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Sahra Wagenknecht will Partei gründen: Ihre Mitstreiter, Gegner und Probleme


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Neue Partei
Dieser Millionär mischt bei Wagenknecht mit


19.10.2023Lesedauer: 7 Min.
Sahra WagenknechtVergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht: Die 54-Jährige startet ein neues Projekt. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa)

Sahra Wagenknecht will eine neue Partei gründen. Deren Potenzial ist groß – aber die Probleme, die sie erwarten, sind es auch.

Sie flirtete, sie spielte, sie drohte. Jetzt aber macht Sahra Wagenknecht ernst. Am Montag will sie in einer Pressekonferenz ihren neuen Verein "BSW – Für Zukunft und Gerechtigkeit e.V." und die konkreten Pläne für die Gründung einer Partei vorstellen.

In Zeiten von Politikfrust und einer hohen Zahl an Protestwählern wird einer Wagenknecht-Partei großes Potenzial bescheinigt. Und im nächsten Jahr steht mit Europa- sowie Landtags- und Kommunalwahlen in drei ostdeutschen Bundesländern ein Superwahljahr an. Für die gebürtige Thüringerin das perfekte Sprungbrett. Wagenknecht könnte so ein Beben in Deutschlands Parteienlandschaft auslösen.

Noch aber ist vieles nicht spruchreif. Was also ist bisher bekannt? Wie wird ihre Partei sich positionieren, mit wem wird Wagenknecht zusammenarbeiten? Und wie könnte sie das Parteien-Tableau verschieben?

Wagenknechts Mitstreiter

Der Verein, aus dem die Partei entstehen soll, ist bereits gegründet. "BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit" wurde am 26. September ins Vereinsregister des Amtsgerichts Mannheim eingetragen, wie der "Stern" berichtete. "BSW" soll dabei für "Bündnis Sahra Wagenknecht" stehen.

Sieben Gründungsmitglieder hat der Verein, sie alle stammen ursprünglich aus dem Umfeld der Linken. Darunter: der Theologe und Sozialpädagoge Jonas-Christopher Höpken sowie Jochen Flackus. Er führte vor seinem Parteiaustritt den Landesverband der Linken im Saarland an und war lange persönlicher Referent sowie Sprecher von Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine, als dieser im Saarland regierte.

Doch auch sehr viel prominentere Unterstützung aus den Reihen der Linken ist Wagenknecht sicher. Mehrere Mitglieder der Bundestagsfraktion gelten als Wagenknecht-treu, einige stützen ihren Kurs seit Monaten offen und bewerben ihr neues Projekt.

So kündigte Amira Mohamed Ali, die bis dahin Co-Chefin der Fraktion war, im August unter Applaus von Wagenknecht ihren Rücktritt an und begründete das unter anderem mit der Distanzierung der Linken von Wagenknecht. Bei der Vorstellung des Vereins am Montag wird Mohamed Ali zusammen mit Christian Leye, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Linken, neben Wagenknecht auf dem Podium sitzen.

Klaus Ernst, der einst stellvertretender Vorsitzender der Linken-Fraktion war, wirbt immer wieder öffentlich für eine neue Wagenknecht-Partei. "Eine Wagenknecht-Partei ist ein Projekt der Zukunft, weil die Leute danach schreien", sagte er vergangene Woche dem Magazin "Cicero". Auch Bundestagsabgeordnete wie Sevim Dagdelen, Żaklin Nastić und Andrej Hunko gelten als wahrscheinliche Wechsler hin ins Wagenknecht-Lager.

Und außerhalb der Linken? Auch da hat Wagenknecht offenbar bereits bei einigen vorgefühlt. Neben Mohamed Ali und Leye wird am Montag der Karlsruher Millionär Ralph Suikat bei Wagenknechts Pressekonferenz dabei sein. Der IT-Unternehmer machte in der Vergangenheit Schlagzeilen, weil er die Vermögensverteilung in Deutschland kritisierte – und forderte, Reiche stärker in die Pflicht zu nehmen. Mit anderen Millionären startete er 2021 den Aufruf "taxmenow" und warb für eine Vermögenssteuer.

Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, die wegen ihrer russlandfreundlichen Haltung immer wieder in der Kritik steht, bestätigte der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) im August, dass es Kontakte zwischen ihr und Wagenknecht mit Blick auf die neue Partei gebe. "Wenn ich einen Beitrag leisten kann, bin ich bereit dazu", sagte Guérot.

