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Urlaub: Zugreisen durch Europa – Nicht nur die DB hat ein Problem


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Tagesanbruch
Folgende Anschlüsse werden leider nie mehr erreicht

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 07.07.2023Lesedauer: 6 Min.
Am Hamburger Bahnhof fielen Anfang der Woche mal wieder zahlreiche Züge aus.Vergrößern des Bildes
Am Hamburger Bahnhof fielen Anfang der Woche mal wieder zahlreiche Züge aus. (Quelle: t-online)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist Urlaubszeit. Auch für die Leserinnen und Leser des Tagesanbruchs, die sich in diesem Jahr mit Tod und Teufel, Krieg und Krisen herumgeschlagen haben, ist irgendwann die wohlverdiente Erholung dran. Nämlich heute. Ich nehme Sie mit: Wir machen eine Reise durch Europa! Selbstverständlich bleiben wir auch im Urlaub auf der Höhe der Zeit und reisen umweltfreundlich, also mit der Eisenbahn. Super Idee, nicht wahr? Und wir müssen dafür nicht einmal einsteigen. Denn man kann Europa per Bahn sehr gut kennenlernen, selbst wenn man nur das Kursbuch studiert.

Auf unserem Kontinent hat man ganz schön lange Strecken zurückzulegen, also wollen wir nicht tagelang aus dem Fenster starren, sondern es uns möglichst bequem gestalten. Begeben wir uns also schnurstracks zu einem angenehmen Nachtzug, aus dem hohen Norden Deutschlands zum Beispiel nach Wien. Jedenfalls nicht nach Paris, denn die nächtliche Verbindung wurde 2014 abgeschafft, was damals irgendwem irgendwie sinnvoll erschien, war wohl unwirtschaftlich oder so. Ich verstehe das, denn den Klimawandel gab es damals ja noch nicht und ... Moment, okay, es gab ihn. Nun gut. Dann war die Streichung damals wohl auch schon nicht so schlau.

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Jetzt jedenfalls sollen jede Menge Nachtzuglinien wiederbelebt oder neu eröffnet werden, da wollen wir applaudieren. Monatelang, wenn es sein muss. So wie im vergangenen Jahr bei der feierlichen Eröffnung der Strecke von Hamburg nach Stockholm. Das war ein Fest! Da wurde gefeiert! Ein bisschen ungünstig war nur, dass der Nachtzug keine Schlafwagen hatte – ein klitzekleines Problemchen bei der Beschaffung, Sie verstehen schon, kann ja immer mal passieren. Als die Dinger endlich da waren, mussten aber nicht nur die Schweden, sondern auch die Deutschen und die Dänen die Angelegenheit erst mal prüfen – und zwar höchst gründlich und vor allem unabhängig voneinander, also drei Mal insgesamt. Monatelang. Denn wer weiß schon, ob die beschafften Schlafwagen, die zuvor in anderen europäischen Ländern auf der Schiene unterwegs waren, unerwarteterweise auf den identischen nordischen Schienen tatsächlich ebenfalls rollen können. (Spoiler: Sie können.)

Ein Stückchen Europa haben wir an dieser Stelle schon kennengelernt: Bürokratie, die verbindet. Die Verwaltungen überbieten sich bei der zulassungsbedingten Unterlagensichtungsgenauigkeit in einem neckischen Wettbewerb. Und auch die Reisenden rollen vereint – zwar nicht auf den Schienen, aber immerhin mit den Augen. Die Früchte der Planung reifen eben langsam, auch auf anderen Strecken. Eigentlich wollten wir ja in den Nachtzug nach Wien einsteigen. Wir reisen aber doch besser tagsüber, denn bei der Kalkulation der erwarteten Nachfrage hat sich ein Eisenbahner auf dem Taschenrechner leider vertippt: Der Nachtzug ist meistens Wochen oder Monate im Voraus ausgebucht – es sei denn, man verzichtet auf die Liege und begnügt sich mit einem Sitzplatz. Das hält jung und kommt der Erfahrung des Schlafens auf einer Parkbank in interessanter Weise nahe.

Aber es ist Sommer, wir wollen in die Sonne. Fahren wir also weiter in den Süden, nach Zagreb ins schöne Kroatien. Und von dort vielleicht nach Sarajewo, nebenan in Bosnien? Die Schienen wären jedenfalls vorhanden, Züge auch; die Bosnischen Bahnen haben sogar eigens neue angeschafft. Allerdings haben sie sich außerdem mit den kroatischen Kollegen verkracht. Um es den jeweils anderen mal so richtig zu zeigen, fährt jetzt seit sechs Jahren gar kein Zug.

"Das können wir auch!", haben sich die Eisenbahner in Serbien und Rumänien gedacht, die streiten sich nämlich ebenfalls, und deshalb fährt in diesem Fall kein Zug von Belgrad nach Bukarest. Das heißt, eigentlich rollen die Wagen schon, nur bleibt der serbische Zug an der Umsteigehaltestelle stehen und der rumänische Zug auch, was kein Problem wäre, wenn es sich dabei um denselben Bahnhof handeln würde und nicht um zwei verschiedene, die 20 Kilometer auseinanderliegen. Klar, man kann sich über alles einigen. Muss man aber nicht.

