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Neben der Corona-Krise noch die Brände in Kalifornien: "Da ist es, das Inferno"


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Was heute wichtig ist
Es verschlägt einem die Sprache

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 09.09.2020Lesedauer: 7 Min.
Ausgebrannte Fläche in Kalifornien: Waldbrände wüten in dem US-Bundesstaat.Vergrößern des Bildes
Ausgebrannte Fläche in Kalifornien: Waldbrände wüten in dem US-Bundesstaat. (Quelle: Zuma Wire/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Wir brauchen nicht den Jahresrückblick abzuwarten, um festzustellen: 2020 ist ein Jahr wie keines zuvor. Klar, Corona, denken Sie jetzt. Doch schon zu Beginn des Jahres wurden wir Zeugen nie dagewesener Ereignisse. Erinnern Sie sich? Als gewaltige Feuer durch Australien fegten, riesige Wälder und alles Getier darin in Rauch aufgingen, Städte wie Sydney von Bränden belagert wurden? Nach den langen Monaten der Pandemie haben hierzulande viele das Drama "down under" schon fast vergessen.

Dabei müssen wir unser Gedächtnis noch nicht einmal durch den Blick in den Kalender auffrischen. Hilfestellung bekommen wir von der Natur: "Die infernalischen Feuer", teilt sie uns schmallippig mit, "sind doch nicht deswegen einfach vorbei, weil ihr keine Zeit habt. Schaut mal hier!" Jetzt brennt es lichterloh in Kalifornien. Und damit sich keiner zu der Behauptung versteigt, das sei doch jedes Jahr dasselbe und weiter keine große Sache, hat Mutter Erde ein paar Superlative beigesteuert. Es brennen: das zweitgrößte Feuer seit Beginn der Aufzeichnungen. Und das drittgrößte. Und das viertgrößte. Gleichzeitig. Immer, wenn wir meinen, die Wucht der Bilder könne uns nach all den Jahren der Extrembrände nicht mehr schockieren, ist wieder so ein Video dabei, das uns die Sprache verschlägt.

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Dabei ist die Situation denkbar simpel: Im Laufe der Jahre fallen die Brände immer heftiger aus. Als scheinbar weiser Homo Sapiens sind wir dazu fähig, aus einer Häufung von Ereignissen und ihrem Trend eine Vorhersage abzuleiten: In zwanzig Jahren werden wir auf die Feuersaison 2020 zurückblicken und der guten alten Zeit gedenken, als die Brände noch halbwegs beherrschbar waren. Voller Sehnsucht werden wir uns erinnern, wie das Inferno damals nur Brennpunkte vom Schlage Australiens und Kaliforniens traf – auch wenn das zunehmende Züngeln in den Wäldern Skandinaviens, auf Grönland und in der sibirischen Tundra uns schon 2020 eine Warnung hätte sein müssen. Danach, werden wir sagen, wurde es echt warm.

Aber nicht überall. Auch das lehrt uns der Blick nach Amerika. Während in Kalifornien gerade die Hitzerekorde fallen, fällt nebenan in Colorado ausschließlich das Thermometer. In den Rocky Mountains tobt ein Schneesturm, derweil vermeldete gestern die Großstadt Denver, den Gefrierpunkt erreicht zu haben. Noch einen Tag zuvor herrschten dort – halten Sie sich bitte fest – satte 33 Grad. Ein solcher Temperatursturz, so früh im Jahr: noch ein Rekord. Dass die Erde vor Energie aus den Nähten platzt, hat vielfältige Konsequenzen, erklären uns die Meteorologen. Wie einen Akku lädt die Sonne unseren Planeten auf. Die Luft erhebt sich von erhitzten Ozean-Oberflächen und rotiert kraftstrotzend in Wirbelstürmen in Richtung Land. Der Jetstream, ein wilder Höhenwind, der den Norden unseres Planeten umkreist, beult sich weit nach Süden aus. Wie eine Wand aus Wind hält er die kalte arktische Luft in seinem Innern fest und schockgefriert die Orte, die er verschluckt. Außerhalb hingegen ächzt das trockene Land unter der Hitzeblase und füttert die Feuer mit trockenem Zunder. Schauen Sie sich bitte dieses kurze Video an, dann verstehen Sie den Effekt.

