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Regierung: Wo bei Koalition von CDU/CSU und SPD noch Konflikt droht


Tagesanbruch
Jetzt doch alles ganz anders


Aktualisiert am 10.03.2025 - 07:10 UhrLesedauer: 5 Min.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (l.) und SPD-Chef Lars Klingbeil: Die Sondierungsergebnisse stoßen bei Ökonomen auf Kritik.Vergrößern des Bildes
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (l.) und SPD-Chef Lars Klingbeil: Die Sondierungsergebnisse stoßen bei Ökonomen auf Kritik. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wie schnell sich die Tonlage doch ändern kann. Erst vor wenigen Wochen war bei der Union noch von "linken und grünen Spinnern" die Rede; die SPD sah "das Tor zur Hölle" geöffnet, weil CDU und CSU gemeinsame Sache mit der AfD machten. Doch das scheint lange her zu sein. Damals, als noch Wahlkampf war.

Jetzt, zwei Wochen später, klingt alles ganz anders. "Es gibt keine Gewinner, keine Verlierer, aber mein Gefühl ist – neue Partner", sagte CSU-Chef Markus Söder, nachdem Union und SPD ihre Sondierungen am Wochenende erfolgreich abgeschlossen hatten. Das Vertrauen scheint wiederhergestellt zu sein. Zumindest ausreichend, um in dieser Woche Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Voraussichtlich am Donnerstag sollen die Arbeitsgruppen loslegen.

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Dass die Sondierungsgespräche so rasch und vergleichsweise geräuschlos abliefen, macht Hoffnung, dass es Schwarz-Rot ernst meint mit der "Verantwortungsgemeinschaft". Verantwortung angesichts der internationalen Herausforderungen, aber auch mit Blick auf die Probleme im eigenen Land. Sehr vieles muss jetzt anders werden – nicht zuletzt auch die Art, wie eine Bundesregierung intern miteinander umgeht. Sonst gehört die Zukunft den Populisten.

Die große Lehre aus den vergangenen drei Jahren lautet: Es ist Gift für ein Land, wenn sich die Regierung mit sich selbst beschäftigt. Wenn einmal gefasste Kompromisse kurz darauf schon wieder als hinfällig gelten. Wenn Gesetze unausgegoren sind, aber schon öffentlich diskutiert werden. Und wenn sich ein Kanzler beharrlich weigert, seine Koalition wirklich zu führen.

Das Kabinett ist keine Beschäftigungstherapie. Dafür sind die Zeiten zu ernst. Man kann von einer Regierung erwarten, dass sie Probleme löst. Am Schauspiel und gegenseitigen Gezanke mag die Boulevardpresse ein Interesse haben, im Sinne der Funktionsfähigkeit einer liberalen Demokratie ist das nicht.

Handlungsfähig hat sich die mutmaßlich nächste Bundesregierung bereits gezeigt. Noch vor Abschluss der Sondierungen hatte Schwarz-Rot verkündet, kräftig Schulden machen zu wollen: 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Bildung und nahezu unbegrenzt für Verteidigung – ein richtiges Signal an den angriffslustigen Kriegsverbrecher in Moskau. Am Wochenende ist man sich noch in weiteren Punkten einig geworden: etwa bei der Begrenzung der Migration, der Reform des Bürgergelds und der Senkung der Stromsteuer, um die Konjunktur zu stärken.

Perfekt ist all das natürlich nicht. Die Ausnahme von der Schuldenbremse für Rüstungsausgaben und das Sondervermögen für Infrastruktur sollen noch vom alten Bundestag beschlossen werden, weil dort die Mehrheitsverhältnisse günstiger sind als im künftigen Parlament. Ein Kniff, der wohl legitim ist, aber auch einen Beigeschmack hat.

Und selbst wenn er juristisch nicht zu beanstanden ist: Die nötige Zustimmung der Grünen im Bundestag muss sich der künftige CDU-Kanzler Friedrich Merz noch erarbeiten, wie mein Kollege Johannes Bebermeier berichtet. Dass Merz vorab kaum das direkte Gespräch mit den Grünen gesucht hat und CSU-Kollege Söder am politischen Aschermittwoch noch mal unnötig gegen sie austeilte, zeugt nicht gerade von Geschick. Mit dem Bundesrat wartet zudem eine weitere Hürde. Dort braucht die Union zusätzlich die Stimmen der Linken oder der Freien Wähler. Ebenfalls alles andere als ein Selbstläufer.

