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Donald Trump und die Abschiebung: Fall sorgt für Verfassungskrise


Trumps nächster Tabubruch
Trumps Totengräber


15.04.2025 - 08:59 UhrLesedauer: 5 Min.
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Im Video: Deshalb verweigert Trump die Rückführung von Kilmar Abrego García. (Quelle: reuters)
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Ein unschuldig abgeschobener Mann sitzt in El Salvadors berüchtigtem Terroristen-Gefängnis, während die Trump-Regierung offen die Entscheidung des Obersten US-Gerichts ignoriert. Der Fall entwickelt sich zur Verfassungskrise.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Alles begann im Grunde damit, dass sogar die Trump-Regierung selbst von einem "Verwaltungsfehler" sprach: Im März 2025 wurde Kilmar Armando Ábrego García in den USA ohne Haftbefehl festgenommen und per Flugzeug nach El Salvador verfrachtet. Als illegaler Einwanderer war der Polizistensohn einst mit 16 Jahren vor gewalttätigen Banden aus ebendiesem Land in die USA geflohen. Inzwischen ist der 29-jährige García Vater von drei Kindern, die er mit einer Amerikanerin hat.

Rund 14 Jahre lebte er legal mit Arbeitserlaubnis und ohne Vorstrafen in Maryland, dem Nachbarbundesstaat von Washington, D.C. García erhielt sogar gerichtlichen Abschiebeschutz, weil er in seinem Heimatland gefährdet ist. Das wurde schlicht ignoriert.

Nach seiner Festnahme landete der Mann als vermeintlicher Terrorist in El Salvador im "Centro de Confinamiento del Terrorismo", jenem berüchtigten Massen-Hochsicherheitsgefängnis von Präsident Nayib Bukele. Seitdem muss García dort ausharren, zusammen mit mutmaßlichen Bandenmitgliedern und Kriminellen. Seine Abschiebung hätte niemals stattfinden dürfen. Nicht nur die Trump-Regierung sprach von einem Fehler. Auch der Supreme Court, das Oberste US-Gericht, hat den Vorgang als unrechtmäßig bezeichnet und die Regierung aufgefordert, die Rückholung von García "zu ermöglichen".

Bewusste Willkür?

Geschehen ist seither nichts. Im Gegenteil: Trump und sein Team ließen nicht nur eine gesetzte Frist verstreichen. Obwohl der vermeintliche Fehler bereits zugegeben wurde, verbreitet das Weiße Haus seither wieder den Standpunkt, die Abschiebung sei doch rechtmäßig und García ein Terrorist. Es ignoriert kurzerhand die Entscheidung des Supreme Courts. Der Verwaltungsfehler wächst sich damit jeden weiteren Tag zu einer ausgemachten Verfassungskrise aus – und die US-Regierung bemüht sich nicht einmal, dies zu verschleiern. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass der Fehler in Wahrheit geplante Willkür ist.

Deutlich wurde das am Montag, als Donald Trump den Präsidenten von El Salvador, Nayib Bukele, im Weißen Haus empfing. Umgeben von seiner eigenen Regierungsmannschaft und zahlreichen Reportern, ließ Trump seine Sicht auf Garcías Fall verbreiten.

Öffentliche Lügen und Spott im Weißen Haus

Trumps stellvertretender Chief of Staff, der rechtsradikale Stephen Miller, und seine Justizministerin Pam Bondi logen dabei über viele Minuten hinweg. Sie bezeichneten den unschuldig im Massengefängnis einsitzenden García als Schwerverbrecher. Miller beschuldigte die anwesenden Journalisten, sie würden gefährliche Menschen am liebsten in den USA behalten wollen. Trump beschwerte sich, dass die Reporter so viel nachfragten und bezeichnete sie als "kranke Menschen". Pam Bondi behauptete zugleich, es sei letztlich die Entscheidung El Salvadors, den Mann wieder in die USA zu schicken.

Sanft lächelnd verspottete Präsident Nayib Bukele daraufhin die Nachfragen der Reporter, ob er denn gewillt sei, García aus dem Gefängnis zu entlassen und in die USA zurückzubringen. "Die Frage ist absurd", sagte Bukele und verglich die mögliche Rückführung des unschuldigen Mannes mit dem "Schmuggel eines Terroristen" in die Vereinigten Staaten. "Wie soll ich das machen?", fragte Bukele ironisch. Trump saß neben seinem willfährigen Amtskollegen aus El Salvador, nickte und grinste. "Wir sind ein kleines Land, aber wenn wir helfen können, werden wir es tun", sagte Bukele. Denn die USA hätten bekanntlich ein Problem mit Kriminalität und Terrorismus. Der Mann aus El Salvador, der sich selbst als "coolsten Diktator der Welt" bezeichnet, wittert ein Geschäftsmodell. Die US-Regierung zahlt El Salvador sechs Millionen Dollar dafür, dass das Land Hunderte als kriminell eingestufte Migranten bei sich im Gefängnis unterbringt.

Ein gefährlicher Präzedenzfall für Millionen

Was den Fall García so besonders macht, ist nicht nur die Unrechtmäßigkeit der Abschiebung, sondern vor allem die Reaktion der Regierung darauf. Anstatt den eigenen Fehler zu korrigieren, verstärkt das Weiße Haus seinen Kurs, der offenkundig nicht nur unrechtmäßig, sondern auch willkürlich – und damit verstörend für Millionen von in den USA lebenden Menschen ist.

