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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verhandlungen in Riad "Moskau will die gesamte Ukraine kontrollieren"
![Donald Trump und Wladimir Putin: Der US-Präsident will mit seinem russischen Amtskollegen über Frieden in der Ukraine verhandeln. Donald Trump und Wladimir Putin: Der US-Präsident will mit seinem russischen Amtskollegen über Frieden in der Ukraine verhandeln.](https://images.t-online.de/2025/02/c0evVZ3Q-u9-/0x70:4000x2250/fit-in/1920x0/donald-trump-und-wladimir-putin-der-us-praesident-will-mit-seinem-russischen-amtskollegen-ueber-frieden-in-der-ukraine-verhandeln.jpg)
Ein mögliches Gipfeltreffen zwischen Trump und Putin steht im Fokus der Diplomatie: Die beiden wollen über die Zukunft der Ukraine entscheiden. Die Rolle Europas ist derweil ungewiss. Ein Experte schätzt die Folgen ein.
Nach Jahren der diplomatischen Eiszeit rücken die USA und Russland wieder näher zusammen. In Riad haben hochrangige Delegationen beider Länder über ein mögliches Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin beraten. Die Gespräche seien "erfolgreich" verlaufen, heißt es aus Moskau. Ein konkretes Datum für ein Putin-Trump-Treffen gibt es aber bislang nicht.
Wie realistisch ist denn eine Einigung zwischen Russland und den USA über Frieden in der Ukraine? Welche Rolle spielt Europa dabei? Und was bedeutet eine solche Einigung tatsächlich für die Ukraine? Experte Stefan Meister erklärt, warum Putin den Krieg benötigt, welche Zugeständnisse Trump machen könnte – und wieso Europa die Konsequenzen tragen wird.
Herr Meister, Außenministerin Annalena Baerbock sagte vorab, es gehe bei den Treffen in Riad in erster Linie um eine Kontaktaufnahme und nicht um Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine. Wie schätzen Sie das ein?
Stefan Meister: Das Treffen in Riad dient vor allem der Vorbereitung des größeren Gipfels – zwischen Putin und Trump. Es geht darum auszuloten, welche Positionen beide Seiten vertreten, was verhandelbar ist und wo die Grenzen liegen.
Eine Art Vorgespräch also?
Genau. Aber ob es dann wirklich zu einem Gipfel kommt, ist unklar.
Ergibt es aktuell überhaupt Sinn, dass sich beide Seiten treffen?
Trump will unbedingt einen Deal. Er will das Thema Ukraine so schnell wie möglich vom Tisch haben. Er ist bereit, Kompromisse zu machen, die weder sein Vorgänger noch die Europäer oder Ukrainer eingehen würden. Putin hingegen hat kein Interesse an einem echten Abkommen. Russland hat ein Problem, wenn der Krieg aufhört – und mit ihm die Kriegswirtschaft und die Legitimation Putins durch den Krieg. Wenn Putin also verhandelt, dann nur mit Maximalforderungen, die für die Gegenseite kaum akzeptabel sind.
Welche Forderungen sind das?
Es geht nicht nur um ein paar besetzte Gebiete. Moskau will die gesamte Ukraine kontrollieren – nicht unbedingt als direkt annektiertes Territorium, aber als Staat, der sich Russland unterordnet, keinen Nato-Beitritt anstrebt und militärisch entwaffnet wird. Dazu will Putin gesteuerte Wahlen in der Ukraine, um so ein prorussisches Regime zu installieren. Das ist der eigentliche Kern.
Russland steht wirtschaftlich unter Druck. Glauben Sie wirklich, dass Putin den Krieg noch lange fortsetzen kann?
Ja. Die Kriegswirtschaft läuft, und solange der Ölpreis hoch bleibt und Länder wie China oder Indien russisches Öl abnehmen, kann Russland noch Jahre weitermachen. Innenpolitisch ist der Krieg für Putin sogar nützlich. Er lenkt von wirtschaftlichen Schwierigkeiten ab und sorgt für eine Art Mobilisierungseffekt.
Also gibt es für Putin keinen Anreiz, den Krieg zu beenden?
Nur wenn er sicher sein kann, dass er als Sieger dasteht und sich mit maximalen Forderungen durchsetzt, das heißt, es wird keine unabhängige Ukraine mehr geben. Ein echter Kompromiss ist für ihn keine Option.
