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Der Kampf gegen die Corona-Krise: Mehr Druck auf Ungeimpfte – es reicht jetzt!


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Tagesanbruch
Es reicht jetzt wirklich!

MeinungVon Sven Böll

Aktualisiert am 29.10.2021Lesedauer: 7 Min.
Die Mehrheit der Bevölkerung muss ein deutliches Signal senden: Demonstration von Impfgegnern.Vergrößern des Bildes
Demonstration von Impfgegnern: Die Mehrheit der Bevölkerung muss ein deutliches Signal senden. (Quelle: imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

vor einem Jahr begann in Deutschland die bislang traurigste Phase der Corona-Pandemie. Am 28. Oktober 2020 beschlossen Kanzlerin und Ministerpräsidenten das, was sie Wellenbrecher-Shutdown nannten: Nur im November, so das Versprechen, müssten Restaurants, Kinos und Fitnessstudios schließen. Dann sei die Infektionswelle gebrochen und Deutschland komme gut durch den Winter.

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Es kam bekanntlich anders. Sehr anders sogar. Im Dezember ging Deutschland in den richtigen Lockdown – und erst im März durften Friseure und Geschäfte wieder öffnen. Als die Zahlen daraufhin wieder stiegen, wurde hastig die sogenannte Bundesnotbremse beschlossen.

In der Zwischenzeit waren Tausende Menschen gestorben und unzählige Existenzen vernichtet. Auch, weil die verantwortlichen Politiker in Bund und Ländern nicht mutig genug waren, frühzeitig gegenzusteuern. Und weil sie den Sommer nicht genutzt hatten, um etwa Wirtschaftshilfen vorzubereiten.

Natürlich ist die Lage heute deutlich besser: Mehr als 55 Millionen Menschen in Deutschland sind vollständig geimpft. Als der Wellenbrecher-Beschluss gefasst wurde, lag die Inzidenz bei unter 100, im Moment bei mehr als 130. Trotzdem fordert niemand, das öffentliche Leben erneut lahmzulegen.

Und dennoch gibt es Ende Oktober 2021 eine beunruhigende Parallele zur Zeit vor einem Jahr: Auch in diesen Winter geht Deutschland unvorbereiteter, als es der Fall sein müsste.

Warum? Weil noch immer viel zu wenige Menschen geimpft sind. Gut 16 Millionen Einwohner dieses Landes ab zwölf Jahren, für die es zugelassene Stoffe gibt, haben bislang nicht die Gelegenheit genutzt, sich zumindest einmal impfen zu lassen. Zählt man alle Jüngeren hinzu, kommen rund 25 Millionen Menschen zusammen. Sie sind nicht besser geschützt als vor einem Jahr.

Weil sich die meisten weniger einschränken als noch 2020, steigen die Neuinfektionen derzeit rasant – und nimmt auch die Belegung der Intensivbetten deutlich zu. Möglicherweise bekommen wir deshalb in ein paar Wochen erneut ein ernsthaftes Problem. Zumal die Inzidenz bei den über 60-Jährigen ähnlich hoch ist wie vor einem Jahr.

Noch nie in dieser Pandemie war eine Verschärfung der Lage allerdings so überflüssig. Damit hier kein Missverständnis entsteht: Das liegt vor allem daran, dass es vielen an der Einsicht fehlt, dass die Impfung ein probates Mittel gegen Corona ist. Es hat aber eben auch damit zu tun, dass es Politikern an Mut mangelt – und dem Land insgesamt an entschlossener politischer Führung. Fast niemand traut sich noch, der coronamüden Bevölkerung etwas zuzumuten. Nicht einmal den chronisch Unwilligen.

Es reicht aber nicht, als Politiker ständig den Satz "Impfen ist der Weg aus der Pandemie" zu sagen. Es müssen auch Konsequenzen folgen. Reden ist nett, aber nur Machen ändert etwas.

Dass die Politik längst in eine Scheinwelt geflüchtet ist, zeigt sich immer wieder. Eine sogenannte Impfaktionswoche im September hatte keinen erkennbaren Effekt. Das störte aber niemanden wirklich. Die sich anbahnende Ampelregierung will bald eine Expertenkommission "Impftempo" einberufen. Ob die gleich einen Aktionsmonat vorschlägt? Überraschen würde es nicht. Genauso wenig, wenn er ähnlich folgenlos bliebe.