Berstend vor Energie erwarten uns die Extreme: Das ist die Botschaft der Natur aus Kalifornien und Colorado. Wir haben den Planeten unter eine Treibhausverglasung aus Kohlendioxid und Methan gesteckt. Die Sonne wärmt uns auf im kalten All, und von all dieser Wärme lassen wir immer weniger wieder hinaus. Unser Planet weiß kaum noch, wohin mit seiner thermischen Kraft. Wir müssen ihm dringend helfen – und auch uns selbst. Wir wissen doch, wie es geht. Damit die nächsten Jahre nicht auch wieder werden wie keines je zuvor.


Auch andernorts haben in der Nacht verheerende Flammen gelodert: Das größte Flüchtlingslager in Griechenland ist wegen mehrerer Brände teilweise evakuiert worden. Die Bilder, die uns von der Insel Lesbos erreichen, lassen Schlimmes vermuten. Das Lager Moria ist seit Jahren völlig überfüllt. Es ist für rund 2.800 Menschen ausgelegt, doch leben dort knapp 13.000 Asylsuchende. Über die Ursachen der Brände gibt es bisher unterschiedliche Angaben.


WAS STEHT AN?

Wem es lange gut geht, der neigt dazu, den Maßstab zu verlieren. Krisen kommen und gehen, dem einen ergeht es schlechter als dem anderen, aber aufs Ganze gesehen genießen wir hierzulande seit Jahrzehnten ein Leben auf hohem Niveau. Daran kann man sich gewöhnen, und das ist niemandem vorzuwerfen. Aber wem es ständig gut ergeht, der bekommt schon einen Koller, wenn irgendetwas mal nicht perfekt ist. So kommt es, dass manche Leute die Scheuklappen aufsetzen und ihre Unzufriedenheit mit der Lage, dem Land oder sich selbst von morgens bis abends in die Welt hinausblöken.

Lauscht man in diesen Tagen gewissen Demonstranten auf den Straßen, klickt man auf Facebook und Co. herum, schlägt man die Phrasenliteratur mancher Publizisten auf, kann man den Eindruck bekommen, unser Land stehe am Abgrund und sei kurz davor hineinzustürzen. Da werden die "Merkel-Diktatur" angeprangert, der "Untergang Deutschlands" prophezeit und allerhand "dunkle Mächte" beschworen, die angeblich nichts Besseres zu tun haben, als permanent an der Versklavung der Bürger zu arbeiten. Es wird geraunt, gemutmaßt und geächzt. Man könnte über diesen Stuss lachen, zöge er nicht so gefährliche Folgen nach sich. Denn der Stuss bleibt ja nicht auf der Straße, in den Internet-Nischen oder zwischen den Buchdeckeln. Er zieht Kreise und schwappt uns plötzlich aus dem Mund von Freunden entgegen, wird in Talkshows wiedergekäut und von manchen Politikern breitgetreten. Wiederholt man Unsinn oft genug, dann findet er irgendwann Gehör. Der Lügner im Weißen Haus beweist jeden Tag, dass dieses Prinzip funktioniert.

Herr Trump ist da keine Ausnahme, auch hierzulande gibt es viele kleine Trumps. Sie haben weniger Macht, aber sie arbeiten mit denselben Methoden. Sich mit diesen Westentaschen-Verschwörern auseinanderzusetzen, gleicht einem Kampf gegen Windmühlen: Kaum hat man einen Flügel getroffen, kommt schon der nächste herangewirbelt. Jede Frage wird mit einer Gegenfrage beantwortet, jedes Argument als Behauptung attackiert, und wo das nicht reicht, da setzen sie halt eine Lüge in die Welt. Es ist ermüdend, mit solchen Leuten zu diskutieren, und es führt oft nicht zu einem Ziel.

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Das kann man hinnehmen, jeder darf ja nach seiner Fasson unglücklich werden. Das kann man aber auch anprangern. Die Geschichtsvergessenheit mancher Schreihälse ist eine Gefahr für alle vernünftigen und an einem gedeihlichen Zusammenleben interessierten Bürger. Wenn Milieus sich zu radikalisieren beginnen – ob auf den Stufen des Reichstags, in Leipzig-Connewitz oder im Internet, dann bekommen wir alle ein Problem.

