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Israel: Der Nahost-Konflikt auf deutschen Straßen – Das ist zu tun


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Tagesanbruch
Die Grenze der Meinungsfreiheit

MeinungVon Heike Vowinkel

Aktualisiert am 11.10.2023Lesedauer: 6 Min.
Pro-palästinensische Demonstranten protestieren 2017 in Berlin-Neukölln gegen die Entscheidung der USA, die Stadt Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Pro-palästinensische Demonstranten protestieren 2017 in Berlin-Neukölln gegen die Entscheidung der USA, die Stadt Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen (Archivbild). (Quelle: snapshot-photography/F.Boillot)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

der Mensch ist ein vergessliches, verdrängendes Wesen. Überlebensnotwendig ist das, sonst wäre unser Gehirn, wären wir vor lauter Informationen und Emotionen handlungsunfähig. Was uns nicht direkt und unmittelbar betrifft, hat es schwer, im Gedächtnis zu bleiben, und noch schwerer, uns zum Handeln zu bewegen.

Daran musste ich denken, als ich die Bilder von pro-palästinensischen Kundgebungen in Berlin-Neukölln und in Duisburg in den Nachrichten sah. Menschen eingehüllt in palästinensische Fahnen, Männer, die jubeln und Süßigkeiten namens Baklava verteilen, Frauen, die "Gerechtigkeit" oder "Freiheit für Palästina" brüllen. Es sind Bilder, die regelmäßig über die Mattscheibe flimmern, wann immer im Nahen Osten ein Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ausbricht. Und doch blieben sie nie wirklich haften, weil sie vermeintlich nichts mit uns zu tun haben.

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Diesmal ist etwas anders. Der Terror gegen Israel ist derart grausam und menschenverachtend, dass der Aufschrei, der nach solchen Kundgebungen in Deutschland in der Vergangenheit reflexhaft erschallte, jetzt nicht verhallen darf. Denn diese Bilder erinnern uns an etwas, das wir nur zu gern vergessen und verdrängen:

Der Nahost-Konflikt ist nebenan, er findet auch bei uns statt: Längst ist er auf deutschen Straßen, in deutschen Klassenzimmern angekommen. Dem müssen wir uns endlich stellen – und handeln.

Es ist daher richtig, dass nun eine Debatte darüber begonnen hat, wie sich solche Kundgebungen verhindern lassen. Ja, die Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter in unserem Land. Vieles, und sei es noch so dumm oder irre, darf öffentlich geäußert und gefordert werden. Es ist auch ein legitimes Anliegen, wenn Palästinenser eine Perspektive fordern jenseits dieses "Freiluftgefängnisses", das sich Gaza nennt, wie Florian Harms es am Dienstag hier treffend formulierte. Nur: Es gibt eine Grenze der Meinungsfreiheit und die ist bei Terrorverherrlichung überschritten. Nicht umsonst gibt es den Straftatbestand "Billigung von Straftaten". Er sollte viel häufiger und dann auch konsequenter angewandt werden, nach einer Anzeige wie jetzt im Fall der Baklava-Verteiler in Neukölln muss schnell ein Verfahren mit entsprechender Strafe folgen. Bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe sind dafür möglich.

Auch pro-palästinensische Kundgebungen, die erkennbar darauf abzielen, Hass und Hetze zu verbreiten, lassen sich schon jetzt verbieten. Berlin hat es vorgemacht und im vergangenen Jahr die Demonstration zum sogenannten Al-Quds-Tag untersagt – an jenem 15. Mai erinnern die Palästinenser an ihre Vertreibung im Jahr 1948 aus dem ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina.

Verbieten lassen sich auch israelfeindliche Vereine. Die Grenzen hierfür sind eng, doch wenn ihre Satzung und die Arbeit darauf abzielen, gegen Gesetze zu verstoßen oder sie der Völkerverständigung zuwiderlaufen, ist auch das möglich. Schwieriger wird es, wenn es um die Abschiebung von Palästinensern ohne deutschen Pass geht, die wegen Verherrlichung von Terror und Billigung von Straftaten verurteilt sind. Möglich ist das. Voraussetzung ist: Der Herkunftsstaat nimmt diese Person auch auf. Doch im Fall der palästinensischen Gebiete oder des Libanon ist das extrem schwierig.

Zudem: Alles, was jetzt diskutiert wird, behandelt Symptome, nicht die Ursachen. Es hilft, Gräueltaten feiernde Menschen aus dem Straßenbild zu entfernen, vermutlich dient es auch der Abschreckung. In jedem Fall ist es richtig, unmissverständlich klarzumachen, dass die Ächtung von Antisemitismus und Israelfeindlichkeit in Deutschland nicht verhandelbar sind. Das gehört zur deutschen DNA.

