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Sahra Wagenknecht: Darum gründet die Ex-Linke-Politikerin eine neue Partei


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"Bündnis Sahra Wagenknecht"
Darum gründet die Linken-Ikone eine neue Partei


Aktualisiert am 23.10.2023Lesedauer: 6 Min.
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Sahra Wagenknecht (Archivbild): Die Noch-Linken-Politikerin stellt am Montag den Verein BSW vor. (Quelle: Sascha Fromm/imago-images-bilder)

Am Montag hat Sahra Wagenknecht ihren BSW-Verein vorgestellt. Wofür dieser steht, warum es zur Gründung einer Partei kommt und was das für die Linke bedeutet. Ein Überblick.

Der heutige Montag könnte das Ende der Linksfraktion im Bundestag und vielleicht der ganzen Partei einläuten. Sahra Wagenknecht, die wohl einflussreichste Politikerin der Partei in den vergangenen Jahren, hat ihr neues politisches Projekt präsentiert: das "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). Zunächst organisiert sich das BSW nur als Verein, kommt es jedoch wie angekündigt zur Parteigründung, sind andere Linken-Politiker wechselwillig – und setzen damit den Fortbestand der Bundestagsfraktion aufs Spiel.

Doch wieso will die Linken-Ikone eigentlich eine neue Partei gründen? Warum gefährdet sie damit ihre aktuelle Fraktion im Bundestag? Und was bedeutet das alles für die Linke und die Bundespolitik? t-online gibt einen Überblick.

Warum bricht Sahra Wagenknecht mit der Linken?

Bereits seit mehreren Jahren hat sich Sahra Wagenknecht von ihrer Partei entfremdet. Bei dem Streit geht es um grundsätzliche politische Positionen. Dabei geht es um konträre Haltungen in der Flüchtlingspolitik, mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und nicht zuletzt auch um umstrittene Aussagen zur Corona-Impfung. Zudem rechnete Wagenknecht mit ihrem Bestseller-Buch "Die Selbstgerechten" mit der Gender- und Klimapolitik der Linken ab.

Dass sie deshalb eine Parteineugründung will, ist länger bekannt. Bereits im vergangenen März sagte sie auf Nachfrage in der "Rheinpfalz": "Darüber wird an vielen Stellen diskutiert." Am 26. September haben sieben Personen aus Wagenknechts Unterstützerkreis den Verein "BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit" gegründet. Aus diesem Verein wird eine neue Partei entstehen, das hat Wagenknecht an diesem Montag in der Berliner Bundespressekonferenz verkündet.

Warum gründet Sahra Wagenknecht erst einen Verein und nicht direkt eine Partei?

Viele in der Linken erwarten die eigentliche Parteigründung erst Anfang 2024, weil dies für die staatlichen finanziellen Zuschüsse günstiger sei. Vorher soll das "Bündnis Sahra Wagenknecht" Vorarbeit leisten und Spenden sammeln. Der Verein "BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit" wurde bereits von Vertrauten Wagenknechts registriert. Die Satzung stellt klar, der Verein strebe "nicht an, an staatlichen Wahlen mit eigenen Bewerbern teilzunehmen". Er könne aber "die Tätigkeit bestehender politischer Parteien oder die Gründung politischer Parteien unterstützen".

Hier diskutieren der stellvertretende Chefredakteur von t-online, Peter Schink, und die politische Reporterin Annika Leister über die Herausforderungen für das Wagenknecht-Bündnis im t-online-Podcast "Diskussionsstoff":

Was hat Wagenknecht vor?

Der Zeitschrift "Emma" sagte sie: "Ich würde auch gerne eines Tages sagen können: Ich habe politisch dieses und jenes real bewirkt. Bisher war ich ja immer in der Opposition. Real Macht zu haben und etwas umsetzen zu können, das ist natürlich etwas ganz anderes." Unklar ist, welche Partner sie bei anderen Parteien fände, deren Politik sie pauschal ablehnt.