Wenn ich sehe, dass Zehntausende Menschen Extremisten wie Attila Hildmann und Martin Sellner in deren Telegram-Kanälen folgen, dass Hetze und Lügen bejubelt und Politiker bespuckt werden, dann wird mir mulmig. Dann denke ich mir: Schaut der Verfassungsschutz da nicht genauer hin? Und dann wünsche ich mir, diese Leute würden einfach mal ein paar Minuten ihrer Zeit opfern, um sich anzusehen, was eine echte Diktatur anrichtet. Dafür reicht es ja schon, sich entweder diesen kurzen Farbfilm anzusehen: Berlin im Sommer vor 75 Jahren, zwei Monate nach dem Ende des verheerendsten Krieges seit Menschengedenken, ausgelöst durch Hass, Größenwahn und Verblendung. Oder sich die Ausstellung anzusehen, die heute Abend in der Neuen Synagoge in Berlin-Mitte eröffnet wird: 120 Fotos des Kriegsreporters Robert Capa zeigen die deutsche Hauptstadt nach der Kapitulation. Mag sein, dass manche Hornochsen die Lehren der Geschichte nicht verstehen können oder wollen. Aber die vielen Mitläufer, die könnten doch wenigstens mal für einen Augenblick ihren Grips anschmeißen.


Heute vor 20 Jahren begannen die Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" ihre Mordserie, in Nürnberg erschossen sie den Blumenhändler Enver Şimşek. Es folgten neun weitere Morde an Migranten und an einer Polizistin sowie zwei Bombenanschläge. Zwar ist der NSU-Prozess längst zu Ende – doch bis heute sind entscheidende Fragen ungeklärt. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger, der die Verbrechen jahrelang aufarbeitete, hat uns die Widersprüche vor einiger Zeit erklärt.


Olaf Scholz dürfte heute ins Schwitzen kommen. Im Bundestag muss sich der Vizekanzler gleich mehrfach unangenehmen Fragen stellen: morgens im Finanzausschuss, mittags bei der Regierungsbefragung im Plenum und am Nachmittag möglicherweise auch noch in einer Aktuellen Stunde. Die Cum-Ex-Affäre um die Hamburger Warburg-Bank holt den SPD-Mann ein. Es geht um viel verlorenes Steuergeld, eine mögliche Lüge und Scholz‘ Verantwortung. Unser Reporter Johannes Bebermeier erklärt Ihnen, warum der Fall so brisant ist.


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Oppositionelle im Machtbereich des Kremls leben gefährlich. In Russland werden sie zusammengeschlagen oder vergiftet, in Belarus werden sie entführt. Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko klammert sich an die Macht und schlägt um sich, ähnlich wie einst Gaddafi in Libyen. Der fuchtelte damals mit der Kalaschnikow herum, schrie sein Volk nieder und beschimpfte es als "Ratten" – exakt dasselbe tut nun fast zehn Jahre später der Diktator in Minsk. Und auch er geht immer brutaler gegen friedliche Bürger vor: Demonstranten lässt er zusammenknüppeln und ihre Anführer verschleppen. So wie die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa, die offenbar in die Ukraine abgeschoben werden sollte, sich aber angeblich dagegen weigerte, indem sie ihren Pass zerriss. Es ist nicht leicht, im weißrussischen Machtkampf den Überblick zu bewahren. Aber wenn man das Interview meiner Kollegen von watson.de mit der Osteuropa-Expertin Sarah Pagung gelesen hat, lichtet sich der Nebel.


Warum erkranken einige Menschen so schwer an Covid-19? Ein Supercomputer aus den USA hat das Virus analysiert – nun gibt es eine neue Theorie. Meine Kollegin Melanie Weiner erklärt sie Ihnen.


Computer können rechnen, lenken und schreiben. Das wussten Sie schon. Aber wie gut Algorithmen schon formulieren können, wussten Sie womöglich noch nicht. Lesen Sie doch mal dieses Essay, das ein gewisser GPT-3 verfasst hat.


Wenn Computer schon ausgefeilte Texte schreiben, werden Journalisten dann unwichtig? Im Gegenteil, gute Journalisten sind wichtiger denn je. Präzise und differenziert berichten, Hintergründe recherchieren, gewissenhaft mit Quellen umgehen: Das ist heute leider nicht mehr selbstverständlich. Unsere Redaktion hat sich diesen Prinzipien verschrieben, so entwickelt sich t-online zur führenden Medienmarke. Meine Kollegen aus unserer Produktabteilung haben nun einen kurzen TV-Spot initiiert, der erklärt, wofür wir stehen.


WAS AMÜSIERT MICH?

Die deutschen Autohersteller wollen grüner werden und haben super Ideen, wie sie das anstellen können.

Ich wünsche Ihnen einen super Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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