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Gegenoffensive der Ukraine? Dieser Durchbruch wäre für Putin fatal


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Operation Durchbruch
Jetzt geht es für die Ukraine um alles


Aktualisiert am 03.05.2023Lesedauer: 6 Min.
Ein ukrainischer Soldaten im Osten des Landes: Kiew bereitet aktuell eine Gegenoffensive vor, um weiteres Staatsgebiet zu befreien.Vergrößern des Bildes
Ein ukrainischer Soldat im Osten des Landes: Kiew bereitet zurzeit eine Gegenoffensive vor, um weiteres Staatsgebiet zu befreien. (Quelle: IMAGO/Adrien Vautier / Le Pictorium)

Beginnt nun die große Frühjahrsoffensive der Ukraine oder ist die Ankündigung eine Kriegsfinte? Während Wladimir Putin einen Durchbruch fürchtet, steht auch Kiew unter Erfolgsdruck.

In Russland brennt am Wochenende plötzlich ein Zug. Videos und Bilder in den sozialen Netzwerken zeigen mehrere entgleiste Waggons auf einer Bahnstrecke in der Oblast Brjansk nahe der ukrainischen Grenze. Schwarzer Rauch steigt auf, die Lokomotive fängt ebenfalls Feuer. Ein Sabotageakt durch einen Sprengsatz, wie der Gouverneur der Region, Alexander Bogomas, am Montag bestätigt. Einige Experten sehen in dem Angriff auf die russische Nachschublinie ein Zeichen: Die große ukrainische Gegenoffensive könnte zeitnah beginnen.

Video | Zug entgleist nach Sprengsatz-Explosion
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Quelle: t-online

Besonders seit dem Eintreffen der modernen westlichen Kampf- und Schützenpanzer in der Ukraine wird über den Beginn der Frühjahrsoffensive spekuliert. Dabei ist völlig unklar, ob es überhaupt zu einem größeren Angriff an einem Frontabschnitt kommen wird. Denn bislang sind zumindest keine größeren ukrainischen Truppenkonzentrationen in Frontnähe erkennbar.

Fest steht nur: Die ukrainische Regierung hat für diese Gegenoffensive öffentlichkeitswirksam geworben, auch um mehr Waffen aus dem Westen zu bekommen. Das setzt Kiew nun unter Druck, in diesem Jahr gibt es wahrscheinlich nur eine Chance für einen Erfolg. Doch die russische Armee steht ebenso unter Zugzwang, denn für den Kremlchef Wladimir Putin wäre ein weiterer Durchbruch und das Zusammenbrechen einer Front in seinem Angriffskrieg fatal.

"Alles ist bereit"

Die ukrainische Führung kommunizierte in den vergangenen Wochen überraschend offen den Stand der Planungen. Die Vorbereitungen der Ukraine für die erwartete Frühjahrsoffensive zur Rückeroberung russisch besetzter Gebiete sind nach Worten von Olexij Resnikow "in der Endphase". Weiter betonte der ukrainische Verteidigungsminister im Staatsfernsehen: "Wir biegen auf die Zielgerade ein und können sagen: Ja, alles ist bereit." Der Generalstab, der Oberbefehlshaber und dessen Team auf der Grundlage der Entscheidung und des Verständnisses der Lage auf dem Schlachtfeld würde entscheiden, wie, wo und wann.

Ob diese Aussagen stimmen oder ob sie eine Täuschung in dem hybriden Krieg sind – zu dem auch der gezielte Einsatz von Propaganda gehört –, ist unklar. Die offen kommunizierten Angriffspläne waren in den vergangenen Monaten ein für Kiew erfolgreiches Verwirrspiel, das Russland zwang, Ressourcen in die Verteidigung der eroberten Gebiete zu stecken. Seit Februar warnen die einflussreichen russischen Militärblogger vor dem ukrainischen Angriff und Putin steht unter Druck, einen weiteren Zusammenbruch seiner Front und einen erneuten Gesichtsverlust zu verhindern.

Aber das Spiel mit der Gegenoffensive hat für die Ukraine auch eine Kehrseite. Der große Erfolg der ukrainischen Offensive im Spätsommer, bei der besonders in der Region Charkiw viel ukrainisches Territorium befreit wurde, kam für die russische Armee in ihrer Stärke überraschend. Putins Truppen wurden überrumpelt, mussten mehrfach neue Verteidigungslinien aufbauen. Nun hatte Moskau einige Monate Zeit, um sich auf das Szenario eines ukrainischen Angriffs vorzubereiten.

Der beste Zeitpunkt für den Angriff

Experten sind sich einig, dass ein weiterer großer Überraschungsangriff der Ukraine unwahrscheinlich ist. "Die Russen haben viele dumme Fehler gemacht. Aber sie sind nicht nur dumm und kennen das Gelände inzwischen gut. Für die Ukraine wird es schwer", sagte Oberst a. D. Ralph Thiele t-online. Militärexperte Christian Mölling erklärte im Gespräch mit t-online ebenfalls: "Wir dürfen nicht annehmen, dass die Russen aus ihren Fehlern in diesem Krieg nicht gelernt haben. Ich empfehle, sie nicht zu unterschätzen und die Ukraine nicht zu überschätzen."

Das ist vielleicht auch das Problem. Die Erwartungen an die ukrainische Gegenoffensive im Westen sind hoch, obwohl Länder wie Deutschland lange bei der Unterstützung der Ukraine mit Schützen- und Kampfpanzern gezögert haben. Daneben war es auch das schlechte Wetter, die "Matschzeit" in der Ukraine, die das Vorankommen des schweren militärischen Geräts der Ukraine verhindert hätte. Hinzu kommt, dass die russische Armee im Kampf um Bachmut viele Soldaten verloren hat und in dieser Zeit weiter geschwächt wurde. Die ukrainische Armee könnte demnach abwarten bis das Kräfteverhältnis weiter zu ihren Gunsten verschiebt.

