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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump redet, Putin greift an Tödlicher Frühling in der Ukraine

Während die US-Regierung von Frieden spricht, sterben immer mehr ukrainische Zivilisten durch russische Angriffe. Präsident Trump könnte helfen, weigert sich aber.
Waffenstillstand, Osterwaffenruhe, Friedensplan: Vor allem die US-Regierung behauptet in letzter Zeit immer wieder, ein Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine sei zum Greifen nah, wenn nur die Regierung in Kiew zu schmerzhaften Zugeständnissen bereit wäre. Dabei hat Russland selbst in den vergangenen Wochen keinerlei Bereitschaft zu Kompromissen gezeigt und seine Angriffe gegen die Ukraine eher noch verstärkt.
So töteten russische Raketen und Drohnen allein in der Nacht zu Donnerstag mindestens zwölf Menschen in Kiew und verletzten mindestens 90. Es war der bislang größte Angriff auf die ukrainische Hauptstadt in diesem Jahr. 145 Kamikazedrohnen iranischer Bauart und 70 Marschflugkörper verschiedener Typen feuerten Putins Truppen auf die Stadt ab. Die ukrainische Luftverteidigung konnte nach eigenen Angaben 48 Marschflugkörper und 132 Kamikazedrohnen abfangen.
Gehen der Ukraine die Patriot-Raketen aus?
Die relativ geringe Zahl der abgefangenen Geschosse könnte darauf hindeuten, dass der Ukraine die Abfangraketen ausgehen. Die wichtigste Waffe der Ukrainer, vor allem gegen die russischen Marschflugkörper, sind ihre Patriot-Batterien, von denen auch Deutschland drei Exemplare mit zusätzlichen Abschussrampen geliefert hat. Die Patriot-Abfangraketen haben bis zur Machtübernahme von Präsident Donald Trump vor allem die USA geliefert; die letzte bekannte Lieferung von knapp 90 Raketen erreichte die Ukraine Ende Januar.
- USA schlagen Friedensdeal vor: "Er hat die Ukraine in der Lage, in der er sie haben wollte"
Um die Luftverteidigung zu verbessern, hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj der US-Regierung zuletzt angeboten, insgesamt zehn Patriot-Batterien für umgerechnet mehr als 13 Milliarden Euro zu kaufen. Mitte März hatte Trump immerhin zugesagt, die Ukraine bei der Beschaffung weiterer Patriot-Batterien aus europäischen Beständen zu unterstützen.
Trump will Ukraine keine Patriot-Systeme verkaufen
Die Bitte um den Verkauf von Patriot-Systemen wies Trump kürzlich aber zurück: "Man fängt keinen Krieg an gegen einen 20-mal größeren Gegner und hofft dann, dass einem schon jemand Raketen liefert", sagte der US-Präsident zur Begründung und verdrehte dabei die Tatsache, dass Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen hat, und nicht umgekehrt.
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Unter den russischen Attacken hatten zuletzt vor allem die Einwohner von Sumy, Dnipro, Charkiw und Krywyj Rih, der Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten, gelitten. Allein bei dem Angriff auf Sumy im Nordosten des Landes tötete Russland am Palmsonntag mit einem doppelten Raketenschlag mindestens 34 Menschen und verletzte 117 weitere.
Putins Raketen töten deutlich mehr Ukrainer
Dass Russland seine Angriffe intensiviert hat, zeigen auch Zahlen der Vereinten Nationen: Demnach starben allein im März 164 ukrainische Zivilisten durch russische Angriffe, 910 wurden verletzt – ein Anstieg um 50 Prozent im Vergleich zum Vormonat und 71 Prozent mehr als im März vergangenen Jahres.
Während die US-Regierung bislang mit ihren Friedensbemühungen scheitert, versucht die ukrainische Armee wieder verstärkt, den russischen Raketenterror mit gezielten Fernangriffen auf Militäreinrichtungen einzudämmen. Der bislang spektakulärste Angriff dieses Jahres gelang den ukrainischen Streitkräften wohl am Dienstag mit einem Schlag gegen das 51. Arsenal der russischen Artillerie- und Raketenstreitkräfte (GRAU) etwa 60 Kilometer nordöstlich von Moskau nahe der Stadt Kirschatsch.
In dem Lager befanden sich vor allem Artilleriegranaten und Raketen. Bislang ist unklar, mit welchen Waffen der Angriff erfolgte und welchen Schaden er angerichtet hat – doch nach den Explosionen zu urteilen, dürfte er gewaltig sein:
Die Explosionen auf dem Gelände bei Kirschatsch waren laut Augenzeugen noch in 50 Kilometer Entfernung zu sehen. Aus Satellitendaten der US-Raumfahrtbehörde Nasa ging hervor, dass nach dem Angriff beinahe die gesamte Anlage in Flammen stand. Erst am folgenden Tag ebbten die Brände langsam ab. "So sieht es aus, wenn Hunderte oder gar Tausende ukrainische Leben gerettet werden", kommentierte ein Nutzer auf der Plattform Bluesky die Bilder von den Explosionen.
