg spielen. Denn in Warschau gibt es ebenfalls Akteure, die Nato-Friedenstruppen in der Ukraine oder eine Flugverbotszone gegen russische Luftangriffe propagieren.

Söldner kämpfen schon lange auf beiden Seiten in der Ukraine. Sollten aber Soldaten einer fremden Macht auf den Gefechtsfeldern auftauchen, wäre das eine Eskalation, deren Ausmaß noch nicht bemessen werden kann.

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