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Corona: Die fünf Phasen einer Krise – Wo stehen Sie?


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Wie man mit Tiefpunkten umgeht
Die fünf Phasen einer Krise – Wo stehen Sie?


Aktualisiert am 14.06.2020Lesedauer: 5 Min.
Depression: Ulrike Scheuermann erklärt, welche fünf Phasen der Mensch in Krisen wie der Corona-Pandemie durchläuft.Vergrößern des Bildes
Depression: Ulrike Scheuermann erklärt, welche fünf Phasen der Mensch in Krisen wie der Corona-Pandemie durchläuft. (Quelle: AlenaPaulus/getty-images-bilder)

Mittlerweile beherrscht die Corona-Krise das Leben in Deutschland seit mehr als drei Monaten. Viele leiden unter der Situation, andere haben sich mit ihr arrangiert. Welche Phasen durchläuft der Mensch in Krisensituationen?

Die Diplom-Psychologin Ulrike Scheuermann erklärt, wie es den Menschen in Krisen geht und an welcher Stelle wir uns in der Corona-Krise befinden. Sie geht von einem Fünf-Phasen-Modell aus.

Krise. Wir hören dieses Wort seit Monaten ständig. Es klingt beängstigend und löst negative Gefühle aus. Ist das alles schon vorbei oder stecken wir noch mittendrin? Wenn wir mehr darüber wissen, wie eine Krise verläuft und in welcher Phase wir sind hilft das, damit umgehen zu können.

Allgemein gilt, dass eine Krise der Höhepunkt oder Wendepunkt einer problematischen oder gefährlichen, aber zeitbegrenzten Entwicklung in einem System und zugleich eine Entscheidungssituation ist: In der Regel gibt es eine Chance zur Weiterentwicklung. Zugleich besteht die Gefahr einer Verschärfung, ohne dass eine neue Stabilität entsteht. Der Wendepunkt und die Lernchancen einer Krise lassen sich meistens erst im Nachhinein erkennen.

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Merkmale psychischer Krisen

Die Corona-Pandemie führt auch zu einer psychischen Krise. Dabei ist die Situation so zugespitzt, dass sie mit den gewohnten Bewältigungsstrategien nicht mehr gemeistert werden kann. Es gibt einen schmerzhaften seelischen Zustand: Man ist wie in einem Tunnel, fühlt sich handlungsunfähig, ohnmächtig und hilflos, weil noch kein "Darüberstehen" möglich ist und man noch keine neuen Möglichkeiten erkennen kann. Alles wirkt chaotisch, überfordernd.

Ein Beispiel: Jemand musste seine Firma aufgeben und ist deshalb wütend, traurig, trübsinnig und antriebsarm. Er kennt es zwar auch schon von früher, niedergeschlagen zu sein, aber da konnte er gegensteuern, indem er ein Projekt anschob oder Neukunden akquirierte. Jetzt läuft in seiner Branche nichts mehr. Er braucht andere Strategien, um aus all dem und seinen depressiven Symptomen rauszukommen, weiß aber nicht wie, denn das ist neu.

Während meiner zehnjährigen Tätigkeit im Berliner Krisendienst habe ich erlebt, wie bedrohlich eine solche Unsicherheit für die Betroffenen ist und dass dies als innere Orientierungslosigkeit erlebt wird – und vor allem, wie wichtig es ist, in dieser Phase die Gewissheit zu erlangen, dass in der nächsten Phase etwas Neues entstehen wird.

Die psychischen Auswirkungen der Corona-Krise

Zu einem ähnlichen, noch vorläufigen Ergebnis, kommt jetzt eine weitere Studie eines Forschungsprojektes aus Göttingen: Die internationale Online-Umfrage mit bislang 2.000 Teilnehmern zeigt, dass die Maßnahmen zur Beschränkung des gesellschaftlichen Lebens erhebliche Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden haben können. So sind etwa bei depressiven Menschen die schweren Symptombelastungen verfünffacht, es treten verstärkt Stressreaktionen und zum Beispiel Essstörungen auf.

Wir sollten diese Studienergebnisse sehr ernst nehmen und uns jetzt um die psychischen Auswirkungen von Corona kümmern.

Die 5 Phasen einer Krise – Wo stehen Sie?

