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Brandenburg – Tesla-Fabrik: "Keine vollendeten Tatsachen, keine Extrawürste"


Meinung
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MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 18.02.2020Lesedauer: 7 Min.
Demonstranten in Grünheide machen gegen die geplante Tesla-Fabrik mobil.Vergrößern des Bildes
Demonstranten in Grünheide machen gegen die geplante Tesla-Fabrik mobil. (Quelle: Pawel Kopczynski/reuters)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Politik ist die Kunst, Kompromisse zu schmieden, die nach vorn weisen. Die gebeutelte CDU scheint diese Kunst verlernt zu haben. In ihre missliche Lage – Visionsverlust, Vertrauensverlust, Vorsitzendenverlust – hat sie sich auch deshalb manövriert, weil sie Selbstvertrauen mit Hybris verwechselte. Mit den Rechten von der AfD koalieren wir nicht – aber mit der Linkspartei auch nicht: Der wie ein Katechismus beschworene Unvereinbarkeitsbeschluss hat den Aktionsraum der CDU in Ostdeutschland auf ein ziemlich kleines Spielfeld reduziert. Wo die stolze Partei früher wie auf einem Golfplatz weite Bälle schlagen und souverän einputten konnte, bleibt ihr heute nur der Minigolf-Parcours: einmal links an der Bande abprallen, einmal rechts abprallen, und dann mit etwas Glück in die Nähe des Löchleins kullern. Falls der Schwung nicht reicht, bleibt man eben auf der Strecke, der Nächste bitte. Die Direktive aus dem Berliner Konrad-Adenauer-Haus an die Mitglieder im fernen Erfurt (ihr macht da gefälligst nix mit den Rechten und auch nix mit den Linken!), die absurde Gleichsetzung der Linkspartei des ziemlich bürgerlichen Bodo Ramelow mit der AfD des ziemlich faschistischen Björn Höcke hat die lokalen Kader in ein Dilemma manövriert, aus dem sie sich nicht zu befreien wussten. So kam es zum ZAU, dem Zweitgrößten Anzunehmenden Unfall (der Größte wäre eine gemeinsame Regierungskoalition mit der AfD gewesen).

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Das Debakel und seine Weiterungen sind hinlänglich beschrieben worden, nun geht es ans Aufräumen. Aus dem führungslosen Adenauer-Haus kam dazu wenig Konstruktives, sodass es nun an der Linken ist, einen Ausweg aus der Bredouille zu weisen. Und so soll das Manöver aussehen, das Thüringens ehemaliger Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei gestern Abend vorgeschlagen hat: Die ebenfalls ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht von der CDU soll das Amt noch einmal übergangsweise übernehmen – in einer "technischen Regierung" mit nur drei Ministern, je einem von der Linkspartei, den Grünen und der SPD. Sodann soll das Parlament mit Zweidrittelmehrheit (wofür die AfD nicht gebraucht würde) Neuwahlen ansetzen. So lange hätte die CDU allerdings nicht Zeit, ihr Verhältnis zur Linkspartei zu klären, denn in der Übergangsregierung, selbst wenn sie sich "technisch" nennt, säße eine CDU-Ministerpräsidentin erstmals gemeinsam mit einem Linken-Minister.

Fragt man die Leute im Konrad-Adenauer-Haus, würden sie angesichts dieses Szenarios wohl "Gott bewahre!" rufen und sich hurtig wieder auf ihren Minigolfplatz verkrümeln. Fragt man die CDU-Abgeordneten vor Ort, darf man davon ausgehen, dass ihr Blick weiter als bis zur nächsten Bande reicht: über den grünen Rasen bis zum dunkelroten Horizont. Man muss kein Politikstratege sein, um zu sehen, dass die CDU in Thüringen nur dann eine konstruktive Rolle und eine Machtoption behält, wenn sie ihre Aversion gegen die Linkspartei ablegt.

Die Linke mausert sich zum staatstragenden Stabilitätsanker, an dem sich die schlingernde CDU festklammern kann: Wer ein solches Szenario vor zwei, drei Jahren an die Wand gemalt hätte, wäre verlacht worden. Heute wird es zur Ultima Ratio, um ein aufgewühltes Bundesland demokratisch regierbar zu halten. Wie sich die Zeiten doch ändern.


Der Tacitus kannte seine Pappenheimer. "Haine und Wälder heiligen sie", schrieb er vor zweitausend Jahren über die Germanen, und vielleicht ist da noch heute ein bisschen was dran. Wenn es den Bäumen an den Kragen geht, holen wir immer noch die Streitaxt aus dem Schuppen, und dann gibt es Saures, ob der Eindringling nun einen römischen Helm aufhat oder Elon Musk heißt. Der US-amerikanische Star-Unternehmer – für manche auch bloß ein Unternehmer mit Starallüren – hat vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einen ordentlichen Dämpfer auf seine Sinnierkappe bekommen.