Auch rein inhaltlich lässt sich an den Sondierungsergebnissen viel aussetzen. Zwar sprach Merz am Samstag davon, dass im Bundeshaushalt "erheblicher Konsolidierungsbedarf" bestehe, im elfseitigen Sondierungspapier sucht man ambitionierte Bemühungen in der Richtung jedoch vergeblich. Ökonomen befürchten denn auch, dass dringend nötige Reformen erneut auf der Strecke bleiben, wenn nun wieder genug Geld da ist. Denn dann ist die Versuchung groß, den Wählern lieber nichts zuzumuten.

Beispiel Rente: Dringend nötig wäre eigentlich ein höheres Renteneintrittsalter. Stattdessen soll auf Druck der CSU die Mütterrente ausgeweitet werden – ein Milliardengeschenk, dessen Kosten wie bei der letzten Ausweitung vermutlich auch den Beitragszahlern der Rentenversicherung aufgebürdet werden. Dabei wäre es eigentlich Aufgabe der gesamten Gesellschaft, die Anerkennung von mehr Kindererziehungszeiten rein über Steuermittel zu finanzieren.

Manche Knackpunkte haben Union und SPD im Sondierungspapier gleich ganz ausgespart. So wird etwa das Heizungsgesetz gar nicht erwähnt, obwohl CDU und CSU in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm noch davon sprachen, es abschaffen zu wollen. Welche zentralen Themen noch unberührt blieben, haben die Kolleginnen und Kollegen aus dem Politikressort hier zusammengefasst.

Nun ist ein Sondierungspapier kein Koalitionsvertrag. Dass man sich in so kurzer Zeit überhaupt auf vieles einigen konnte, nimmt man nach dem ewigen Ampelstreit fast schon mit Erleichterung zur Kenntnis. Trotzdem ist die Gefahr groß, dass es in den nun anstehenden Verhandlungen doch noch einmal stärker knirscht. Das ist selbstverständlich in Ordnung, Reibung gehört in einer Demokratie dazu. Wenn aber auch der Koalitionsvertrag an vielen Stellen schwammig bleibt, haben wir ein Problem. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis es wieder knallt.


Was steht an?

Streik an 13 Flughäfen: Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten des öffentlichen Diensts und der Bodenverkehrsdienste aufgerufen, an diesem Montag die Arbeit niederzulegen. Der Streik hat um Mitternacht begonnen und soll bis 23.59 Uhr fortgesetzt werden. Betroffen sind die Flughäfen München, Stuttgart, Karlsruhe/Baden-Baden, Frankfurt/Main, Köln/Bonn, Düsseldorf, Dortmund, Weeze, Hannover, Bremen, Hamburg, Berlin-Brandenburg und Leipzig-Halle. Mehr dazu lesen Sie hier.


Warten auf das CDU-Votum: Die Parteivorstände von CSU und SPD haben schon zugestimmt, bis heute sollen auch die Gremien der CDU darüber entscheiden, ob Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. CDU-Präsidium und -Vorstand tagen dazu am Morgen. Am frühen Nachmittag sind zudem Statements aller drei möglichen Koalitionspartner anberaumt.


Änderung bei Perso und Reisepass: Wer ab dem 1. Mai ein Ausweisdokument beantragt, muss das Passfoto dafür digital vorlegen. Papier-Bilder dürfen dann von den Behörden nicht mehr angenommen werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser stellt die Details dazu vor.


Ohrenschmaus

Angesichts der Weltlage kann man leicht verzweifeln. Besser wird's aber nur wieder, wenn man auch dran glaubt. Daher hier ein kleiner Motivationsschub.

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Zum Schluss

Immer schön positiv bleiben.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Start in die Woche! Morgen schreibt meine Kollegin Heike Vowinkel für Sie.

Herzliche Grüße

Christine Holthoff
Finanzredakteurin
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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