Wer sich klar macht, dass es einen typischen Krisenverlauf gibt, kann schwierige Gefühle und Verhaltensweisen besser einordnen. Dann können wir auch nachsichtig mit uns sein, wenn wir ungewohnt aufgebracht sind, niedergeschlagen oder uns seelisch erschöpft fühlen. Das passiert nicht grundlos, sondern ist im Kontext der aktuellen Situation verständlich und normal. Wir können mehr Verständnis für Mitmenschen entwickeln, die möglicherweise auch überreagieren oder sich auf den ersten Blick merkwürdig fremd verhalten.

Die fünf Phasen einer psychischen Krise sind: Schock, Verneinen, Realisieren, Anpassen und Integrieren. Auf die Frage "Wo stehen wir?" gibt es keine pauschale Antwort. Manche fühlen sich nach anfänglicher großer Aufregung längst nicht mehr in der Krise, weil sie sich in der neuen Situation eingerichtet oder einen Weg gefunden haben, mit den Unsicherheiten gut umzugehen. Anderen geht es jetzt besonders schlecht, weil sie gerade erst realisieren, was es heißt, wenn das Geld nicht mehr reicht.

Was bei den einzelnen Krisenphasen wichtig ist

Schock: Zuerst erleben die meisten Menschen einen Schock, wenn eine neue äußere oder innere Situation eintritt. Man fühlt sich überfordert, alles ist zu viel. Angst ist die vorherrschende Emotion.

  • Was tun? Versuchen Sie, in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen und sich mit Gesprächen oder konkreten Taten Hilfe zu holen. Gespräche entlasten enorm. Auch Schreiben über die Situation und über die eigenen Gefühle hilft und beruhigt, ebenso Sport, Rausgehen in die Natur und gute Selbstfürsorge.

Verneinen: Das Verneinen ist oft mit Wut oder Ärger verbunden. Man hadert, macht Vorwürfe, schimpft oder verharmlost und bagatellisiert, spielt die Tragweite und die Konsequenzen herunter.

  • Was tun? Versuchen Sie, ehrlich das Ausmaß der Konsequenzen für Ihr Leben mit wachem Blick zu realisieren. Dazu gehört Mut. Informieren Sie sich nur aus vertrauenswürdiger Nachrichtenquellen, reden Sie mit Menschen, denen Sie ein realistisches, ganzheitliches Einschätzen der Lage zutrauen. Das hilft Ihnen, nicht in einer unrealistischen Perspektive zu verharren und neue Möglichkeiten zu verpassen.

Realisieren: Das Realisieren des Ausmaßes der Krise geht häufig mit besonders starken und schmerzlichen Gefühlen einher: Sorge, Traurigkeit, Stress, vielleicht sogar Verzweiflung. Das Realisieren ist ein wichtiger Schritt zum Bewältigen einer Krise, denn man kann erst dann angemessen auf die aktuellen Anforderungen reagieren anstatt wie beim Verneinen die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen.

  • Was tun? Versuchen Sie, die schwierigen Gefühle auszuhalten, bis sie mit der Zeit abflauen. Sie müssen nicht sofort etwas dagegen tun, denn Gefühle verändern und entspannen sich im Laufe der Zeit. Der Austausch mit anderen hilft. Sie brauchen Verbundenheit und das Gefühl, nicht allein zu sein. So kommen Sie zu neuen Sichtweisen.

Anpassen: Beim Anpassen an die neue Situation ist bereits mehr Kreativität vorhanden. Wir beginnen, neues Verhalten auszuprobieren. Sie haben jetzt möglicherweise auch Chancen, Dinge grundlegend zu verändern.

  • Was tun? Versuchen Sie, mit weitem Blick verschiedene Möglichkeiten in Betracht zu ziehen und sich nicht zu schnell auf einen Weg zu versteifen, wenn die Situation noch zu ungewiss ist. Halten Sie offen, wo es hingeht, testen Sie so viel wie möglich aus. Eine neue Geschäftsidee – probieren Sie es aus.

Integrieren: Hier ist bereits wieder Stabilität erreicht. Wir haben uns in der neuen Situation eingerichtet, es sind Gewohnheiten entstanden und ein Gefühl von Normalität tritt ein. Wir wissen, wie es weitergeht, die starken negativen Emotionen flauen ab. Man kommt zur Ruhe.

  • Was tun? Versuchen Sie jetzt, nicht nur nach vorne, sondern auch zurückzublicken. Werten Sie das Zurückliegende aus: "Was kann ich aus all dem lernen? Was und wer hat mir geholfen? Was hätte ich anders machen können? Warum habe ich mich so verhalten? Was ist meine wichtigste Lehre?"
Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Internationales Forschungsprojekt PFH Göttingen
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