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Nicht nur die Zollattacke: Donald Trumps tödlicher Plan


Tagesanbruch
Trumps tödlicher Plan

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 09.04.2025Lesedauer: 6 Min.
Pakete mit US-Nahrungsmittelhilfe im Südsudan.Vergrößern des Bildes
Pakete mit US-Nahrungsmittelhilfe im Südsudan. (Quelle: F. Harms)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

vor einer Woche hat Donald Trump seine Zollattacke angekündigt, und noch immer rotieren die Börsen, sind Politiker, Firmenlenker und Anleger rund um die Welt in Aufregung. Selbst ein nüchterner Beobachter wie Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, wählt drastische Worte: "Bullshit" nennt er im "Spiegel" die Begründung der Zölle durch Trumps Leute. Tatsächlich habe die beklagte Deindustrialisierung der USA ganz andere Gründe als die angebliche Ungleichbehandlung durch andere Staaten: "Es gab und gibt (in den USA) ein Problem mit Produktivität und Qualität, und es mangelt an Industrie-Clustern, wie wir sie etwa in der Metall- und Elektroindustrie oder der Chemie haben." Zudem fehlten in den Vereinigten Staaten gut ausgebildete Arbeitskräfte. "Diese Ursachen müssen die Amerikaner endlich mal begreifen", fordert der deutsche Top-Ökonom.

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Tun sie aber nicht. Jedenfalls nicht die Ideologen, die nun im Weißen Haus, in den Ministerien und im Kongress den Ton angeben und die Welt vor sich hertreiben. Trump entziehe sich mittlerweile "jeder Berechenbarkeit", urteilt Hüther. "Mit so einem Verhaltensauffälligen kann man keinen glaubwürdigen Deal machen."

Trifft das zu, lässt es für die kommenden Monate Übles erahnen. Sollte sich die US-Regierung tatsächlich jedweden Kompromissen verweigern, die den globalen Handel am Laufen halten, droht eine Rezession historischen Ausmaßes. In vielen Ländern – auch hierzulande – träfe diese Mega-Krise eine Wirtschaft, die sich noch gar nicht von den Folgen der Corona-Pandemie und von Putins Krieg gegen die Ukraine erholt hat, während sie schon jetzt mit stagnierenden Exporten, gestiegenen Preisen und enormer Verschuldung kämpft. "Das Schuldenmachen ist völlig außer Kontrolle geraten – das betrifft Staaten, Unternehmen und Privatleute gleichermaßen", warnte der amerikanische Star-Ökonom Nouriel Roubini schon vor zweieinhalb Jahren im Interview mit unserer Redaktion. "Wir müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen, es kommen furchtbare Zeiten auf uns zu."

Nun könnte es so weit sein. Die toxische Kombination aus Populismus und Isolationismus, aus Kriegen und Klimaschäden, aus schrumpfender Wirtschaftsleistung und steigender Inflation könnte breiten Bevölkerungsschichten einen drastischen Wohlstandsverlust bescheren.

Könnte, muss aber nicht. Seit gestern drehen die Börsen wieder leicht ins Plus. Ist das nur das letzte laue Lüftchen vor dem Flächenbrand – oder naht doch die Rettung in letzter Minute, weil der Dickkopf in Washington nun Druck von der alarmierten amerikanischen Finanzindustrie bekommt? Immerhin legt sich sein Jünger Elon Musk mit Trumps oberstem Zollberater an und schmäht diesen öffentlich als "Idioten". Was man zudem nicht vergessen sollte: Im Vergleich zur Situation vor fünf oder gar zehn Jahren stehen die Börsenkurse trotz des jüngsten Einbruchs immer noch sehr hoch.

Das also ist die Lage, wenn die EU-Staaten heute darüber abstimmen, mit welchen Gegenzöllen sie Trumps Angriff beantworten: ernst, aber (noch) nicht verzweifelt. Sicher, zahllose Menschen in den Industrie- und Schwellenländern würden unter einer mutwillig angezettelten Weltwirtschaftskrise leiden, aber zumindest in Europa könnten sich die meisten auf soziale Netze, Staatshilfen oder ihre Ersparnisse verlassen, um die kommenden Jahre halbwegs glimpflich zu überstehen.

Andernorts ist das völlig anders. Dort hat Trump ebenfalls zugeschlagen, und seine Entscheidung tötet buchstäblich Menschen. Weil er die amerikanische Nothilfe in 14 Krisenländern einstellt, droht nach Einschätzung des Welternährungsprogramms (WFP) ein Massensterben. Anfang Februar hat die US-Regierung mit der Zerschlagung der Entwicklungsbehörde USAID begonnen; nun will sie die humanitären Hilfsdienste quasi vollständig abwickeln. "Sollte dies umgesetzt werden, könnte es für Millionen von Menschen, die extremem Hunger und Verhungern ausgesetzt sind, einem Todesurteil gleichkommen", warnen die Experten des WFP.

Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, teilt diese Einschätzung: "Durch die neuen Kürzungen von WFP-Programmen in Ländern, in denen akuter Hunger herrscht, sind Menschenleben bedroht", sagte er mir gestern. "Die Nahrungsmittelhilfen, die nun eingestellt werden müssen, sind wichtige Lebensadern in Krisengebieten. Die Welthungerhilfe verteilt als Partner des WFP in vielen Ländern diese Überlebenshilfe. Das Ende solcher Programme wird den Hunger weltweit noch mehr verschärfen."

Diese Warnungen sind keinen Deut übertrieben. In den ärmsten Regionen der Welt überleben tatsächlich Millionen Menschen nur dank amerikanischer Unterstützung. Im Südsudan konnte ich mir vor einigen Jahren ein Bild davon machen: In den Flüchtlingslagern des Bürgerkriegslandes bekommen Mütter gespendete Päckchen mit Erdnusspaste für ihre hungernden Kinder. Auf diesen Päckchen – Kosten knapp ein Euro das Stück – prangt das Logo der staatlichen amerikanischen Hilfsorganisation USAID. Wer einmal gesehen hat, wie ein halbverhungertes Kindchen dank dieser günstigen, aber wirkungsvollen Nahrung vor dem Tod bewahrt wird, kann nicht begreifen, dass jemand den Ärmsten der Armen diese Rettung verwehrt. Ich wünsche mir, Herr Trump würde einen Tag lang im Südsudan verweilen, um dort mit eigenen Augen zu sehen, was seine Entscheidungen bewirken.

Nein, Amerika muss nicht die ganze Welt retten. Aber es muss seiner globalen Verantwortung gerecht werden. Seinen Aufstieg zur Wirtschaftsweltmacht verdankt es zu einem nicht unerheblichen Teil der Ausbeutung armer Länder. Dort haben die USA enorme Schäden angerichtet: durch einseitige Rohstoff-Deals, unfaire Handelspraktiken, militärische Abenteuer wie im Irak und in Afghanistan. Wenn der Mann mit den orangenen Haaren sich darüber beklagt, die USA würden "benachteiligt", dann ist das nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte will er nicht sehen. Der Rest der Welt sollte sie ihm zeigen.


Schwarz-rot auf der Zielgeraden

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Es ist so weit: Die Zeichen verdichten sich, dass die schwarz-roten Chefverhandler nun wirklich auf der Zielgeraden sind und womöglich schon heute einen Koalitionsvertrag präsentieren. So sagte Kanzler in spe Friedrich Merz (CDU) eine für gestern Abend geplante Rede beim Frühlingsempfang der Jungen Union (JU) ab, weil die Verhandlungen länger dauerten. Dies allein ließe sich zwar auch als Reaktion auf die harsche Kritik des JU-Vorsitzenden Johannes Winkel deuten. Aber auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, und die saarländische SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger äußerten sich zuversichtlich zum Stand der Gespräche.

Tatsächlich haben Trumps Zollattacke und das Börsenbeben den Druck auf die Verhandler erhöht. Das Zustandekommen einer stabilen Regierung, die sich um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft kümmert, um Bürokratieabbau und bezahlbare Energiepreise, erscheint dringlicher denn je. Spannend wird nun, ob die Parteien mit dem Koalitionsvertrag auch gleich die geplante Ressortaufteilung und die Ministernamen mitliefern. Selbst bei einer Einigung auf ein Gesamtpaket hätte Schwarz-Rot allerdings noch zwei letzte Hürden zu nehmen: Bei der CDU muss ein kleiner Parteitag das Ergebnis gutheißen, die SPD will ein digitales Mitgliedervotum abhalten.


Dürre in Deutschland

Das sonnige Hochdruckwetter hat seinen Preis: Am Bodensee sitzen die Bootsverleiher auf dem Trockenen, die Schiffe auf dem Rhein können wegen niedriger Pegelstände nur noch zu einem Drittel beladen werden, Ackerböden sind ausgedörrt. In vielen Landesteilen herrscht bereits Anfang April Waldbrandgefahr. Kommende Woche soll es in Deutschland wieder mehr regnen – aber ob es wirklich mehr wird als der Tropfen auf den heißen Stein, ist noch unklar. Bleibt zu hoffen, dass die Koalitionsverhandler in Berlin auch den Klimawandel nicht aus den Augen verloren haben.


Ohrenschmaus

Was hilft, wenn's zu warm ist? Was Beschwingtes.


Das historische Bild

Heutzutage wanzen sich die USA an Diktator Putin heran. Im Jahr 2003 stürzten die USA einen anderen Diktator und dessen Regime. Was dann folgte, war allerdings kaum besser.


Lesetipps

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15 Jahre lang hat Jan Solwyn als Bundespolizist an der deutschen Außengrenze gearbeitet. Im Interview mit meinem Kollegen Julian Alexander Fischer zieht er ein düsteres Fazit der Migrationspolitik.


Die Hamas-Islamisten sehen in Israel einen Todfeind. Warum ihr Hass auf verdrehten Argumenten beruht, erklärt der Historiker Michael Wolffsohn im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Zum Schluss

Klingbeil und Merz haben eine Strategie.

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Tag. Morgen kommt der Tagesanbruch von unserem USA-Korrespondenten Bastian Brauns, von mir lesen Sie am Freitag wieder.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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