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Zum journalistischen Leitbild von t-online.USA und China Zwei Riesen lösen ihre jahrzehntealte Beziehung

Der Handelskrieg zwischen den USA und China erreicht eine neue Eskalationsstufe. Die Folgen werden nicht nur die beiden Kontrahenten treffen – sondern die ganze Welt.
Die Regierungen in Washington und Peking überziehen sich gegenseitig mit immer höheren Strafzöllen. Der Konflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt hat sich zuletzt deutlich verschärft. Während sich frühere Zollrunden über Monate hinzogen, vollzieht sich die aktuelle Eskalation innerhalb weniger Tage.
Seit Anfang April hat Donald Trump die Zölle auf chinesische Waren erst auf 54 Prozent, dann auf 104 Prozent und schließlich auf 145 Prozent erhöht. Peking zog mehrmals nach. Die chinesische Regierung erhöhte die Gegenzölle auf US-Importe von anfänglich 34 auf nun 125 Prozent. Zudem erklärte sie, man werde sich "bis zum Ende wehren". Auch hat China die Exportkontrollen für Seltene Erden ausgeweitet und US-Drohnenhersteller auf die Schwarze Liste gesetzt.
Im Zuge der aktuellen Eskalationen droht eine wirtschaftliche Entkoppelung der beiden Supermächte. Doch wie sind China und die USA wirtschaftlich verbunden? t-online gibt einen Überblick.
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Wie sind die Handelsbeziehungen zwischen China und den USA?
Seit der Reform- und Öffnungspolitik von Deng Xiaoping Ende der 1970er Jahre hat China seine Handelsbeziehung mit den USA intensiviert. Nach einem jahrzehntelangen Ausbau sind die Vereinigten Staaten heute der größte Handelspartner für China unter Präsident Xi Jinping. Aber durch die jüngste Eskalation droht nun ein "monumentaler Bruch" der Beziehungen, sagte Orvill Schell zur "New York Times". Der Experte der "Asia Society" führte weiter aus: "Das Gefüge, das wir in den letzten Jahrzehnten so sorgfältig aufgebaut haben, zerbricht."
Bislang konnten beide Seiten von den bilateralen Beziehungen profitieren. Amerikanische Unternehmen lagerten ihre Produktion nach China aus, sodass die Preise für amerikanische Verbraucher niedrig blieben und die größten Unternehmen satte Gewinne einfahren konnten. China profitierte von Arbeitsplätzen und Investitionen, die Millionen Familien aus der Armut holten. Mit der wachsenden Kaufkraft Chinas eröffnete sich wiederum ein riesiger und lukrativer Markt für amerikanische Firmen.
Wie groß ist das Handelsdefizit?
Im Jahr 2024 belief sich der bilaterale Warenhandel auf rund 585 Milliarden US-Dollar. Die USA importieren dabei weitaus mehr aus China (440 Milliarden US-Dollar) als umgekehrt (145 Milliarden US-Dollar).
Damit verzeichneten die USA 2024 ein Handelsdefizit mit China – die Differenz zwischen Importen und Exporten – von 295 Milliarden US-Dollar. Das ist eine beträchtliche Summe, die etwa 1 Prozent der US-Wirtschaftsleistung entspricht. Ein dauerhaftes Defizit kann von Nachteil sein, wenn die Abhängigkeit von chinesischen Produkten zu groß wird und Industriearbeitsplätze verloren gehen. Ein solches Defizit ist aber nicht automatisch schlecht, sondern auch ein Zeichen des starken US-Konsums.
Doch für Donald Trump ist das Handelsdefizit ein Zeichen von Schwäche. Schon in seiner ersten Amtszeit hat er versucht, es mit Zöllen gegen China zu senken. Sein Nachfolger Joe Biden hat diese Politik weitergeführt. Zusammen haben diese Handelsbarrieren dazu beigetragen, dass der Anteil der aus China importierten Waren an den gesamten amerikanischen Importen von 21 Prozent im Jahr 2016 auf 13 Prozent im vergangenen Jahr gesunken ist. Die Abhängigkeit der USA vom Handel mit China hat in den vergangenen zehn Jahren also abgenommen.
Viele chinesische Warenexporte wurden jedoch einfach nur umgeleitet. So verlagerten chinesische Hersteller ihre Produktion zunehmend nach Südostasien und Afrika, um dort von niedrigeren Lohnkosten zu profitieren und die hohen US-Handelsbarrieren zu umgehen. Donald Trump hat wohl auch deshalb unter anderem Vietnam, Kambodscha und Lesotho mit hohen "reziproken Zöllen" bedacht, die jedoch inzwischen wieder ausgesetzt sind. Trotzdem wird die US-Administration wahrscheinlich diese Länder genau im Blick haben, um China keine Umgehung der Zölle zu ermöglichen.