Anders als die Linke fordert Wagenknecht, die Zahl von Geflüchteten zu begrenzen und billige fossile Energie wie Erdgas aus Russland zu importieren. Die Russland-Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs lehnt sie ab, ebenso wie Waffenlieferungen an die Ukraine. Während die Linke den Kampf gegen den Klimawandel beschleunigen will, kritisiert Wagenknecht, Wärmepumpe und E-Auto seien nur etwas für Besserverdienende.

Am Montag sagte Wagenknecht in der Bundespressekonferenz in Berlin, dass es "eine Rückkehr der Vernunft in die Politik" brauche. Das machte sie besonders an der Wirtschaftspolitik fest, fordert jedoch auch mehr soziale Gerechtigkeit. Zudem forderte die Ex-Linken-Politikerin in globalen Krisen eine Entspannungspolitik anstatt militärischer Lösungen. Nicht zuletzt kritisierte sie, dass der Meinungskorridor in Deutschland nicht mehr "breit" genug sei. Mehr zur Vorstellung des BSW lesen Sie hier.

Der Linken-Politiker Gregor Gysi beschreibt ihre Positionen so: "Sie will mischen: Sozialpolitik wie die Linke, Wirtschaftspolitik wie Ludwig Erhard und Flüchtlingspolitik wie die AfD." Sie selbst sagt: "Viele fühlen sich von keiner Partei mehr vertreten und wählen aus Verzweiflung AfD. Ich fände es gut, wenn diese Menschen wieder eine seriöse Adresse hätten." Ein konkretes Programm hat sie noch nicht vorgelegt.

Wo könnte eine Wagenknecht-Partei politisch stehen?

Experten erwarten, dass sich Wagenknechts neue Partei im "links-konservativen" Spektrum wiederfinden wird. So könnte die Politikerin mit Blick auf wirtschaftspolitische Themen einen eher linken Kurs fahren, der etwa einen Ausbau beziehungsweise Erhalt des Sozialstaats vorsieht. Zudem befürwortete Wagenknecht bereits mehrfach öffentlich mehr staatliche Kontrolle auf den Märkten und machte unter anderem die "Marktmacht" großer Konzerne für die derzeit hohe Inflation verantwortlich. Nicht zuletzt spricht sich die Politikerin für eine größere Besteuerung Reicher aus.

Andererseits könnte sie gerade bei gesellschaftlichen Themen wie Integration, Migration, Genderpolitik, aber auch in klimapolitischen Fragen einen eher konservativen Weg verfolgen.

Der Parteichef der Linken, Martin Schirdewan, prophezeit einer Wagenknecht-Partei, dass sie sich "deutlich rechts" werde aufstellen müssen, um politischen Erfolg zu haben. "Alle Zeichen deuten darauf hin, dass sie genau das zu tun beabsichtigt", sagte Schirdewan der "Augsburger Allgemeinen". Er erwarte keine Konkurrenz für seine eigene Partei. Auch Linken-Grande Gregor Gysi zweifelt am Erfolg einer Wagenknecht-Partei, besonders weil alles auf eine Person gelenkt sei, "das ist äußerst schwierig", sagte Gysi Ende September bei "Markus Lanz".

Welches Potenzial hätte eine Partei von Sahra Wagenknecht?

Die neue Partei Sahra Wagenknechts hätte einer Erhebung zufolge ein großes Wählerpotenzial. 27 Prozent der Wahlberechtigten könnten sich vorstellen, die Wagenknecht-Partei zu wählen, wie aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für "Bild am Sonntag" hervorgeht. 55 Prozent würden sie nicht wählen, 18 Prozent machten keine Angabe.

Besonders groß ist das Potenzial für Wagenknecht im Osten und bei AfD-Anhängern: So denken 40 Prozent der AfD-Wähler und 32 Prozent der befragten Ostdeutschen darüber nach, der neuen Partei ihre Stimme zu geben. Am kommenden Montag will Wagenknecht ihre Partei "BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit" in der Bundespressekonferenz vorstellen.

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Wer unterstützt Wagenknecht?

Bei der BSW-Vorstellung am Montag saßen neben Wagenknecht zwei einflussreiche Politiker der Linken mit auf dem Podium: Amira Mohamed Ali, ehemalige Co-Chefin der Bundestagsfraktion, und Martin Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken. Daneben wirbt auch der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär und heutige Linken-Politiker Klaus Ernst für eine Wagenknecht-Partei.

