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Grüne über Sondervermögen und Schuldenbremse: "Politischer Irrsinn"


Die Grünen und das Milliardenpaket
"Das wäre politischer Irrsinn"


Aktualisiert am 09.03.2025 - 13:42 UhrLesedauer: 4 Min.
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Franziska Brantner und Felix Banaszak kritisieren die mögliche schwarz-rote Koalition. (Quelle: reuters)
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Die Sondierungen von Union und SPD sind vorbei. Doch die Grünen geben sich beim Milliardenpaket weiter hartleibig. Lassen sie jetzt wirklich alles platzen?

Ihre Reaktion kommt prompt, und sie ist deutlich. Knapp zwei Stunden, nachdem Union und SPD am Samstag im Bundestag ankündigten, sich grundsätzlich einig zu sein und eine Regierung bilden zu wollen, treten gut einen Kilometer Luftlinie entfernt Franziska Brantner und Felix Banaszak vor die Grünen-Parteizentrale.

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"Kein Problem zu lösen, alles mit Geld zuzuschütten, die Wahlversprechen aneinanderzureihen und keinerlei strukturelle Reformen anzugehen – das ist Gift für unser Land", sagt Grünen-Chefin Brantner in die Mikros der Reporter. "Das hat uns heute ein Stück weiter weggebracht von einer Zustimmung." Damit es auch jeder versteht, ergänzt Grünen-Chef Banaszak: "Nichts von dem, was Union und SPD planen, ist ohne die Stimmen der Grünen in den nächsten zwei Wochen möglich umzusetzen."

Die Grünen, so ist das zu verstehen, wittern ihre Chance. Wenn sie einer nächsten Regierung schon nicht mehr angehören, wollen sie wenigstens jetzt so viel rausholen wie möglich. Und sie haben tatsächlich einen unverhofft guten Hebel. Doch wie weit gehen sie wirklich?

Das Dilemma von Schwarz und Rot

Union und SPD stecken in einem Dilemma. Sie liegen selbst inhaltlich so weit auseinander, dass sie schon wechselseitig schmerzhafte Kompromisse machen müssen. 500 Milliarden Euro Schulden für die Infrastruktur? Nicht nur der Junge-Union-Chef Johannes Winkel interpretierte das als "deutliche Niederlage für die Union". Die SPD wiederum hat nicht gerade davon geträumt, den Familiennachzug von Geflüchteten auszusetzen oder Asylbewerber an den Grenzen zurückzuweisen, selbst wenn unklar ist, inwieweit das "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" überhaupt möglich sein wird.

Und jetzt sollen sie auch noch die Grünen mitreden lassen, die gar nicht mitregieren?

Sie werden es wohl müssen. Denn wenn nicht, können sie womöglich gar nicht regieren. Das liegt auch daran, dass die Union nicht mit der Linkspartei verhandeln möchte und eine generelle Reform der Schuldenbremse weiterhin kritisch sieht. Die wäre wohl auch im neuen Bundestag möglich. Jedenfalls gehen kluge Grüne davon aus, dass sich die Linkspartei dem nicht verweigern könnte, und mit Grünen und Linken gäbe es eine Mehrheit.

Sie sind also ein Stück weit selbst schuld. Denn jetzt haben Union und SPD die Zweidrittelmehrheit für ihre Verteidigungs-Schuldenbremsenreform und das 500-Milliarden-Infrastruktur-Sondervermögen nur mit den Grünen sicher. Und die scheinen nach dem Ergebnis der Sondierungen umso mehr entschlossen zu sein, sich die Zustimmung vergolden zu lassen.

Das Dilemma der Grünen

Doch auch die Grünen stecken in einem Dilemma. Sie waren es ja, die schon 2021 mit der Forderung in den Wahlkampf gezogen waren, es brauche 50 Milliarden Euro im Jahr für Investitionen in die sozialökologische Transformation. In diesem Wahlkampf forderten sie den Deutschlandfonds, der sich zwar in Details von den Plänen von Union und SPD unterscheidet. Aber reicht das wirklich aus, um das Ganze guten Gewissens stoppen zu können, während Brücken bröckeln und Schienen weiter knarzen?