Bahnfahren bildet. Auf der Schiene merkt man, wo es hapert bei der Verständigung – mal auf dem Balkan, mal bei den Briten: Im Lande seiner Majestät finden wir uns auf einem proppenvollen Bahnsteig wieder, zusammen mit vielen, vielen anderen Mitreisenden. Die tippen hektisch in der Fahrplan-App auf ihrem Handy herum oder starren auf die großen Anzeigetafeln mit den Zugnummern und dem ergänzenden Hinweis: "gestrichen". Im Sommer hat der Arbeitskampf der Gewerkschaften begonnen. In dem des vergangenen Jahres. Ende nicht in Sicht.

Zeige mir deine Bahn, und ich sage dir, wer du bist: Die Eidgenossen machen dem Klischee vom präzisen Schweizer Uhrwerk alle Ehre und lassen ihre Züge so pünktlich durch die Berge fahren, dass man als geplagter Deutscher dort nur zum Spaß hin- und herfahren möchte – möglichst per Umsteigeverbindung mit knappen Anschlüssen, vor lauter Freude, dass so was wirklich geht. Schön für die Schweizer, aber wer sind dann eigentlich wir?

Aus den Lautsprechern dröhnen ein paar Tipps: Auch unser Land hat einiges zu bieten. Bei der Einfahrt des Zuges ist das Feuerwerk der "umgekehrten Wagenreihung" jedes Mal wieder ein Erlebnis. An Bord erwartet uns ein umfangreiches Angebot: an Gründen für die Verspätung, das Bistro ist gerade ja zu.

Was sagt das über uns? Bewundert man uns als durchtrainierte Sprinter ("... heute abweichend auf Gleis 26") oder für unsere Gabe der Improvisation ("Folgende Anschlüsse werden leider nicht erreicht: ...")? Ich glaube, nichts von alledem. Irgendwann versteht man es. Vielleicht nach der fünfstündigen Verspätung in Schweden. Oder wenn man im Baltikum den Bus nimmt – weil die tolle neue Hochgeschwindigkeitstrasse, die dort 2001 beschlossen wurde und vor acht Jahren fertig sein sollte, nach letztem Stand für 2030 angekündigt ist.

Wir merken nämlich plötzlich: Unser Land ist ganz normal. Die Zugreisenden Deutschlands sind Teil der großen europäischen Familie, die sich Tag für Tag auf den Bahnsteigen versammelt und weiß, dass sie ankommen wird. Ist das nicht schön? Wir haben bloß keine Ahnung, wann.


Mit dem Kopf durch die Wand

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Das Heizungsgesetz wird heute nach der Intervention des Bundesverfassungsgerichts also nicht verabschiedet: Nun wollen die Ampelkoalitionäre es erst nach der Sommerpause Anfang September durchs Parlament bringen. Eine umkämpfte Entscheidung steht aber dennoch auf der Tagesordnung des Bundestags: Am Vormittag soll über den beschleunigten Bau von Flüssiggas-Terminals abgestimmt werden, insbesondere am Standort Mukran auf Rügen.

Und das ist dort geplant: Um den Wegfall der russischen Gaslieferungen zu kompensieren, will die Bundesregierung eine Anlegestation für Regasifizierungsschiffe direkt vor der Küste des Ostseebades Sellin errichten lassen – mitsamt einer 50 Kilometer langen Pipeline durch den ökologisch sensiblen Greifswalder Bodden nach Lubmin. Das treibt (nicht nur) die Insulaner auf die Barrikaden – und auch nicht nur, weil sie um die Natur und den Tourismus fürchten. Ähnlich wie beim Heizungsgesetz ist es auch hier das brachiale Durchdrück-Verfahren der Ampelleute, das die Menschen verstört. Ganz abgesehen davon, dass Wissenschaftler wie Christian von Hirschhausen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die Bedarfsplanung für überholt halten. Trotzdem soll das Gesetz heute auch noch schnell den Bundesrat passieren. SPD, Grüne und FDP sind drauf und dran, auch noch die letzten Sympathisanten ihrer Politik zu verprellen.


Ohrenschmaus

Ach ja, der Hafen: Er kann so schön sein.


Brokstedt-Morde vor Gericht

Der Fall sorgte Ende Januar für Entsetzen: In einem Regionalzug zwischen Kiel und Hamburg wurden zwei Jugendliche ermordet und fünf weitere Menschen schwer verletzt. Fünfeinhalb Monate später beginnt heute vor dem Landgericht Itzehoe der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter: Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den 34-jährigen Ibrahim A., seine Opfer heimtückisch aus niedrigen Beweggründen angegriffen zu haben. Der staatenlose Palästinenser war als Asylbewerber abgelehnt worden, lebte aber unter subsidiärem Schutz weiter in Deutschland. Obwohl er schon früher als gewalttätig aufgefallen war, zogen die Ausländerbehörden und Polizeidienststellen mehrerer Bundesländer keine harten Konsequenzen. Darum geht es zwar nicht vor Gericht, wohl aber in der begleitenden Berichterstattung: Dieses Verbrechen ist auch ein Fall von Behördenversagen.


Das historische Bild

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Zum Schluss

Was da wieder los ist in Berlin!

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Freitag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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