Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Der Kriegsverbrecher
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich wünschte, ich könnte Ihnen heute einen guten Morgen wünschen, aber der Morgen ist nicht gut. Jahrzehntelang hat in Europa Frieden geherrscht, seit heute Nacht ist das vorbei: Das russische Militär hat die Ukraine angegriffen, Präsident Wladimir Putin hat einen "Auslandseinsatz" seiner Soldaten angeordnet: "Ich habe beschlossen, eine Sonder-Militäroperation durchzuführen", verkündete er am frühen Morgen in einer Fernsehansprache. Er entspreche damit einer "schriftlichen Bitte der Chefs der Volksrepubliken Luhansk und Donezk um Beistand, um Angriffe der ukrainischen Armee abzuwehren", schwadronierte er, aber das ist nach der wochenlang vom Kreml geschürten Eskalation natürlich eine Farce. Im Konflikt zwischen Moskau und Kiew treffen in diesen Stunden erstmals russische und ukrainische Soldaten direkt aufeinander.
Aus mehreren ukrainischen Städten werden Explosionen gemeldet, darunter die zweitgrößte Stadt Charkow, die Hafenstädte Mariupol und Odessa, aber auch die Hauptstadt Kiew. "Putin hat gerade eine umfassende Invasion der Ukraine gestartet", twittert der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Der Ölpreis schnellt hoch, steht erstmals seit sieben Jahren bei mehr als 100 Dollar für ein Barrel. Die Aktienkurse an den asiatischen Börsen stürzen ab, die europäischen und amerikanischen folgen. Unsere Redakteure und Reporter halten Sie auf t-online minutenaktuell auf dem Laufenden.
Der Kremlchef schürt das Feuer mit martialischen Worten: "Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind", behauptete Putin in seiner Rede. "Dafür werden wir die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine anstreben."
Es ist die Sprache der Lügen, der Gewalt und der Brutalität. Eine Sprache, wie wir sie aus den dunkelsten Tagen Europas kennen. In dieser Nacht auf den 24. Februar 2022 hat sich Wladimir Putin endgültig auf die Seite der Finsternis begeben. Er ist jetzt ein Kriegsverbrecher, und jeder zivilisierte Staats- und Regierungschef wird ihn ab sofort so behandeln müssen. Keine Wischiwaschi-Diplomatie mehr. Keine Wirtschaftsdeals mit einem Altkanzler-Lobbyisten mehr. Keinen Millimeter politischer Nachsicht mehr. Die Staaten der Europäischen Union müssen jetzt gemeinsam, hart und konsequent reagieren. Ein paar Sanktionen reichen nicht aus, sie müssen dieses russische Regime isolieren. Wenn die EU ihre Werte der Friedfertigkeit, der demokratischen Konfliktlösung und der Unverletzlichkeit von Grenzen nicht entschlossen verteidigt, kann sie an diesem Konflikt zerbrechen.
Leiden werden unter der Eskalation nicht nur die Menschen in der Ukraine. Leiden werden auch viele Russen. Und jeder Europäer, dem an Frieden und Stabilität unseres Kontinents gelegen ist. Es tut mir leid, dass ich Ihnen heute Morgen keine besseren Nachrichten melden kann. Der 24. Februar ist ein dunkler Tag.
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An so einem Tag muss man sich wenigstens kurz in eine andere Welt flüchten. Hören wir also diesen beiden liebenswerten Hessen zu.
Bleiben Sie trotz allem zuversichtlich. Ich wünsche uns allen Frieden. Morgen schreibt Steven Sowa den Tagesanbruch, von mir hören Sie am Samstag wieder.
Herzliche Grüße
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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