Bislang, so jedenfalls kolportieren es Grüne, sollen Union und SPD in den Gesprächen mit den Grünen-Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge zu keinen wirklichen Zugeständnissen bereit gewesen sein. Auch beim jüngsten Gespräch am Freitag nicht.

Dieses Argument aber könnte bald wegfallen. CDU-Chef und Wohl-bald-Kanzler Friedrich Merz nämlich signalisierte am Samstag, als er die Ergebnisse der Sondierungen verkündete, auf die Wünsche der Grünen eingehen zu wollen. Er habe Frau Haßelmann unmittelbar nach Ende der Sondierungsgespräche "eine Nachricht hinterlassen".

Man sei bereit, sagte Merz, "bei dem Verteidigungshaushalt auch weitere Maßnahmen mit einzubeziehen". Die Grünen bestehen zum Beispiel darauf, mit dem Geld auch Cyberabwehr und Zivilschutz zu finanzieren. Ebenso sei man offen dafür, "bei der Infrastruktur auch Klimaprojekte, Umweltprojekte zu berücksichtigen". Die zweite Hauptforderung der Grünen.

"Geschenke an Lobbygruppen"

Die Argumentation der Grünen verschiebt sich deshalb gerade. Betont wird nun angesichts der vielen Versprechen im Sondierungspapier ein Punkt, der vorher eher im Hintergrund stand: "Mütterrente, Pendlerpauschale, Mehrwertsteuer-Ausnahmen", schreibt Baden-Württembergs Grünen-Finanzminister und Realo Danyal Bayaz auf der Plattform X. "Ich frage mich, ob das geplante Sondervermögen nun für echte und zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur sein soll – oder dieser Koalition eine Geschäftsgrundlage für ihr Wünsch-Dir-Was geben soll."

Noch deutlicher wird der erfahrene Parteilinke Michael Kellner: "Das Sondierungspapier strotzt von Geschenken an Lobbygruppen", sagt er t-online. "Union und SPD dafür die finanziellen Spielräume zu geben, ohne substanziell was für den Klimaschutz zu bekommen, hielte ich für politischen Irrsinn." Friedrich Merz müsse liefern, wenn er die Unterstützung der Grünen haben wolle.

Die 500 Milliarden Euro, beklagt die linke Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer auf der Plattform BlueSky, würden nicht als "zusätzliche" Investitionsmittel ausgewiesen. Also könnten sie auch einfach die normalen Investitionen im Haushalt ersetzen, sodass das Sondervermögen "ein Verschiebebahnhof für neue Steuersenkungen" würde.

Wie weit die Grünen ihren Hebel nun nutzen, ist wohl noch offen. Es gibt linke Grüne, die jetzt bereit sind, das Ganze scheitern zu lassen. Obwohl einige von ihnen bisher zwar dafür waren, den Preis für die Zustimmung hochzutreiben, am Ende aber trotzdem zustimmen wollten. Ihr Argument lautet: Die dringend nötigen Ausgaben für die Ukraine und die Verteidigung können Union und SPD im Notfall auch ohne uns machen, indem sie endlich die 3 Milliarden Euro freigeben und die Notlage ziehen.

Andere Grüne vor allem am Realo-Flügel wiederum sprechen sich nun dafür aus, das Paket aufzuteilen und die Schuldenbremsenreform für Verteidigung mitzutragen, das Infrastruktur-Sondervermögen aber erst mal nicht. Ob Union und SPD das so aber überhaupt mitmachen? Unklar.

"Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", sagt Grünen-Chefin Franziska Brantner, als sie am Samstag vor der Grünen-Parteizentrale steht. "Aber bis jetzt sehen wir noch keinen Willen." Weiterverhandeln, auch das macht sie klar, wollen die Grünen aber auf jeden Fall.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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