Der US-Präsident ging sogar noch weiter. Als die Mikrofone bereits angeschaltet waren, sagte Trump zu Bukele im Oval Office für alle hörbar: "Die Einheimischen sind als Nächstes dran. Die Einheimischen. Sie müssen noch rund fünf weitere dieser Orte bauen. Das eine ist nicht groß genug." Später wiederholte er die Aussage noch einmal und betonte, man müsse sich dafür natürlich an das bestehende Recht halten. Dabei tut er das gerade offenkundig nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass Trump so etwas sagte. Schon öfter drohte der US-Präsident offen damit, selbst amerikanische Staatsbürger in Bukeles Massengefängnis nach El Salvador zu entführen. Er ermunterte ihn sogar dazu, noch fünf weitere zu bauen.

Machtergreifung der Exekutive

Für Beobachter ist das Trumps nächster Tabubruch. Denn die Argumentation gegen normale, rechtsstaatliche Verfahren und gegen selbst höchstinstanzliche Entscheidungen läuft immer gleich ab. Trumps engste Berater, wie Stephen Miller, aber auch seine Justizministerin Pam Bondi und Außenminister Marco Rubio argumentierten im Oval Office einmal mehr, dass allein der Präsident die Richtlinien der Außenpolitik bestimme und die Justiz somit keine Befugnis habe, einzugreifen.

Längst geht es in dieser Angelegenheit um mehr als um politisch kontroverse Ansichten zum Thema Einwanderung. Der Fall García ist ein Präzedenzfall, der nicht nur Ausländer in den USA, sondern auch Amerikaner selbst bedrohen kann. Die verbreitete Sorge: Sobald nun eine US-Behörde behauptet, jemand sei kriminell und sollte deswegen außer Landes gebracht werden, könnte dies ohne jede Möglichkeit einzugreifen einfach so geschehen. Im Fall von García schob die Regierung ihn zudem so schnell ab, dass ein Richter gar nicht mehr einschreiten konnte.

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Trumps Handeln ist längst eine unverhohlene Konfrontation zwischen der Exekutive und der Judikative. Das Weiße Haus beansprucht dabei Befugnisse weit jenseits verfassungsrechtlicher Grenzen für sich. In einer deutlichen Stellungnahme zum Fall García warnte etwa die Richterin am Supreme Court, Sonia Sotomayor, davor, dass die Haltung der Regierung in dieser Angelegenheit bedeute, "dass diese jede Person, einschließlich US-Bürger, ohne rechtliche Konsequenzen abschieben und inhaftieren könnte, solange sie dies tut, bevor ein Gericht eingreifen kann". Diese Logik, so schrieb Sotomayor, widerlege sich selbst.

Die Machtlosigkeit der Gerichte

Spätestens seit dem Auftritt von Donald Trump, seinem Team und dem Präsidenten El Salvadors stellt sich in den USA eine weitere Frage: Kann ein Gericht überhaupt einschreiten, wenn der Präsident selbst Entscheidungen des Supreme Courts ignoriert, in ihr Gegenteil verkehrt und lächerlich macht? Genau genommen haben Gerichte nämlich keine Macht außer der des rechtsprechenden Wortes. Die Judikative ist darauf angewiesen, dass die Exekutive und der Präsident ihre Urteile akzeptieren und umsetzen lassen.

Die sogenannten US-Marshals müssen die Rechtsprechung von Bundesgerichten im Zweifel durchsetzen. Die Sicherheitsbeamten dieser Einheit unterstehen allerdings dem Bundesjustizministerium und damit Pam Bondi, also Trumps Justizministerin. Es erscheint demnach unrealistisch, dass diese Einheit umsetzt, was der Präsident nicht will. Weil damit die Gerichte jeglicher Handhabe beraubt sind, lässt sich die heraufziehende Verfassungskrise in den USA mit jedem Tag weniger leugnen.

Die Grundfesten der US-Demokratie wanken

Anstatt Kilmar Armando Ábrego Garcia zurück zu seiner Familie zu holen, zeigt die Trump-Regierung mit dem Finger auf El Salvadors Präsidenten Bukele. Wie in einem Schwarzer-Peter-Spiel behauptet Trumps Team, es hätte seinen Teil getan und die Rückkehr Garcías längst "ermöglicht". Das Problem liege nun bei einer ausländischen Regierung. Bukele wiederum verweigert eine Freilassung und Rückreise Garcías – ganz im Sinne von Donald Trump, der dessen Gefängnisse gerne weiter ohne rechtsstaatliche Verfahren mit Menschen aus den USA füllen möchte.

Rechtsexperten sind sich einig: Nicht nur das existierende rechtsstaatliche Einwanderungssystem der USA steht mit dem Fall García auf der Kippe, sondern das Fundament der amerikanischen Justiz selbst. Rechtsstaatlichkeit, gerichtliche Überprüfung und verfassungsmäßige Kontrollen der Macht scheinen keine Selbstverständlichkeit mehr zu sein. Viele fürchten nun, dass die autoritären Tendenzen im Weißen Haus weiter zunehmen und den Gerichten der Atem ausgeht.

Verwendete Quellen
  • Livestream des Weißen Hauses (englisch)

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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