Allerdings vertreten sie und Wagenknecht ausgerechnet in der Europapolitik konträre Ansätze, um die es 2024 verstärkt gehen wird. Guérot will die Kompetenzen der EU ausbauen, 2016 schrieb sie ein Buch mit dem Titel "Warum Europa eine Republik werden muss!" Wagenknecht hingegen will die Macht der EU beschneiden und in vielen Bereichen die Nationalstaaten stärken.

Ende September traf sich Wagenknecht außerdem mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der bei den Grünen lange ganz ähnlich wie Wagenknecht bei der Linken als Spaltpilz galt und die Partei im Mai verlassen hat. Die beiden posteten von dem Treffen ein Selfie, die Unruhe war danach groß. Die Aufmerksamkeitsmagneten Palmer und Wagenknecht, vereint in einer neuen Partei?

Palmer wies das von sich: "Ich trete jetzt bestimmt nicht gleich der nächsten Partei bei", sagte er dem "Tagesspiegel". "Ich sehe eine Lücke im Parteiensystem, allerdings an einer anderen Stelle als Sahra Wagenknecht."

Mit der Alt-Feministin Alice Schwarzer hingegen hat Wagenknecht im Februar bereits bei einer großen Demonstration gegen Waffenlieferungen an die Ukraine zusammengearbeitet, gemeinsam entwarfen die beiden ein "Manifest für den Frieden". Tausende folgten ihrem Demo-Aufruf, der auch der Startpunkt für die verschärften Spekulationen um eine Wagenknecht-Partei war.

Wagenknechts Themen

Wagenknechts Partei soll ein Auffangbecken für jene sein, die sich von den Volksparteien nicht mehr repräsentiert fühlen. Explizit will sie dabei auch Wähler von der rechtspopulistischen und in Teilen rechtsextremen AfD gewinnen.

"Sehr viele Menschen in unserem Land haben das Vertrauen in die Politik verloren und fühlen sich durch keine der vorhandenen Parteien mehr vertreten", so beginnt die Satzung des Vereins "BSW". Mit welchen Positionen Wagenknecht diese Menschen ansprechen will, ist eine der großen Fragen. Am Montag, so heißt es, werde sie auch eine Art ersten Programmentwurf vorstellen.

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Wagenknecht selbst bezeichnet es als "dringend notwendig", in der heutigen Situation "ein wählbares Angebot für wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit" anzubieten. Sie versteht sich selbst als "linkskonservativ", wettert immer wieder gegen die Grünen sowie Klimaaktivisten, gegen Waffenlieferungen, das Gendern und "Lifestyle-Linke". Der Asylpolitik steht sie kritisch gegenüber, pocht auf Begrenzungen – und trifft damit aktuell die Stimmung im Land gut. Seit Beginn von Putins Krieg gegen die Ukraine nimmt sie immer wieder dezidiert russlandfreundliche Positionen ein.

Wagenknechts Potenzial

Das Potenzial einer Wagenknecht-Partei ist jetzt, da noch nichts über ihr Personal und ihr Programm bekannt ist, groß. Mit ihren Positionen kommt Wagenknecht vor allem im Osten hervorragend an – und mit Thüringen, Sachsen und Brandenburg rufen 2024 gleich drei ostdeutsche Bundesländer ihre Bürger an die Urnen.

Bundesweit könnte sich jeder fünfte Wahlberechtigte grundsätzlich vorstellen, einer neuen Partei unter Wagenknecht seine Stimme zu geben. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov Ende September. 20 Prozent antworteten hier mit "eher Ja" oder "Ja, auf jeden Fall" auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, ihr Kreuz bei einer Wagenknecht-Partei zu setzen. Im Osten ist die Zustimmung noch deutlich höher, dort sind es sogar 29 Prozent.

Wagenknechts größte Konkurrenten

Besonders hoch ist der Zuspruch zu einer Wagenknecht-Partei in Umfragen unter Anhängern der Linkspartei sowie der AfD. Der Linken könnte Wagenknecht so in manchem Bundesland den Todesstoß versetzen – im Westen schnitt die Linke schon jetzt schlecht ab und schaffte es weder in Bayern noch in Hessen in den Landtag.

Zum Problem für die Linkspartei werden auch mögliche Abgänge aus der Bundestagsfraktion: Sie hat derzeit dort nur 38 Abgeordnete. Wechseln nur drei von ihnen zu Wagenknecht, verliert die Partei im Bundestag ihren Fraktionsstatus. Das gilt im Fall einer Parteineugründung als relativ sicher, gerechnet wird sogar mit bis zu neun Abgeordneten, die der Linken für Wagenknecht den Rücken kehren könnten.

Auch in den Bundestags-Büros droht der Linken mit Wagenknechts Abgang der Kahlschlag: 108 Mitarbeiter sollen laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" die Lager wechseln wollen.

Die Linke-Fraktion im Bundestag wäre damit passé. Sie könnte künftig dort als "Gruppe" weiterarbeiten, büßt damit allerdings Rechte im Parlament und Finanzmittel, etwa für die Bezahlung von Mitarbeitern, ein. In der Linken ist nicht nur deswegen die Kritik an Wagenknecht gewaltig. Sie habe die Partei, für die sie eigentlich in den Bundestag gewählt wurde, ausgenutzt und demontiert, heißt es da. Linken-Vorsitzende Janine Wissler sprach am Mittwochabend in den ARD-"Tagesthemen" von einem "Egotrip".

Auch in der AfD warten sie gespannt auf den Montag. Die Partei ist nämlich in den ostdeutschen Bundesländern, in denen bald gewählt wird, überall stärkste Kraft und wähnt sich schon auf Siegeskurs für 2024. Wagenknecht könnte ihr Wähler abluchsen und die bisherigen Traumergebnisse von mehr als 30 Prozent in Umfragen dezimieren.

AfD-Chefin Alice Weidel ist diese Gefahr seit Langem bewusst. Sie warnte im Gespräch mit t-online bereits im Oktober 2022: Selbstverständlich sei Wagenknecht eine Konkurrenz, mit der die AfD sich auseinandersetzen müsse. "Sie ist wahnsinnig populär und spricht besonders im Osten dieselben Wähler an wie wir: Jene, die die Folgen der Energiekrise besonders hart spüren, die genug haben vom linksgrünen Mainstream und dem Versagen der Regierung."

Wagenknechts Probleme

Das Potenzial der Wagenknecht-Partei ist auch deswegen so hervorragend, weil diese bisher vor allem Spekulation ist und weder Personal noch Programm bekannt sind. Je mehr sich Wagenknecht festlegt, desto mehr könnte sie sich entzaubern und desto mehr Wähler könnte sie verschrecken.

Das gilt vor allem auch mit Blick auf das Personal: Bisher ist Wagenknecht eine "One-Woman-Show" – so aber funktioniert in der Praxis keine Partei. Es braucht Verbände, Parteitage, eine breite Struktur an der Basis. Das bedeutet: sehr viel Arbeit im Hintergrund, ein ermüdendes Klein-Klein.

Das allerdings ist Wagenknechts Sache nicht. In Talkshows und Interviews setzt sie sich zwar perfekt in Szene, gilt aber als schlechte Chefin, kaum fähig zur Kooperation. "Wenn sie etwas nicht kann, ist es organisieren", sagte Linken-Urgestein Gregor Gysi, der Wagenknecht schon lange kennt, jüngst in der Talkshow "Lanz" und prognostizierte ihr spätestens bei der Bundestagswahl 2025 einen Misserfolg.

Beim Personal könnte Wagenknecht außerdem auf ähnliche Probleme stoßen wie andere Protestparteien vor ihr: Ihre Partei könnte extreme Charaktere anziehen, die nur schwer zu bändigen sind und in der Außenwirkung schaden.

Die AfD kennt dieses Problem, sie prüft Anträge auf Mitgliedschaft deswegen sehr viel genauer als andere Parteien. Das verzögert den Aufbau. Der aber muss Wagenknecht rasch gelingen, will sie bei den Wahlen im nächsten Jahr durchstarten.

Heftig fetzten sich in der Anfangszeit der AfD außerdem die unterschiedlichen Lager, die programmatische Ausrichtung war hart umkämpft. Erst jetzt, zehn Jahre nach der Parteigründung, bezeichnen Funktionäre die AfD als "erwachsen" oder zumindest in den "Teenagerjahren". Ob Wagenknecht für die programmierten Wachstumsschmerzen genug Geduld aufbringt, ist fraglich.

Fraglich ist für Kritiker auch, ob sie das hohe Arbeitspensum an der Spitze einer neuen Partei körperlich überhaupt meistert. 2019 zog sie sich als Fraktionschefin der Linken im Bundestag zurück und machte öffentlich, dass sie an Burn-out leide. Wie sie das schaffen wolle, fragen ehemalige Wegbegleiter nun – zumal doch die neue Partei ganz extrem nur von ihr lebe.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • spiegel.de: "Sahra Wagenknecht gründet eigene Partei"
  • stern.de: ""BSW" – ist das der Name der neuen Wagenknecht-Partei?"
  • tagesspiegel.de: "Palmer über Treffen mit Wagenknecht"
  • nzz.de: "Wagenknecht treibt Parteigründung voran – die Linke schweigt dazu"
  • zdf.de: "Gysi prophezeit Wagenknecht-Misserfolg"
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