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China-Spionage | Nach AfD-Skandal: So ließ Deutschland Spione gewähren


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Chinesische Spionage in Deutschland
"Wenn sie erwischt werden, wird es geleugnet"


Aktualisiert am 26.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Xi Jinping und Olaf Scholz: Der Kanzler hatte jüngst seinen zweiten Besuch in China in seiner Amtszeit absolviert. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Die Aufregung ist in Deutschland nach mehreren mutmaßlichen chinesischen Spionagefällen groß. Dabei ist die Entwicklung alles anderes als neu.

Erst Mitte des Monats flog Bundeskanzler Olaf Scholz zum Staatsbesuch nach China und versprach, die deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen zu stärken. Nun fragt er sich vielleicht, ob es klug war, China so offen zu begegnen. Die Spionage-Vorwürfe gegen drei deutsche Staatsbürger, die Wissen zu militärisch nutzbaren Technologien nach China weitergegeben haben sollen, lasten schwer. Sie sollen sie laut Bundesverfassungsschutz nur die Spitze des Eisbergs sein. China sei für Deutschland, was Spionage anginge, bedrohlicher als Russland.

In den USA stimmte der Kongress dafür, das chinesische Unternehmen Bytedance zu zwingen, TikTok zu verkaufen – aus Gründen der nationalen Sicherheit. In Deutschland hingegen ist der Bundeskanzler gerade mit einem TikTok-Kanal an den Start gegangen. Die Bundeswehr bietet ihre abgesicherte interne Messenger-App auch im Huawei-Store an, in den USA steht Huawei auf einer schwarzen Liste. Die Frage stellt sich, wieso Deutschland Peking trotz mehrerer Fälle von kritischem Wissenstransfer immer noch traut.

Sturm versus Klimawandel

"Russland ist der Sturm – China ist der Klimawandel", beschrieb Tomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Deutschlands Verhältnis zu China bei einer Rede im Bundestag im Herbst 2022. Knapp zwei Jahre später hat Deutschland eine China-Strategie verabschiedet, die das Reich der Mitte als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen bezeichnet. "De-risking" ist das neue Schlagwort, das deutsche Unternehmen überzeugen soll, sich wirtschaftlich von China zu entflechten – nachdem Angela Merkel jahrzehntelang auf eine überwiegend chinafreundliche Politik setzte.

Dass die deutsche Wirtschaft dies noch nicht verinnerlicht hat, zeigen nackte Zahlen: Die Direktinvestitionen der deutschen Wirtschaft in China und Hongkong erreichten 2023 laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft mit 11,9 Milliarden Euro einen Höchststand. Von einer Diversifizierung sei nichts zu sehen, erklärte das Institut. Vor rund zwei Wochen reiste Bundeskanzler Scholz, wie schon im Jahr zuvor, mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach China. Volkswagen, BASF und andere Dax-Unternehmen wollen mehr denn je in China investieren. Und das, obwohl Politik und Verfassungsschutz immer wieder warnen, China könne unsere Sicherheit bedrohen.

Zur Weitergabe von Informationen verpflichtet

Die drei verhafteten mutmaßlichen deutschen Spione sind laut Haldenwang kein Einzelfall. Es handele sich um den "Teil eines umfassenden Geschäfts", bei dem häufig Scheinfirmen und Vermittler zum Einsatz kommen. "In Deutschland stehen die Ziele Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Militär im Fokus der chinesischen Dienste", sagte Haldenwang. Im Verfassungsschutzbrief 2022, der gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgestellt wurde, hieß es, China sei die "größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland".

Jeder Chinese, auch jene in Deutschland, ist seit 2017 laut dem nationalen Geheimdienstgesetz Chinas dazu verpflichtet, Informationen an China weiterzugeben. Schon öfter wurde in der Vergangenheit bekannt, wie China in Deutschland versucht, sensibles Wissen abzugreifen – durch Spionage oder andere Methoden. Wieso hat die Politik nicht daraus gelernt? Eine Auswahl an Beispielen:

Spionage im Europaparlament

Am Dienstag wurde ein Mitarbeiter des AfD-Europapolitikers Max Krah in Dresden wegen des Verdachts der Spionage für China festgenommen. Er soll Informationen aus dem Europäischen Parlament weitergegeben haben, teilte der Generalbundesanwalt am Dienstag mit. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete den Fall, wenn er sich bestätigten sollte, als "Angriff von innen auf die europäische Demokratie". Auch andere Länder Europas sind Ziel chinesischer Spionage: Am Montag wurden ein Mitarbeiter des britischen Parlaments und ein britischer Wissenschaftler in London wegen Spionage für China angeklagt.

Einkauf deutscher Hochtechnologie

2016 erwarb der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea rund 95 Prozent der Kuka-Aktien. Die Übernahme eines der technologisch fortschrittlichsten Hersteller von Industrierobotern durch ein chinesisches Unternehmen löste eine heftige Kontroverse aus, auch aufgrund von Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit und der Möglichkeit, dass China die Technologien für militärische Zwecke nutzen könnte.