Mohamed Ali erklärte, dass neben ihr selbst und Sahra Wagenknecht sieben weitere Mitglieder ihren Austritt aus der Linkspartei erklärt hätten. Bis zur Gründung der neuen Partei wollen die Politiker noch in der Linksfraktion verbleiben. Mehr dazu lesen Sie hier.

Den Verein BSW gründeten zunächst sieben Vertraute Wagenknechts, darunter Jochen Flackus, der langjährige persönliche Referent ihres Ehemannes Oskar Lafontaine. Nicht zuletzt bekommt Wagenknecht die Unterstützung des IT-Millionärs und Befürworters der Vermögenssteuer, Ralph Suikat. Mohamed Ali fungiert als Vorsitzende des BSW. Mehr zu den frühen Unterstützern und den möglichen Problemen einer Wagenknecht-Partei lesen Sie hier.

Was würde die Parteigründung für die Linke bedeuten?

Die Meinungen dazu sind gespalten. Führende Linken-Politiker geben sich betont entspannt, warnen Parteimitglieder jedoch davor, ins Wagenknecht-Lager zu wechseln. Aus einer Beschlussvorlage des Parteivorstands, die der "Tagesschau" vorliegt, geht hervor, dass gegen Beteiligte am BSW-Verein ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet werden soll. Zudem sollen alle Abgeordneten, die sich am BSW beteiligten, "ihre durch die Linke errungenen Mandate" niederlegen. Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete das im rbb24 Inforadio als "ein Gebot des Anstandes". Neun Linken-Mitglieder haben sich Wagenknecht bereits angeschlossen, wie Mohamed Ali am Montag verkündete.

Die Forderung der Parteiführung könnte der rettende Strohhalm für die Linksfraktion im Bundestag sein. Denn legt ein Abgeordneter sein Mandat nieder, kann die Partei dieses nachbesetzen. Tritt ein Abgeordneter jedoch aus der Fraktion aus und behält sein Mandat, verliert die Fraktion diesen Sitz unwiederbringlich. Bundestagsmitglieder einer Fraktion dürfen nicht zwei verschiedenen Parteien angehören.

Um den Fraktionsstatus zu erhalten, müssen die Abgeordneten mindestens fünf Prozent der Sitze im Bundestag repräsentieren. Mit 38 von insgesamt 736 Abgeordneten hat die Linksfraktion dieses Ziel knapp erreicht. Verlassen nur zwei Mitglieder die Fraktion, so verliert sie ihren Status und damit wichtige Rechte im Parlament. Mindestens ein Verlust, das Mandat von Wagenknecht selbst, gilt als sicher. Weitere Unterstützer wie Sevim Sagdelen, Żaklin Nastić und Andrej Hunko gelten zudem als wahrscheinliche Wechselkandidaten.

Die verbliebenen Mitglieder der Linken im Bundestag könnten sich dann als Gruppe neu organisieren. Damit würden sie jedoch auch wichtige Finanzmittel verlieren, mit denen sie etwa ihre Mitarbeitenden finanzieren. Einem Bericht zufolge sollen schon mehr als 100 Mitarbeitende für das BSW abgeworben worden sein. Mehr dazu lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
  • spiegel.de: "Sahra Wagenknecht gründet eigene Partei"
  • rnd.de: "Linken-Vorstand fasst Beschluss: "Zukunft ohne Sahra Wagenknecht""
  • tagesschau.de: "Der Riss wird größer"
  • deutschlandfunk.de: "Auf der Zielgeraden zur One-Woman-Show"
  • spiegel.de: "Wer folgt Sahra Wagenknechts Ruf?" (kostenpflichtig)
  • tagesschau.de: "Linke droht Wagenknecht-Anhängern mit Ausschluss"
  • handelsblatt.com: "So viel Potenzial steckt in der Wagenknecht-Partei"
  • zdf.de: "Gysi: "Was ich an Sahra wirklich kritisiere""
  • tagesschau.de: "Was Wagenknecht unterschlägt"
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