Denn die naheliegendste Lösung für einen sichereren Winter lautet: Der Druck auf Ungeimpfte muss steigen. Und zwar deutlich.

Damit es auch hier kein Missverständnis gibt: Selbstverständlich ist jeder Mensch erst einmal für sich selbst verantwortlich. Und einen Impfzwang sollte es auch nicht geben, weil er nur zu noch mehr Polarisierung führt. Es geht auch nicht darum, die eh nicht Überzeugbaren zu bekehren, sondern zumindest die Zögernden.

Und denen darf die Mehrheit in diesem Land nach zehn Monaten Impfkampagne dann doch mal sagen: Wir haben das Ende unserer Geduld erreicht und machen euch das Leben jetzt schwerer. Nicht aus Prinzip, aber weil ihr auch eine Verantwortung für die Gesellschaft insgesamt habt. Wer sich nicht impfen lässt, riskiert nicht nur sein Leben, sondern auch das von anderen.

Wie es gelingen kann, die Impfquote deutlich zu erhöhen, hat unter anderem Emmanuel Macron vorgemacht. Mitte Juli kündigte der französische Präsident eben nicht nur eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen an, sondern auch ein deutlich anstrengenderes Leben für alle Ungeimpften. Inzwischen braucht es in Frankreich vom Restaurantbesuch bis zur Bahnreise einen sogenannten Gesundheitspass, der eine Impfung, eine Genesung oder einen Test nachweist. Also das belegt, was bei uns unter 3G firmiert. Wie bei uns müssen Tests in Frankreich selbst bezahlt werden. Sie kosten in der Regel mehr als 20 Euro.

Seit Macrons Ankündigung vor gut 100 Tagen haben sich in Frankreich rund 14 Millionen Menschen ein erstes Mal impfen lassen. Das entspricht mehr als 20 Prozent der Bevölkerung. Im gleichen Zeitraum gab es in Deutschland nicht einmal acht Millionen Erstimpfungen, also bei weniger als zehn Prozent der Einwohner.

In Frankreich sind mittlerweile fast 90 Prozent der Menschen ab 12 Jahren mindestens einmal geimpft, in der Bundesrepublik sind es weniger als 80 Prozent. Besonders eklatant sind die Unterschiede bei den 12- bis 17-Jährigen: Mehr als drei Viertel von ihnen haben in Frankreich inzwischen mindestens eine Spritze bekommen – in Deutschland trifft das nicht einmal auf jeden Zweiten zu. Und wo bitte erreicht der Staat irgendeinen Bürger besser als in der Schule?

Auch andere Länder haben sich Macrons härterem Kurs mittlerweile angeschlossen – und gehen sogar darüber hinaus. In Italien gilt die 3G-Regel bereits seit Mitte Oktober auch am Arbeitsplatz, in Österreich ab nächster Woche. Und klar: All das funktioniert nur, wenn auch die Einhaltung der Regeln kontrolliert wird.

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Eine 2G-Regel, die vom Arbeitsplatz bis zum Restaurant gilt, würde den Druck auf Ungeimpfte natürlich am deutlichsten erhöhen. Doch eine solche Verschärfung scheint in Deutschland illusorisch. Umso wichtiger wäre es, sich an anderen Staaten zu orientieren, die zumindest konsequent 3G umsetzen.

Vielleicht fällt uns das auch deshalb so schwer, weil wir noch immer zum Selbstbild neigen, dass, wenn überhaupt, andere von uns etwas lernen könnten. Schließlich haben wir südeuropäische Staaten noch zu Zeiten der Eurokrise als "Club Med" verspottet.

Beim Thema Impfen kann man all diese Länder allerdings nur dafür beglückwünschen, dass sie nichts mit dem "Club Nord- und Ostsee“ zu tun haben wollen. Sie sind alle eigene, unterschiedliche Wege gegangen. Aber jeder davon war bislang erfolgreicher als der deutsche.