Nur: Es wird den Hass auf Israel nicht aus den Köpfen und Herzen der Menschen holen. Im Zweifelsfall wird es vielleicht sogar zu ihrer Radikalisierung beitragen. Darum müssen wir nach Wegen suchen, dass nicht noch mehr Menschen mit diesem Hass infiziert werden.

Gefragt sind dabei alle: Wir brauchen endlich Imame und Islamverbände, die nicht relativieren, wie es auch jetzt wieder zu viele taten. So erklärte der Vorsitzende des Islam-Verbandes IGMG (İslam Toplumu Millî Görüş), Kemal Ergün, auf X (vormals Twitter) den Hamas-Terror mit "Angriffen von Siedlern" in den letzten Monaten. Der Zentralrat der Muslime gab ein ähnlich relativierendes Statement ab.

Dabei gibt es auch andere, etwa die Türkische Gemeinde in Deutschland. Die verurteilte "die antisemitische Gewalt, den Terror und die unzähligen Misshandlungen an so vielen unschuldigen Menschen" klar und deutlich und erklärte die Jubelstimmung mancherorts für "absolut inakzeptabel". Doch diese Stimmen scheinen in der Minderzahl zu sein.

Wir dürfen aber auch nicht, wie es im Haushalt aktuell vorgesehen ist, bei den Integrationsprogrammen für Flüchtlinge sparen. Rund ein Drittel weniger Geld ist dafür im kommenden Jahr vorgesehen. Denn die Programme sind nicht nur wichtig, damit diese Menschen die deutsche Sprache lernen. Sie sind auch entscheidend dafür, dass sie die Grundwerte unserer Gesellschaft verstehen und respektieren: Allem voran unser historisches Erbe und unser besonderes Verhältnis zu Israel, das daraus resultiert.

Das größte Augenmerk müssen wir aber auf unsere Schulen legen. Der deutsche Nationalsozialismus steht dort zwar auf dem Lehrplan, nicht aber der Nahost-Konflikt. Das muss sich ändern, um junge Menschen gegen jegliche Form von Antisemitismus aufzuklären. Es gibt nicht nur den immer noch im Rest der deutschen Gesellschaft weitverbreiteten Judenhass, worauf der Büroleiter des American Jewish Committee (AJC) in Berlin im Gespräch mit meinem Kollegen Tom Schmidtgen hinweist. Sondern auch den, der sich auf den Nahost-Konflikt beruft.

Lehrer müssen deshalb darin geschult werden, dieses komplexe Thema kind- und jugendgerecht zu vermitteln, wie es der deutsch-israelische Psychologe Ahmad Mansour fordert. Genauso wichtig, sagt er, sei es, dass Lehrer Medienkompetenz vermitteln. Denn: Antiisraelische Stereotype prasseln längst nicht mehr nur durch arabische oder türkische TV-Kanäle auf sie ein. Ein noch größeres Problem sind TikTok und Co, wo Hetze, Hass-Propaganda und Fake News von Anhängern der Hamas verbreitet werden.

Es gibt viel zu tun. Deshalb sollten wir nicht wieder in alte Muster verfallen, nach einem Aufschrei der Empörung, verdrängen und vergessen.

Das Gedächtnis ist dafür da, um aus Erfahrung zu lernen, weiß die Neurowissenschaft. Wir sollten endlich damit anfangen.


Was steht an?

Um den Umgang mit unserer Geschichte, genauer um den des Bundespräsidialamts mit der NS-Zeit, geht es am Mittwoch ebendort. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stellt zusammen mit dem Jenaer Historiker Norbert Frei am Vormittag eine Untersuchung vor, in der es um Steinmeiers Amtsvorgänger und ihre Mitarbeiter geht.

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Spannend wird es in Washington. Dort werden die Republikaner ihren Kandidaten für den Vorsitz im US-Repräsentantenhaus, auch Sprecher genannt, bestimmen. Das ist zurzeit handlungsunfähig, nachdem eine kleine Gruppe erzkonservativer Abgeordneter in einem internen Machtkampf den bisherigen Vorsitzenden, Kevin McCarthy, stürzte.


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Innerhalb weniger Sekunden zerbarst im vergangenen Dezember in Berlin das wohl größte zylindrische Aquarium der Welt, der 16 Meter hohe Aquadom. Mehr als eine Million Liter Wasser strömten mitsamt 1.500 Fischen in die Innenstadt. Am Mittwoch wird nun ein Gutachten vorgestellt, das untersucht hat, wie es dazu kommen konnte.


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Ohrenschmaus

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Was mich amüsiert

Klimawende beim Boulevard: Monatelang arbeitete sich die "Bild"-Zeitung an Robert Habecks "Heizhammer" ab. Inzwischen vermarktet sie die "Volks-Wärmepumpe".

Kommen Sie gut durch den Tag! Morgen schreibt an dieser Stelle mein Kollege Tim Kummert für Sie.

Herzliche Grüße

Ihre

Heike Vowinkel
Textchefin
Twitter: @HVowinkel

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Mit Material von dpa.

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