Ukrainer schlagen tief in Russland zu
Nach Angaben des Fachportals "Defense Express" ist das 51. GRAU-Arsenal mit einer Lagerkapazität von 264.000 Tonnen Sprengstoff nicht nur eines der größten seiner Art: "Es dient auch als Logistikzentrum für die Verteilung und Aufbereitung von Munition." Dem Portal zufolge dürfte sich der ukrainische Angriff ereignet haben, als gerade Munition von Zügen verladen wurde. Sollte sich das 51. GRAU-Arsenal erübrigt haben, hätte Russland diesseits des Uralgebirges noch acht solcher Munitionslager, so "Defense Express".
Am Mittwoch schlugen die ukrainischen Streitkräfte dann erneut tief im russischen Hinterland zu. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie mutmaßlich ukrainische Kamikazedrohnen auf die Sonderwirtschaftszone im russischen Jelabuga niedergehen – mehr als 1.000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt in der Republik Tatarstan.
Dort produziert Russland Kamikazedrohnen des iranischen Shahed-Typs, die Putins Truppen bei ihren Terrorangriffen zu Dutzenden abfeuern. 300 Stück davon werden nach ukrainischen Angaben täglich in Jelabuga produziert. Anfang April hatte die Ukraine die Anlage dort schon einmal angegriffen. Welchen Schaden der Angriff von Mittwoch verursacht hat, ist auch in diesem Fall noch unklar.
Kaum Veränderungen im Frontverlauf in der Ukraine
Unterdessen gehen auch an der 1.300 Kilometer langen Front das Töten und das Sterben weiter. Es vergeht kaum ein Tag, an dem der ukrainische Generalstab weniger als 1.000 getötete oder verwundete russische Soldaten meldet. Unabhängig überprüfen lassen sich die Zahlen zwar nicht, doch sie erscheinen auch im Lichte unabhängiger Recherchen realistisch. Zu eigenen Verlusten hat Kiew schon länger keine Angaben mehr gemacht, doch auch diese dürften beträchtlich sein. Nennenswerte Veränderungen im Frontverlauf hat es zuletzt trotz der andauernden Kämpfe allerdings nicht gegeben.
Die von Putin am Karsamstag ausgerufene Osterwaffenruhe – so sie überhaupt eingehalten wurde – haben seine Truppen laut ukrainischen Angaben vor allem dafür genutzt, sich neu zu gruppieren, Soldaten auszuwechseln und neue Vorräte an die Front zu schaffen. Dies könnten Vorbereitungen für die erwartete russische Frühjahrsoffensive gewesen sein, die bislang wohl noch nicht in vollem Umfang begonnen hat.
Die ukrainische Armee fürchtet, dass Russland mit frischen Kräften erneut in der Region Sumy im Nordosten des Landes einfallen könnte. Noch aber sind nicht alle ukrainischen Truppen aus der angrenzenden russischen Region Kursk vertrieben. Die ukrainische Präsenz in der Region hat bislang wohl einen größeren russischen Aufmarsch an der ukrainischen Grenze verhindert.
Hier könnte Russland im Frühjahr wieder angreifen
Ähnlich ist die taktische Situation für die ukrainischen Truppen etwas weiter südlich in der russischen Region Belgorod. Auch dort kämpfen seit einigen Wochen ukrainische Verbände kurz hinter der russischen Grenze und verhindern so einen größeren russischen Truppenaufmarsch, der die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw bedrohen würde. Nach jüngsten Angaben des Institute for the Study of War (ISW) hat Russland es bislang nicht geschafft, die Ukrainer aus Belgorod zu vertreiben und somit in Artilleriereichweite an Charkiw heranzukommen.
In der Ukraine selbst konzentriert Russland seine Angriffe weiterhin in der Region Donezk, die Putins Truppen bislang nicht vollständig erobern konnten. Schwerpunkt der Angriffe ist nach wie vor die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk, in der für die Ukraine wichtige Versorgungslinien zusammenlaufen. Seit Ende vergangenen Jahres greift Russland dort massiv an, bislang konnten die Ukrainer die Stadt aber halten. Auch Pokrowsk könnte zum Ziel der gefürchteten russischen Frühjahrsoffensive werden, da die vollständige Eroberung der Donbass-Region für Putin militärische Priorität hat.
- axios.com: Scoop: U.S. sending dozens of Patriot missiles from Israel to Ukraine
- pravda.com: Kombinierter Angriff: Russland startete 215 Raketen und Drohnen: Luftabwehr zerstörte 112 Ziele (ukrainisch)
- politico.eu: US military aid pause leaves Ukraine vulnerable to Russian air attack
- kyivindependent.com: Trump agrees to help Ukraine find available Patriot air defense systems in Europe, White House says
- bundesregierung.de: Diese Waffen und militärische Ausrüstung liefert Deutschland an die Ukraine
- news.un.org: March proves deadly month for civilians in Ukraine
- en.defence-ua.com: What Satellite Images Reveal About the Destruction of russia’s 51st GRAU Arsenal Near Moscow
- understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, April 22, 2025
- understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, April 23, 2025
- mod.gov.ua: Angaben des ukrainischen Generalstabs zu russischen Verlusten
- Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- Eigene Recherche