Tschüs Angela, hallo Olaf

Angela Merkel und Olaf Scholz gehen heute auf Reisen. Die Noch-Kanzlerin fliegt zum letzten Mal als deutsche Regierungschefin nach Athen. Die Griechen haben an sie seit der Schuldenkrise nicht nur gute Erinnerungen. Olaf Scholz bricht nach Rom auf, wo sich am Wochenende die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten treffen – erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder live und in Farbe.

Es ist auch die Gelegenheit für die Welt, Angela Merkel "Tschüs" und Olaf Scholz "Hallo" zu sagen. Und es gibt Deutschland die Möglichkeit zu zeigen, dass die Übergabe der Macht problemlos funktioniert: Zu den bilateralen Treffen mit anderen Regierungschefs nimmt Merkel Scholz gleich einmal mit.

In Rom wird am Freitag auch US-Präsident Joe Biden erwartet. Er hat einiges vor: Bei einem Treffen mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron will er den Streit zwischen beiden Ländern beilegen, den es infolge des neuen Bündnisses der Amerikaner im Indopazifik und eines geplatzten U-Boot-Deals gibt. Außerdem trifft Biden den italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. Und er hat eine Privataudienz bei Papst Franziskus.


Wird wirklich wieder in die Hände gespuckt?

Eine Antwort auf die Frage, wie schnell Deutschland tatsächlich aus der Krise kommt, gibt es um 10 Uhr. Dann veröffentlicht das Statistische Bundesamt den Anstieg der Wirtschaftsleistung im dritten Quartal. Zuletzt hatte auch die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für 2021 deutlich nach unten korrigiert.


Rot-grün-gelbe Teufelchen

Auch wenn man es fast nicht mitbekommt: SPD, Grüne und FDP verhandeln weiter über eine Koalition auf Bundesebene. Viele rot-grün-gelbe Teufelchen stecken noch in all den strittigen Details. Aber immerhin gibt es ein gemeinsames Ziel: Bereits in der Woche ab dem 6. Dezember will die Ampel Olaf Scholz zum Kanzler wählen, also nur rund 70 Tage nach der Wahl.

Von einer solchen Express-Demokratie können die Niederländer nur träumen. Sie wählten am bereits am 17. März ein neues Parlament. 226 Tage später gibt es noch immer keine neue Regierung. Denn die Koalitionsverhandlungen von vier Parteien dauern an. Ein neuer Negativrekord für unsere Nachbarn.


Was lesen?

Nach der Jahrhundertflut im Juli kündigte der Staat den Opfern schnelle und umfassende Hilfe an. Doch unser Rechercheur Jonas Mueller-Töwe hat nun eine Zwischenbilanz gezogen – und viele Probleme entdeckt.


Die Preise steigen immer schneller. Gerade Christine Lagarde könnte vielen Menschen ihre Sorgen nehmen. Doch die Präsidentin der Europäischen Zentralbank macht es nicht. Ein Fehler, findet mein Kollege Florian Schmidt.


Am Samstag entscheiden die Kreisvorsitzenden der CDU, wie viel Basisbeteiligung sich die Partei bei der Wahl des neuen Vorsitzenden wirklich traut. Mein Kollege Tim Kummert analysiert, warum sich die Christdemokraten vor allem vor einer (erneuten) Sozialdemokratisierung fürchten.


Bayern München hat bei Borussia Mönchengladbach die höchste Niederlage seit 43 Jahren kassiert. So bitter die Pleite für den Rekordmeister ist, bedeutet sie für den deutschen Fußball vor allem eins: Hoffnung. Das meint zumindest mein Kollege David Digili. Ex-Nationalspieler Stefan Effenberg ist allerdings alles andere als optimistisch für die Konkurrenz.


Was mich amüsiert

Und was ist nun die ultimative Erklärung für die Bayern-Schmach? Bitteschön!

Am Montag schreibt an dieser Stelle mein Kollege Johannes Bebermeier für Sie. Und nicht vergessen: Der Sonntag ist eine Stunde länger. Machen Sie etwas draus!

Ihr

Sven Böll
Managing Editor t-online
Twitter: @SvenBoell

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Mit Material von dpa.

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