Im Rahmen von "Made in China 2025" will die Volksrepublik im nächsten Jahrzehnt zu einem bedeutenden High-End-Hersteller aufsteigen. Dafür werden gezielt deutsche Firmen aufgekauft. So wurde im November das deutsche Robotik-Start-up Franka Emika für 33 Millionen Euro an das chinesisch-deutsche Unternehmen Agile Robots AG verkauft, berichtete "Business Insider".

Beteiligung bei kritischer Infrastruktur

Lange wurde die Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen debattiert. Doch dann gab die Bundesregierung grünes Licht für eine Beteiligung in Höhe von 24,9 Prozent. Das Außenministerium und das Wirtschaftsministerium kritisierten den Verkauf. Er erweitere den strategischen Einfluss Chinas auf die deutsche und europäische Transportinfrastruktur.

Der Hamburger Hafen ist eine der größten und wichtigsten Logistik-Drehscheiben Europas. Dass ein chinesisches Staatsunternehmen einen bedeutenden Anteil an einer solch kritischen Infrastruktur kontrolliert, birgt Sicherheitsrisiken.

Cyberangriffe für langfristigen Zugang

Cyberangriffe aus China nehmen laut einer Merics-Studie weltweit zu. Demnach haben Cyberattacken deutsche Unternehmen im Jahr 2021 schätzungsweise 223 Milliarden Euro oder 6 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts gekostet. Viele der Angriffe kamen aus China: Im Jahr 2021 gaben 30 Prozent deutscher Unternehmen an, aus China angegriffen worden zu sein, 2022 waren es 43 Prozent.

Oft folgten die Hacker den strategischen Zielen der chinesischen Regierung und sie werden immer professioneller: Es gehe nicht mehr um einfaches Phishing, sondern darum, langfristig Zugang zu kritischer Infrastruktur zu gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, bilde China im nationalen Cybersecurity Center im zentralchinesischen Wuhan auf einem 40-Quadratkilometer-Campus eine Cyberarmee aus.

Sicherheitsrisiko Telekommunikation

Im November 2022 verbat die US-Regierung den Verkauf und Import von Kommunikationsgeräten der chinesischen Smartphonehersteller und Netzwerkausrüster Huawei und ZTE. Sie stellten laut der Telekommunikationsaufsicht FCC ein inakzeptables Risiko für die nationale Sicherheit dar und könnten Spionage und Sabotage ermöglichen.

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In Deutschland sind diese Risiken bekannt. Trotzdem sind chinesische Komponenten beim 5G-Ausbau nicht generell verboten. Das Innenministerium will deren Gebrauch stark einschränken, doch das Digitalministerium stemmt sich bisher dagegen. Huawei ist in Deutschland präsent, nicht nur bei den Bürgern: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nutzt einer kleinen Anfrage der Unions-Bundestagsfraktion zufolge intern Huawei-Technik. Und die Bundeswehr bietet ihre Kommunikations-App "Bw Messenger" auch im Huawei-App-Store an.

Spionage in der Wissenschaft

Peking nutzt regelmäßig die akademische Freiheit an deutschen Unis, um kritisches Wissen abzufangen, warnen Experten. Die Uni Heidelberg arbeitet einer Recherche von "Correctiv" zufolge seit 20 Jahren mit einem chinesischen Forscher zusammen, der Verbindungen zur chinesischen Rüstungsindustrie haben soll.

Zusammen mit einem deutschen Forscher soll er demnach bis heute den wissenschaftlichen Austausch zwischen Heidelberg und China am Laufen halten. Ob chinesische Gastwissenschaftler in Deutschland oder die rund 40.000 chinesischen Studierenden an deutschen Universitäten: Sie alle sind gesetzlich zur Lieferung von Informationen an den chinesischen Staat verpflichtet.

Wie sollen wir mit China umgehen?

Bis 2049, so heißt es ganz offen von der Kommunistischen Partei, will China die politische, militärische und wirtschaftliche Macht Nummer eins auf dem Globus sein. Dieses Ziel verfolge China kontinuierlich, in erster Linie mit legalen, aber auch mit illegalen Mitteln, so Verfassungsschutzchef Haldenwang. Zum chinesischen Spionage-Vorgehen sagte er: "China macht es eher hintergründig, will nicht auffallen. Wenn sie erwischt werden, wird es geleugnet."

"China ist eine hochzentralisierte Macht, die alles tut, um China in eine hegemoniale globale Position zu bringen, und dabei bereit ist, unsere Interessen zu missachten", sagte Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation des EU-Parlaments, dem WDR am Dienstag. Dies sehe man auch daran, dass der Kanzler China gebeten habe, Einfluss auf Russland im Ukraine-Krieg zu nehmen. Doch China machte keinerlei Zugeständnisse. Es sei der Hauptunterstützer Russlands in einem Krieg, der unsere Sicherheitsinteressen gefährde.

Innenministerin Faeser kündigte an, nach den jüngsten Ereignissen hart durchgreifen zu wollen. "Unsere Sicherheitsbehörden, allen voran das Bundesamt für Verfassungsschutz, haben die Spionageabwehr massiv verstärkt", sagte sie. So schütze man sich gegen die hybriden Bedrohungen Russlands, aber auch vor Spionage aus China.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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