![Der Russlandexperte Stefan Meister Der Russlandexperte Stefan Meister](https://images.t-online.de/2023/06/EXRLYOFItxTb/194x49:3291x2194/fit-in/1920x0/der-russlandexperte-stefan-meister.jpg)
Zur Person
Stefan Meister (geboren 1975) ist ein deutscher Politikwissenschaftler. Er leitet das Zentrum für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Zuvor war er unter anderem am Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa tätig. Meister gilt als Experte für russische Außenpolitik und Geopolitik.
Wird Trump sich darauf einlassen?
Trump will, wie angedeutet, diesen Friedensdeal unbedingt – es ist eines seiner zentralen Wahlversprechen. Aber er ist nicht naiv, sondern ein Geschäftemacher. Wenn Putin zu viel fordert, wird Trump nicht einfach nachgeben. Ihm geht es darum, den Konflikt zu beenden und damit zu zeigen, dass er etwas erreicht hat, was Biden nicht gelungen ist. Trump will auch wirtschaftlich von dem Deal profitieren: Häfen in der Ukraine kontrollieren, Seltene Erden und Rohstoffe abbauen. Wenn das nicht möglich ist, wird er das nicht akzeptieren. Sonst würde Trump als schlechter Dealmaker dastehen.
Was bedeuten solche Verhandlungen ohne Europa für uns?
Europa wird am Ende mit den Konsequenzen leben müssen und dafür bezahlen. Wenn ein Waffenstillstand ausgehandelt wird, der die Ukraine im Grunde handlungsunfähig macht, dann müssen wir die Ukraine langfristig stützen – wirtschaftlich, aber auch militärisch. Wir werden militärisch einen Waffenstillstand absichern müssen. Gleichzeitig haben wir keinen Einfluss darauf, was überhaupt beschlossen wird.
Braucht es dann europäische Truppen, die den Frieden absichern?
Ja, das Problem ist nur: Wenn Europa tatsächlich eine abschreckende Friedenstruppe aufstellen wollte, bräuchten wir etwa 200.000 Soldaten. Die haben wir nicht. Selbst wenn Europa es wollte, wären maximal 50.000 Mann verfügbar – und ohne US-Unterstützung wären sie kaum handlungsfähig. Russland würde sofort testen, ob diese Truppen tatsächlich militärisch einsatzfähig sind. Ohne amerikanische Logistik und Geheimdienstinformationen ist eine rein europäische Truppe ohnehin nicht einsatzfähig.
Das heißt, Europa müsste eigentlich in die Verhandlungen eingebunden werden?
Ja. Ansonsten zahlen die Ukrainer und Europäer am Ende den Preis für das, was Trump und Putin aushandeln. Wir müssen deshalb jetzt überlegen, was wir beitragen können – ob wirtschaftlich oder militärisch –, nicht erst, wenn das Abkommen steht. Gerade, weil wir nicht mit am Tisch sitzen.
Was könnte Europa und Deutschland konkret anbieten?
Wir könnten den USA signalisieren, dass wir bereit sind, einen Waffenstillstand mit abzusichern bzw. dafür auch zahlen. Das heißt, wir müssten Geld in die Hand nehmen – entweder für eigene Truppen oder für die Unterstützung anderer Verbündeter, z.B. aus den USA. Wir würden letztlich die USA dafür bezahlen, dass sie den Frieden absichern. Dazu gehören auch langfristige wirtschaftliche Hilfen für die Ukraine sowie Rüstungslieferungen.
Aber wäre das politisch realistisch – insbesondere angesichts der Widerstände in der EU?
Das Hauptproblem sind nicht Länder wie Ungarn oder die Slowakei. Es sind unter anderem Deutschland, die Niederlande und Italien – Staaten, die bisher nur bedingt bereit sind, in ihre eigene Sicherheit zu investieren. Trump könnte uns dazu zwingen, hier umzudenken und noch mehr Geld in die Hand zu nehmen. Ansonsten bleibt Europa handlungsunfähig. Und dann hätte Putin das Signal, dass er weiter europäische Gebiete destabilisieren kann. Er wird keinen großen Krieg gegen die Nato riskieren, aber er wird testen, wie entschlossen der Westen wirklich ist.
Zum Beispiel in der Ostsee?
Richtig, solche hybriden Angriffe führt Russland bereits. Es geht um die Zukunft der Nato: Putin wird weiter versuchen, das Bündnis auf seine Handlungsfähigkeit zu testen. Und wenn die USA ihre Garantien nicht mehr geben, wird es spannend zu sehen, wie Deutschland und andere europäische Staaten reagieren.
Herr Meister, vielen Dank für das Gespräch.
- Telefoninterview mit Stefan Meister
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters