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Donald Trump, die AfD: Da kommt was auf uns zu – doch es gibt ein Mittel


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Tagesanbruch
Gegen Donald Trump und die AfD gibt es ein Mittel

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 28.06.2024Lesedauer: 7 Min.
Viele Anhänger sehen in Donald Trump einen Kämpfer gegen das politische Establishment.Vergrößern des Bildes
Viele Anhänger sehen in Donald Trump einen Kämpfer gegen das politische Establishment. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

7.500 Kilometer liegen zwischen Atlanta und Berlin. Was in der Hauptstadt des amerikanischen Ostküstenstaates Georgia geschieht, interessiert hierzulande normalerweise allenfalls Base- und Footballfans. Anders in diesen Stunden: Im Studio des Fernsehsenders CNN haben sich US-Präsident Joe Biden und sein Herausforderer Donald Trump bei ihrem ersten TV-Duell im diesjährigen Wahlkampf gemessen. Dabei hat Biden eine Niederlage eingesteckt, die mit dem Wort "krachend" noch beschönigend umschrieben wäre: Der 81-Jährige verhaspelte sich, wirkte orientierungs- und kraftlos.

Dieser Greis soll die einzige Hoffnung auf die Verteidigung der Demokratie in Amerika sein? "Es ist entsetzlich", zitiert unser Korrespondent Bastian Brauns Anhänger des Präsidenten. Er hat die anderthalbstündige Debatte ebenso verfolgt wie unsere Nachtredaktionschefin Anna-Lena Janzen und ihr Team sowie Außenpolitikredakteur Patrick Diekmann. Sie haben in die Tasten gegriffen, um Ihnen heute Morgen alles Wissenswerte zu servieren:

Wer ab Januar 2025 im Weißen Haus sitzt, ist nicht nur wichtig für 333 Millionen Amerikaner, sondern auch für 450 Millionen EU-Bürger, darunter 83 Millionen Deutsche. Wer die mächtigste Wirtschaftsnation und die gewaltigste Militärmaschine der Welt anführt, kann rund um den Globus seinen Willen durchsetzen. Was den wohlstandsverwöhnten und etwas bequem gewordenen Deutschen im Falle eines Trump-Wahlsiegs drohen könnte, ist hinlänglich beschrieben worden und soll hier heute Morgen nicht wiederholt werden.

Stattdessen treibt mich eine andere Frage um: Wie kommt es, dass so viele Menschen sich von den etablierten politischen Kräften abwenden und meinen, ein Knallfrosch mit Logorrhöe könne ihr Leben verbessern? Im Hinblick auf die USA ist dazu ebenfalls schon eine Menge publiziert worden, können Sie alles in unseren Tagesanbrüchen und Podcasts nachlesen und -hören. Aber die Faszination für Systemsprenger haben die Amis ja nicht exklusiv. Auch hierzulande haben viele Menschen die Nase gestrichen voll von den etablierten Parteien und Politikern, wie die Europawahl gezeigt hat. Auch darüber ist viel geschrieben worden: die multiplen Krisenerfahrungen, gesellschaftliche Spaltung, medialer Alarmismus und so weiter. Aber dass sich so viele Menschen in einer Demokratie, die doch vom Mitmachen lebt, vom Staat und seinen Repräsentanten abwenden, das konnte ich mir bis vorgestern Abend nicht recht erklären.

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Da traf ich einen lieben Freund aus Sachsen. Er tickt wie ich, er teilt meinen Humor und viele meiner Meinungen, aber er macht ganz andere Alltagserfahrungen als ich. Seine Antwort auf meine Frage war kurz (und ich bitte die Ausdrucksweise zu entschuldigen): Viele Leute fühlen sich verarscht. Die sind nicht rechtsradikal oder sonst wie behämmert, aber sie haben den Eindruck, dass sich ihr Heimatland seit Jahren in die falsche Richtung entwickelt und sie dabei unter die Räder kommen.

Vereinfacht gesagt sehen diese Menschen die gegenwärtige Lage so: Im Berliner Regierungsviertel schmieden Politiker große Pläne, die sie per Gesetz durchsetzen – aber vergessen dabei, alle Bürger zu berücksichtigen und mitzunehmen. Mal ist es die Entscheidung, Hunderttausende Flüchtlinge ins Land zu lassen, mal die anfängliche Idee, fürs Klima alte Heizungen auszubauen. Mal schütten sie Steuermilliarden an Leute aus, die nicht arbeiten können (oder wollen), nennen das Bürgergeld und übersehen dabei einen Knackpunkt: Hart arbeitende Menschen, die all das Steuergeld erwirtschaften, finden es befremdlich, dass viele der Alimentierten kaum weniger komfortabel leben als sie selbst – vom Urlaub übers Auto bis zum schicken Smartphone.

Dann der Krieg in der Ukraine: Da scheinen manche Spitzenpolitiker bei ihrer Forderung nach immer mehr Waffen und einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht zu vergessen, dass sich viele Mütter und Väter ernsthaft um ihre Söhne sorgen, die – wer kann das in diesen Zeiten schon ausschließen? – im Falle einer Eskalation womöglich in den Krieg ziehen müssten. Wer so denkt, dem kann es durchaus sauer aufstoßen, wenn der Talkshow-Stratege Toni Hofreiter oder der kinderlose Bundeskanzler der Ukraine "bedingungslose Unterstützung" versprechen. Während im Übrigen mehr als 250.000 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter in Deutschland leben, statt in ihrer Heimat zu kämpfen.

"Die Leute sehen diese Widersprüche", sagte mein Freund. "Umso mehr empfinden sie die Politiker als abgehoben und fühlen sich nicht mitgenommen. Dabei lernt man das doch in jedem Management-Seminar: Bei einem Change-Prozess muss man alle Beteiligten integrieren, wenn er erfolgreich sein soll. Und was sind denn Klima-, Ukraine- und Migrationspolitik, wenn nicht riesige Change-Prozesse?"

Ich nahm einen Schluck von meinem Bier und nickte. Stimmt schon, in außergewöhnlichen Zeiten braucht es mehr als 08/15-Kommunikation. Da reicht es nicht, sich zu Lanz und Maischberger zu setzen oder Phrasen abzusondern, die keiner so recht versteht. "Wobei, die Ampel hat doch Bürgerräte initiiert," fiel mir ein, "und der Scholz macht regelmäßig Bürgergespräche!" Mein Freund lachte, und auch ich kam ins Grübeln: Wie viele Leute erreichen sie damit, ein paar hundert? Selbst wenn es ein paar tausend wären, sind es immer noch zu wenige. Jedenfalls nicht genug, wenn sich vielerorts noch nicht einmal mehr SPD-Mitglieder zu ihrem Kanzler bekennen wollen.

Dieses Gespräch im Kopf, stieß ich gestern auf eine Studie. "Zukunft, Demokratie, Miteinander" heißt sie und versucht ebenfalls zu erklären, warum so viele Bürger sich in der gegenwärtigen Krisenzeit abgehängt fühlen. Darin stehen bemerkenswerte Sätze, die ich mir zu zitieren erlaube:

"Es ist plausibel, dass derzeit Rechtspopulisten die negative gesellschaftliche Lage für sich nutzen können, indem sie an breit geteilte Empfindungen von Ungerechtigkeit, Nicht-Gehört-Werden und politischer Stagnation anknüpfen. Wo der Missmut in der Breite wächst, wächst im Schlepptau auch die potenzielle Zahl derer, die sich offen zu den Rechtspopulisten bekennen."

Und weiter: "Wichtig ist deshalb, dass die relevanten Akteure in Politik, Zivilgesellschaft und Medien möglichst nuanciert wissen, wer in der Bevölkerung da gerade zur Unterstützung der AfD neigt – und aus welchen Motiven heraus. Um es offen zu sagen: Ein pauschales Urteil über diese Menschen ist nicht hilfreich für das Entwickeln effektiver Gegenstrategien. (…) Die Wütenden stellen mit 41 Prozent AfD-Wahlabsicht ganz eindeutig den 'harten Kern' der AfD-Unterstützung. Die mit der Politik unzufriedenen Enttäuschten (26 Prozent) und die politisch wenig gefestigten Pragmatischen (17 Prozent) folgen in erkennbarem Abstand."

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Und dann: "Für die Wütenden charakteristisch ist ihr konsistent nationalistisches Weltbild. Dieses liegt bei Enttäuschten und Pragmatischen in dieser Form nicht vor: Ein etwaiger Fokus auf nationale Identität ist bei ihnen im Vergleich deutlich geringer ausgeprägt. Vielmehr dominieren Gefühle der Desorientierung und vor allem des Misstrauens, der Bezugslosigkeit gegenüber politischen Institutionen. Gerade bei den Enttäuschten kommen massive soziale Sorgen hinzu, die in der Tat mit Abwehrreflexen nach außen einhergehen."

Etwas hochgestochen kommt derlei Studiensprache ja schon daher, aber mir haben diese Sätze eingeleuchtet. Vielleicht ist es so: Rechtsextremisten und den harten Kern der AfD, also die Wütenden, wird man wohl nicht bekehren können. Aber die Enttäuschten und Pragmatischen, die kann man doch für das gedeihliche Miteinander zurückgewinnen! Schaue ich mir an, was gerade in Frankreich passiert, meine ich sogar: Eigentlich gibt es gerade keine wichtigere Aufgabe für Politiker in Berlin, als genau das zu versuchen.


Bunt gegen blau

Apropos AfD: Während gegen ihren Europa-Politiker Petr Bystron wegen des Verdachts der Geldwäsche und Bestechlichkeit ermittelt wird, bereitet die Partei ihren Bundesparteitag in Essen vor. Der Konvent in der Grugahalle, auf dem sich die Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel wiederwählen lassen wollen, beginnt zwar erst morgen, löst aber schon im Vorfeld Proteste aus. Die Messe hat auf dem Gelände Regenbogen- und EU-Fahnen gehisst. Die Ruhrbahn hat eine Haltestelle umbenannt, und für heute Abend ist eine Musik-Demo unter dem Motto "Bass gegen Hass" geplant, wie unsere Essen-Korrespondentin Judith Malter berichtet. Dafür, dass es am Wochenende auch in der Halle laut wird, könnte die innerparteiliche Kontroverse um die Rolle des abgehalfterten Europakandidaten Maximilian Krah sorgen: Der aus der AfD-Delegation im Europaparlament geworfene Skandalpolitiker arbeitet an seinem Comeback und hat an der Parteibasis viele Fans.


Keine Wahl im Iran

Weil der bisherige Präsident Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, sind heute 61 Millionen Iraner zur Wahl eines Nachfolgers aufgerufen. Eine wirkliche Wahl haben sie aber nicht: Die sechs Kandidaten wurden durch den fundamentalistischen Wächterrat bestimmt, und bei wichtigen Fragen entscheidet ohnehin Diktator Ajatollah Ali Chamenei, der sich mithilfe der Revolutionsgarden seit 35 Jahren an der Macht hält. In Person des Abgeordneten Massud Peseschkian darf zwar auch ein Reformer antreten, aber das ist nur dem Bemühen des Regimes zuzuschreiben, die chronisch niedrige Wahlbeteiligung zu steigern, um sich den Anschein demokratischer Legitimierung zu verleihen. Die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi hat dazu aufgerufen, die Scheinwahl zu boykottieren.


Ohrenschmaus

Ich bin voller Vorfreude: Am Sonntagabend kommt Thievery Corporation nach Berlin! Mittlerweile sind aus den Washingtoner Jungs gesetzte Herren geworden, aber ihre Musik ist immer noch famos.


Lesetipps

Schmiergeld, Desinformation, Hetzkampagnen: Hybride Angriffe auf den Westen spielen für die Justiz in Deutschland oft nicht einmal eine Rolle. Eine mutige Frau will das jetzt ändern, berichten unsere Rechercheure Lars Wienand und Jonas Mueller-Töwe.


Neun Milliarden Euro: ARD, ZDF und Co. haben so viel Gebührengeld eingenommen wie nie zuvor. Bei der Aufregung darüber gibt es jedoch ein Problem, schreibt mein Kollege Steven Sowa.


Der Chef einer insolventen Firma prangert die Ampelregierung an. Absurd findet das mein Kollege Florian Schmidt.



Zum Schluss

Fußballdeutschland braucht Beschäftigung.

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Tag. Morgen ist der CDU-Politiker Philipp Amthor in unserem Podcast zu Gast.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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