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Welche Waren handeln China und die USA?
China exportiert hauptsächlich Elektronik, Computer, Spielzeug und Batterien in die USA. Laut Berechnungen stammen etwa 73 Prozent der in den USA verkauften Smartphones, 78 Prozent der Laptops, 87 Prozent der Videospielkonsolen und 77 Prozent der Spielwaren aus chinesischer Produktion. Ein großer Teil der Smartphones sind iPhones, die der US-Hersteller Apple in China produziert. Dieses Geschäftsmodell ist nun gefährdet. In den USA könnten die Preise für die Geräte deutlich teurer werden. Gleichzeitig ist der Marktwert des einst wertvollsten Unternehmens der Welt um 20 Prozent gefallen.
Umgekehrt exportieren die USA vorwiegend landwirtschaftliche Produkte nach China. Den größten Anteil machen Sojabohnen und Mais aus, die hauptsächlich zur Fütterung der schätzungsweise 440 Millionen Schweine in China verwendet werden. Außerdem liefern US-Unternehmen Pharmazeutika und Erdöl nach China.
Wer nimmt den größeren Schaden?
Beide Seiten sind betroffen, doch China könnte besonders leiden, denn das Land ist auch ohne Trumps Zölle mit einer Konjunkturabschwächung konfrontiert. China produziert viel mehr, als die eigenen Konsumenten kaufen könnten, und ist deshalb stark abhängig von der Exportwirtschaft. Zudem kämpft es weiterhin mit den Folgen einer Immobilienkrise, einer schwachen Binnennachfrage und hoher Jugendarbeitslosigkeit.
Hinzu kommen Sorgen um eine drohende Deflation. Die Verbraucherpreise sanken im März bereits den zweiten Monat in Folge – wenn auch nur noch um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Daten des Statistikamtes in Peking hervorgeht. Im Februar war das Minus mit 0,7 Prozent noch größer ausgefallen.
Als Deflation wird ein längerer Preisverfall auf breiter Front bezeichnet. Er hat verheerende Folgen für die Wirtschaft, wenn Unternehmen dadurch weniger Geld einnehmen, Investitionen kürzen und Stellen abbauen.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs rechnet wegen des Handelskriegs mit weniger Wachstum in China. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr nur noch um 4,0 Prozent steigen statt der bisher erwarteten 4,5 Prozent. Für 2026 wurde die Wachstumsprognose von 4,0 auf 3,5 Prozent gesenkt. Das ist zwar im Vergleich mit den USA und Europa immer noch ein hoher Wert, doch es ist ein starker Abfall vom hohen Wachstum der letzten Jahrzehnte zu verzeichnen.
Doch die Zölle verteuern den Handel auf beiden Seiten. So müssen US-Verbraucher für chinesische Produkte deutlich mehr zahlen. Analysten erwarten durch die Zölle eine höhere Inflation, ein schwächeres Wachstum und die zunehmende Gefahr einer Rezession in den USA.
Wie könnte sich das auf andere Länder auswirken?
Die USA und China machen zusammen einen großen Teil der Weltwirtschaft aus, in diesem Jahr etwa 43 Prozent, wie der Internationale Währungsfonds angibt. Die drohende Unterbrechung des Warenflusses könnte verheerende Folgen für beide Länder sowie für die globale Weltwirtschaft haben. Wenn der umfassende Handelskrieg ihr Wachstum verlangsamt oder sie sogar in eine Rezession stürzt, würde dies wahrscheinlich die Wirtschaft vieler Länder in Form eines langsameren globalen Wachstums beeinträchtigen. Auch die globalen Investitionen würden wahrscheinlich darunter leiden.
Zudem besteht die Gefahr, dass chinesische Unternehmen ihre Waren in andere Märkte verkaufen. Das Land hat einen Warenüberschuss von fast einer Billion Dollar. So plant China beispielsweise, in diesem Jahr sechs Millionen Elektrofahrzeuge zu exportieren, fast keine davon in die USA. Die billigen Waren aus China könnten für Verbraucher von Vorteil sein, aber auch heimische Produzenten unter Druck setzen. Besonders Europa könnte zum Ventil für Chinas Exporte werden. Jacob Gunter, leitender Analyst im Wirtschaftsprogramm bei MERICS (Mercator-Forschungsinstitut für globale Gemeingüter und Klimawandel), sagt, es drohe Deindustrialisierung und ein "China-Schock".
- bbc.com: What would a US-China trade war do to the world economy?
- nytimes.com: U.S. and China Headed for ‘Monumental’ Split, Putting World Economy on Edge
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, afp und reuters