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Ampel will zwei Steuerklassen abschaffen – und Frauen finanziell stärken


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Koalitionsvertrag
Von Ehegattensplitting bis Minijobs – diese Ampelpläne enttäuschen


Aktualisiert am 28.11.2021Lesedauer: 6 Min.
Wahlplakat der Grünen: Im Bundestagswahlkampf 2021 forderten viele Parteien gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Ob die Umsetzung bald kommt?Vergrößern des Bildes
Wahlplakat der Grünen: Im Bundestagswahlkampf 2021 forderten viele Parteien gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Ob die Umsetzung bald kommt? (Quelle: getty-images-bilder)

Frauen verdienen noch immer weniger als Männer und bekommen auch weniger Rente. Gerade bei Trennungen ist ihr finanzielles Risiko ist groß. Wir stellen die Versprechen der Ampelparteien auf den Prüfstand.

Seit SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag bekannt gegeben haben, ist klar: Auch im täglichen Leben der Bürger soll einiges anders werden. Ein wichtiges Ziel dabei ist die Gleichstellung von Frauen und Männern, die die Ampel in diesem Jahrzehnt erreichen will.

Dafür soll künftig jedes Gesetz und jede politische Maßnahme einem Gleichstellungs-Check unterzogen werden. Doch an einigen Stellen werden die Parteien noch konkreter. Wir zeigen, was sie planen, um Frauen vor allem finanziell den Männern ebenbürtiger zu stellen und haben mit Expertinnen gesprochen, ob das ausreicht.

Abschaffung von zwei Steuerklassen

Eheleute und Lebenspartner, die ihre Steuererklärung gemeinsam abgeben, profitieren bisher umso mehr, je stärker ihre Einkommen auseinanderklaffen. Ehegattensplitting nennt sich dieser Steuervorteil, den vor allem die Grünen in ihrem Wahlprogramm als ungerecht ansahen.

Nun soll eine Änderung für mehr Gerechtigkeit innerhalb einer Partnerschaft sorgen: Die Ampelkoalitionäre wollen die Kombination aus den Steuerklassen III und V abschaffen und in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen. Das würde bedeuten, dass jeder Partner nur den Lohnsteueranteil zahlt, den er auch am gemeinsamen Einkommen trägt. Erst kürzlich hatte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer eine Abschaffung der beiden Steuerklassen gefordert.

Bei der Kombination der Steuerklassen III und V profitierte bisher der besser verdienende Partner überproportional, der schlechter verdienende musste besonders hohe Steuerabzüge in Kauf nehmen. Da das größere Einkommen in der Regel noch oft der Mann hat, sehen Kritiker im Ehegattensplitting einen Anreiz, das traditionelle Modell des männlichen Ernährers und der hinzuverdienenden Frau fortzuführen.

"Die Abschaffung der Steuerklassen III/V wird dazu führen, dass viele Frauen jeden Monat mehr auf ihrem Gehaltszettel sehen und wird zusätzlich einen positiven Effekt auf vom Nettogehalt abhängige Leistungen, wie das Kurzarbeitergeld in Corona-Zeiten, haben", sagt Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus t-online. "Das ist insbesondere ein wichtiger Schritt zur Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen, auch wenn SPD und FDP eine echte Reform des Ehegattensplittings nicht mittragen wollten."

"Das Ehegattensplitting gehört abgeschafft"

Ähnlich sieht das die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Elke Hannack. "Wenn sich im Zuge der Digitalisierung der Finanzbehörden die Steuerklassenkombination III und V auflöst, wird die Steuerlast bei Ehepaaren gerechter verteilt", sagt sie. "Das ermutigt Frauen, auch im Erwerbsleben intensiver am Ball zu bleiben – ändert aber nichts daran, dass auch das Ehegattensplitting angesichts der Vielfalt von Familienformen nicht mehr zeitgemäß ist und abgeschafft gehört."

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), hätte sich ebenfalls gewünscht, dass die Koalitionäre das Ehegattensplitting mit entsprechenden Übergangsklauseln abschaffen. "Da sind wir leider nicht vorangekommen", sagt die Soziologin im Gespräch mit t-online. "Die geplante Umstellung führt allein dazu, dass der hohe Vorab-Lohnsteuerabzug entfällt und im Monat mehr Netto vom Brutto bleibt."

Elternzeit wird für Väter attraktiver

Auch wenn die Zahl der Väter in Elternzeit von Jahr zu Jahr steigt: Vor längeren Babypausen scheuen die meisten noch immer zurück. Die Ampel will die Elternzeit für Väter attraktiver machen, indem sie die Partnermonate beim Basis-Elterngeld von zwei auf drei erweitert.

Basis-Elterngeld können Eltern für die ersten zwölf Monate des Kindes erhalten und es beliebig untereinander aufteilen. Durch die Partnermonate verlängert sich das Elterngeld von bisher 14 Monaten auf künftig 15. Die Partnermonate sind nicht übertragbar. Mehr zum Elterngeld lesen Sie hier.

Nach der Geburt eines Kindes sollen die Partner zudem zwei Wochen lang vergütet von der Arbeit freigestellt werden. Das gilt auch bei Fehl- oder Totgeburten nach der 20. Schwangerschaftswoche. Für die Eltern, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, steigt der Anspruch auf Elterngeld.

Lohnersatz auch für pflegende Angehörige

Eine Auszeit vom Job nehmen Beschäftigte aber nicht nur, wenn sie Eltern werden. Auch wer sich um pflegebedürftige Angehörige kümmert, soll künftig Geld erhalten, wenn er dafür im Beruf kürzer tritt. Bisher wird diese unbezahlte Sorgearbeit in der Regel von Frauen geleistet.

