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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gefahr für die Gesundheit Herzinfarkt und Schlaganfall: Dieses Risiko wird oft übersehen
Depressionen oder Angstzustände können die Heilung nach einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall beeinträchtigen. Doch gerade diese Menschen leiden häufig unter solchen psychischen Störungen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weitverbreitet und eine große Belastung für Betroffene. Besonders Herz-Kreislauf-Ereignisse wie der Herzinfarkt und der Schlaganfall können folgenreich sein und zu chronischer Herzschwäche, Lähmungen oder Sprachstörungen führen.
Solche akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen können bei Patienten aber nicht nur körperliche, sondern in vielen Fällen auch schwere psychische Folgen haben – und dies über mehrere Jahre hinweg. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie vom "Big Data Center" in China. Die Studie wurde im Fachmagazin "Journal of the American Heart Association" veröffentlicht.
Herz-Kreislauf-Ereignisse lösen psychische Störungen aus
In der Untersuchung analysierten die Forscher die Daten von knapp 200.000 Personen aus der UK Biobank. Rund 64.000 von ihnen waren zwischen 1997 und 2020 erstmals wegen eines Herz-Kreislauf-Ereignisses wie einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Forscher verglichen diese Patienten mit einer Kontrollgruppe von fast 128.000 Personen mit ähnlichen Eigenschaften, die aber keine Herz-Kreislauf-Ereignisse erlitten hatten.
Das Ergebnis: Im ersten Jahr nach der Entlassung litten die Patienten mit Herz-Kreislauf-Ereignissen zu 83 Prozent häufiger an psychischen Problemen wie Angstzuständen, Depressionen, stressbedingten Störungen, Substanzmissbrauch oder Suizidversuchen.
Probleme können über Jahre andauern
Besonders hoch war das Risiko für Angstzustände und Depressionen sowie Suizidalität. Hier lag das Risiko nach einem Schlaganfall oder einem anderen Herz-Kreislauf-Ereignis im ersten Jahr fast viermal höher als bei den Vergleichspersonen. Auch in den darauffolgenden Jahren war das Risiko für psychische Erkrankungen bei diesen Menschen weiterhin erhöht, wenn auch weniger stark. Erst nach etwa acht Jahren gab es keine Unterschiede mehr zwischen den Personen.
Die Studie ergab zudem, dass diese psychischen Probleme nicht auf genetische Faktoren zurückzuführen sind. Die Autoren schlussfolgern, dass die psychischen Folgen allein auf die Herz-Kreislauf-Ereignisse und die damit einhergehenden Behinderungen zurückzuführen sind.
Psychische Probleme können eine Herzerkrankung verschlechtern
Dabei ist die psychische Gesundheit nach Angaben des Fachportals für Herzmedizin und Herzgesundheit gerade nach Herzerkrankungen wichtig: "Die psychische Gesundheit ist eng mit der Herzgesundheit verbunden. Psychische Störungen wie die Depression gelten nicht nur als Risikofaktor für die Entstehung einer Herzerkrankung wie zum Beispiel der koronaren Herzerkrankung, sie können auch deren Verlauf negativ beeinflussen", schreiben die Experten.
Woran das liegen kann, erklärt Prof. Ingrid Kindermann, Kardiologin und Leiterin der Herzinsuffizienz- und Spezial-Ambulanz am Universitätsklinikum des Saarlandes in dem Fachportal: "Depressive, antriebsarme Patientinnen und Patienten nehmen zum Beispiel nicht gern regelmäßig Untersuchungen wahr, sie wiegen sich oft nicht regelmäßig oder kontrollieren weniger konsequent Blutdruck und Puls – obwohl sie es eventuell sollten. Vielleicht nehmen sie sogar ihre Tabletten nicht konsequent ein. Sie treiben tendenziell nicht nur weniger Sport, sie ernähren sich auch ungesünder."
Zudem können Depressionen der Kardiologin zufolge auch körperlich krank machen, indem sie den Blutdruck und Puls beeinflussen oder die Gerinnung. Das alles seien Entwicklungen, die eine Herzerkrankung begünstigen oder ein bestehendes Herzleiden verschlechtern können, erklärt Kindermann.
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Ärzte und Angehörige sollten aufmerksam sein
Dr. Mariell Jessup, Chief Science und Medical Officer der American Heart Association, betonte in Bezug auf die aktuelle Studie die Wichtigkeit psychischer Screenings nach einem schweren Herz-Kreislauf-Ereignis. Dabei sollten nicht nur die Patienten selbst und ihre Angehörigen auf die Anzeichen einer psychischen Veränderung achten. Auch medizinische Betreuer sollten alle Veränderungen, die auf Depressionen, Angstzustände oder suizidales Verhalten hinweisen könnten, ernst nehmen.
Klassische Anzeichen einer Depression sind dem Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen zufolge unter anderem unspezifische Schmerzen, ständige Müdigkeit, Lustlosigkeit und Schlafstörungen.
Allgemein empfiehlt Dr. Jessup den meisten Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die eigene psychische Gesundheit routinemäßig überprüfen zu lassen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- ahajournals.org: "Cardiovascular Disease, Genetic Susceptibility, and Risk of Psychiatric Disorders and Suicide Attempt: A Community‐Based Matched Cohort Study Based on the UK Biobank". (Stand: Juli 2024; englisch)
- newsroom.heart.org: "Risks of anxiety, suicide attempt may rise significantly after cardiovascular hospitalization". (Stand: Juli 2024; englisch)
- herzstiftung.de: "Herzinfarkt-Folgen: Das Leben danach". (Abrufdatum: August 2024)
- gesundheit.gv.at: "Schlaganfall: Rehabilitation". (Stand: Dezember 2023)
- neurologen-und-psychiater-im-netz.org: "Frühe Symptome und erste Anzeichen einer Depression". (Abrufdatum: August 2024)
- herzmedizin.de: "Wie Herz und Psyche zusammenhängen". (Stand: Dezember 2023)