Diese Faktoren zeigen: Es ist eine komplizierte Abwägung für die ukrainische Führung, wann ein guter Zeitpunkt für den Angriff ist.

Nun sind zwar die westlichen Panzer in die ukrainische Armee integriert und die Nato hat die ukrainischen Soldaten in den vergangenen Monaten nicht nur an dem westlichen Gerät ausgebildet, sondern Infanterieverbände haben auch taktische Ausbildungen erhalten. Auf der anderen Seite haben russische Kräfte die Zeit genutzt, um mindestens drei Verteidigungslinien in der ukrainischen Oblast Saporischschja aufzubauen. Dort rechnen die meisten Experten mit dem Angriff. Es gehe darum, diese Linien zu überwinden und die technischen Möglichkeiten bereitzustellen, um etwa Minenfelder zu durchqueren, so Mölling. "Das wird nicht einfach, aber es ist auch nicht unmöglich."

Die Ukraine steht unter Druck

Das Ziel für die Ukraine ist der Durchbruch zum Asowschen Meer, denn eine Eroberung der Landbrücke von Russland auf die Krim hätte fatale Auswirkungen für die Versorgung der russischen Truppen auf der annektierten Halbinsel. Es sind vor allem zwei Bahnlinien, die auf dieser Landbrücke zum Ziel der ukrainischen Angriffe werden könnten.

Aber damit die Ukraine überhaupt angreifen kann, ist die Aufklärung der russischen Verteidigungsstellungen essenziell. Es ist wahrscheinlich von dieser Aufklärung abhängig, ob es überhaupt zu einer großen Offensive kommt oder zu mehreren kleineren Angriffen.

Das Abwarten der ukrainischen Führung kann auch damit erklärt werden, dass Kiew laut dem Militärexperten Gustav Gressel nur "einen Schuss" für die Gegenoffensive hat. "Die Materiallage ist dünn, und die anstehende Offensive muss Resultate bringen", sagte er im Gespräch mit t-online. Ein Misserfolg wäre ein "moralischer Dämpfer" im Angesicht der russischen Invasion und zudem "problematisch in den Verhandlungen mit dem Westen", weil schon jetzt einige Kräfte im Westen einen Waffenstillstand und ein Einfrieren der Front propagierten. "Damit wären wir in einer Situation, in der der Druck auf Kiew steigen würde, einen für sie sehr schlechten Waffenstillstand zu akzeptieren", so Gressel.

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"Wir reden hier ja nicht über ein Fußballspiel"

Großen Druck gibt es vor der möglichen Gegenoffensive aber auf beide Seiten in diesem Krieg. "Alles hängt von dieser Gegenoffensive ab", sagte Alexander Vershbow, ehemaliger US-Botschafter in Russland und hochrangiger Nato-Beamter, im April der "New York Times". "Jeder ist hoffnungsvoll, vielleicht zu optimistisch." Laut Vershbow wird sich zeigen, ob die Ukraine durch einen Erfolg einen größeren Hebel für eine Art Verhandlungslösung bekommen kann.

In Deutschland versuchen die Ampelregierung und Teile der Opposition Erwartungen an den ukrainischen Gegenangriff zu dämpfen. Die Strategie: Erst einmal abwarten und schauen, was passiert. "Wir reden hier ja nicht über ein Fußballspiel und die Erwartungshaltung der Zuschauer", betonte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch mit t-online. "Wir stehen unverändert an der Seite der Ukraine, solange sie uns braucht." Der Unions-Verteidigungspolitiker Florian Hahn sagte t-online: "Wir dürfen nicht das 'Interesse' an diesem Krieg verlieren, denn wenn der Westen aufhört, die Ukraine zu unterstützen, wird die Ukraine aufhören zu existieren."

Während sich westliche Regierungen um Ruhe bemühen, wächst in Russland schon die Panik. In einigen südrussischen Städten werden Verteidigungslinien errichtet. Der Söldnertruppe Wagner fehlt es nach Angaben ihres Chefs Jewgeni Prigoschin hingegen an Munition und er macht die "Mistkerle" der heimischen Bürokratie dafür verantwortlich. Für den Kampf um Bachmut seien etwa 300 Tonnen Artilleriegranaten pro Tag nötig, Wagner erhalte aber nur ein Drittel dieser Menge, schreibt Prigoschin auf seinem Telegram-Kanal. Er erwartet den ukrainischen Angriff bis zum 15. Mai.

Letztlich könnte der Ausgang der möglichen Gegenoffensive entscheidend in diesem Krieg sein, weil Erfolg oder Misserfolg darüber entscheiden werden, welche Seite politisch in die Defensive gerät. Einerseits möchte und muss der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beweisen, dass die Ukraine in der Lage ist, weiteres Territorium zurückzuerobern. Das ist maßgeblich für weitere Waffenlieferungen aus dem Westen.

Putin dagegen muss demonstrieren, dass er die Lage unter Kontrolle hat und dass er vor allem die Krim schützen kann. Die russische Neujahrsoffensive hatte zuletzt wenig Erfolg, weitere Niederlagen wären für den Kreml und die russische Moral fatal. Militärisch ist der Ausgang für die meisten Experten demnach völlig offen. Fest steht aktuell nur: Die Anspannung wächst.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Christian Mölling
  • Gespräch mit Gustav Gressel
  • Gespräch mit Ralph Thiele
  • nytimes.com: "Ukraine's Spring Offensive Comes With Immense Stakes for Future of the War" (engl.)
  • understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, May 1, 2023 (engl.)
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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