"Für die Verteilung der Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern setzt die neue Koalition die richtigen Signale", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Hannack. "Die Freistellung für Väter rund um die Geburt, ein zusätzlicher nicht übertragbarer Elterngeldmonat und eine Entgeltersatzleistung für Pflegende entlasten Frauen und ermutigen Männer, stärker in die Familienpflichten einzusteigen."

Leichterer Wiedereinstieg in den Beruf

Unter bestimmten Voraussetzungen haben Arbeitnehmer das Recht, ihre Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren und anschließend wieder zu ihrer ursprünglichen Arbeitszeit zurückzukehren. Brückenteilzeit nennt sich das. In kleineren und mittelgroßen Unternehmen ist es bisher aber schwieriger, davon Gebrauch zu machen.

Denn diese Arbeitgeber können Anträge auf Brückenteilzeit aktuell ohne inhaltliche Begründung ablehnen, wenn bereits einer von 15 Beschäftigten in Brückenteilzeit ist. Diese sogenannte Überforderungsklausel will die neue Regierung überarbeiten. Dadurch sollen künftig mehr Beschäftigte von der Teilzeitregel profitieren. Lesen Sie hier mehr darüber, wie der Wechsel von Voll- in Teilzeit gelingt. Und hier, welche Folgen Teilzeit haben kann.

Zudem will die Ampel den elternzeitbedingten Kündigungsschutz um drei Monate nach der Rückkehr in den Beruf verlängern, um den Wiedereinstieg abzusichern. Bisher darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, sobald die Beschäftigten aus der Elternzeit zurück sind.

"Diese Maßnahmen sind zu dürftig"

"Vielen Müttern wird gerade in der Pandemie direkt nach der Elternzeit gekündigt. Das geplante dreimonatige Kündigungsverbot nach der Elternzeit sehe ich daher positiv. Ebenso den Abbau von Hürden bei der Brückenteilzeit und die zweiwöchige Freistellung für Partner nach der Geburt", sagt Soziologin Allmendinger. "Allerdings bin ich überrascht, dass nur ein zusätzlicher Partnermonat mehr kommen soll. Wenn es darum geht, gleichberechtigte Partnerschaften zu stärken, sind diese Maßnahmen zu dürftig."

Mehr Kitaplätze und Ganztagsangebote

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht und fällt mit dem Angebot an Betreuungsplätzen. Die Ampel verspricht, sowohl die Plätze in Kitas als auch die Ganztagsangebote in Schulen auszubauen.

Gutscheine für haushaltsnahe Dienstleistungen

Alleinerziehende und Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sollen es künftig einfacher haben, eine Haushaltshilfe, Kinderbetreuung oder Pflegekraft einzustellen. SPD, Grüne und FDP planen "ein Zulagen- und Gutscheinsystem und die Möglichkeit für flankierende steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse". Später sollen auch alle anderen Haushalte davon profitieren. Der jährliche Bonus soll sich auf maximal 2.000 Euro belaufen und ab 2023 eingeführt werden, sagte der geschäftsführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der "Bild am Sonntag".

Nach Heils Modell sollen sich Staat und Familie die Kosten für die Alltagshelfer teilen. "40 Prozent werden durch den Zuschuss bezahlt, 60 Prozent von den Bürgern selbst", sagte Heil. Die Abrechnung solle mittels einer App geregelt werden, über die zertifizierte Firmen ihre Dienstleistungen anbieten können. Die Familie buche dann etwa eine Leistung wie das wöchentliche Putzen der Wohnung, gebe den vom Staat zugeschickten Gutscheincode ein und müsse automatisch nur noch 60 Prozent zahlen. Die Firma rechne den Gutschein mit der zuständigen Behörde ab.

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Steuergutschrift für Alleinerziehende

Laut dem Statistischen Bundesamt waren im Jahr 2020 83 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland Frauen. Da diese heute am stärksten von Armut betroffen seien, will die neue Regierung sie mit einer Steuergutschrift entlasten. Die genaue Höhe ist allerdings nicht bekannt.

Wo hätte der Koalitionsvertrag besser sein können?

"Bedauerlich ist, dass der Koalitionsvertrag bei der Weiterentwicklung des Führungspositionengesetzes und des Entgelttransparenzgesetzes eher vage bleibt und – trotz der Einführung einer Prozessstandschaft – Frauen ihr Recht auf gleichen Lohn immer noch individuell durchsetzen müssen", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Hannack. "Ein Verbandsklagerecht und Prüfpflichten für Arbeitgeber wären hier deutlich sinnvoller, um die Last von den Betroffenen zu nehmen und kollektive Lösungen zu schaffen."

Das Entgelttransparenzgesetz soll Beschäftigte dabei unterstützen, ihren Anspruch auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit besser durchzusetzen. Theoretisch hilft es damit vor allem Frauen, hat aber Grenzen – etwa in Betrieben mit weniger als 200 Mitarbeitern. Ein Verbandsklagerecht hätte die Möglichkeit dafür geschaffen, dass Gewerkschaften oder Antidiskriminierungsverbände sozusagen im Auftrag von Betroffenen deren Recht gerichtlich durchsetzen.

Kritik übt Hannack auch daran, dass die Verdienstgrenze für Minijobs angehoben werden soll. "Die Ausweitung der Minijobs spottet jeder gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt", so die DGB-Vize. Auch Allmendinger sei von dem Vorhaben negativ überrascht gewesen. "Wir wissen, dass Minijobs gerade nicht das Sprungbrett in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und für viele verheiratete Frauen eine Teilzeitfalle sind. Da hatte ich mir deutlich mehr von der neuen Bundesregierung erhofft."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Koalitionsvertrag 2021-2025
  • Statement von Elke Hannack
  • Statement von Lisa Paus
  • Gespräch mit Jutta Allmendinger
  • Bild am Sonntag
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