Damit er seine "Gigafactory" so schnell wie möglich bei Berlin in den Wald klotzen und schicke Elektroautos vom Band rollen lassen kann, war seinem Konzern Tesla vom zuständigen Landesumweltamt gestattet worden, mit der Rodung zu beginnen – obwohl das Genehmigungsverfahren noch gar nicht abgeschlossen war. Nichts da!, grätschten prompt die Richter dazwischen, erst muss über die Beschwerde der Abholzungsgegner entschieden werden! Nach zwei Tagen intensiver Rodung war der halbe Wald zwar leider schon niederkartätscht worden, aber jetzt ist Zwangspause, damit es überhaupt noch über etwas zu entscheiden gibt. Keine vollendeten Tatsachen, keine Extrawürste, auch nicht für einen kalifornischen Technologieriesen! Ganz egal, wie sehnlich sich die Landespolitik in der ländlichen Stille Brandenburgs neue Jobs und einen Prestige-Erfolg wünscht: Die Regeln gelten für alle – und das ist richtig so.

In der Nachbarschaft von Teslas zukünftiger Fabrik sind sowieso längst nicht alle begeistert. Man könnte es sich leicht machen und über kleingeistige Nörgler herziehen – über das deutsche Bedenkenträgertum, das die Angst vor den Fremden und die Sorge um das Grundwasser beschwört, den Duft des heimischen Mooses preist und sich für die Sache mit den Arbeitsplätzen nicht sonderlich interessiert, solang man selbst einen hat. Nein, die Einwände kommen nicht besonders aufgeschlossen und auch nicht immer ganz stringent daher. Aber der bunte Mix der Argumente, mit denen ein Teil der Anwohner gegen das Großprojekt zu Felde zieht, legt den Verdacht nahe, dass es vielleicht um etwas anderes geht. Etwas, das die meisten von uns wahrscheinlich, Hand aufs Herz, ganz gut verstehen können: Da sitzt man in der Sonne in seiner dörflichen Idylle – und zack!, hat man das 21. Jahrhundert im Vorgarten stehen. Gigafactory! Das klingt groß, dynamisch und zukunftsweisend. Aber nur, solang das Monsterding irgendwo hinter dem Horizont gebaut wird. Rückt es näher, klingt es eher bedrohlich.

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Der Widerstand im idyllischen Brandenburg zeigt allerdings auch: Es geht uns gut in Deutschland, vielleicht zu gut. Protest gegen einen so großen Arbeitgeber, das muss man sich erst mal leisten können. Und anders als im Hambacher Forst, wo die Natur gegen die dreckige Braunkohle verteidigt wurde, tuckert Deutschland bei der Umstellung auf Elektrofahrzeuge hinterher, müsste also zum Schutz des Klimas Vollgas geben. Daher ist es nicht unbedingt der Schutz der Natur, der mit der neuen Industriezone über Kreuz liegt. Eher geht es hier wohl um ein verletztes Heimatgefühl.

Die Heimat und der Wald: Da hätten schon die deutschen Romantiker des 19. Jahrhunderts feuchte Augen bekommen. Aber wir zücken schnell das Taschentuch. Denn die diffusen Ängste vor der Tesla-Fabrik sind natürlich und verständlich – aber sie sind auch ein schlechter Ratgeber. Das Werk steht dann doch nicht im Vorgarten, sondern im Wald, neben einer Autobahn, nebendran liegt ein kleines Industriegebiet. Da dürfte es eher verkraftbar sein, dem technologischen Weltanschluss und den Arbeitsplätzen in den Montagehallen den Vorzug zu geben. Der Wirtschaft wegen – und damit die heimatverbundenen Romantiker des 19. Jahrhunderts nicht doch noch recht behalten und uns belehren: Es ist schon spät, es wird schon kalt, kommst nimmermehr aus diesem Wald!


WAS STEHT AN?

Gestern wurde ein22-jähriger Raser wegen Mordes verurteilt, heute beginnt der nächste denkwürdige Verkehrsprozess: Einem 37-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, auf der Flucht vor der Polizei an einer Ampel in Braunschweig mit mindestens 140 Stundenkilometern auf zwei stehende Autos gekracht zu sein. Dabei starb ein Mensch, ein weiterer wurde schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft hat den 37-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Das Gericht schließt aber auch nicht aus, dass die Tat als Mord gewertet werden könnte.


Sechs Tage vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg treffen heute Abend um 21 Uhr die Spitzenkandidaten Peter Tschentscher (SPD) und Katharina Fegebank (Grüne) im TV-Duell aufeinander. Bereits um 18 Uhr dürfen die übrigen Kandidaten Marcus Weinberg (CDU), Cansu Özdemir (Linke), Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) und Dirk Nockemann (AfD) im Fernsehen verbal die Klingen kreuzen. Das NDR-Fernsehen überträgt jeweils live.


In London werden die 40. Brit Awards vergeben, einer der bedeutendsten Musikpreise der Welt. Offen gestanden sagen mir die Namen der meisten Nominierten nichts, bin wohl doch schon ein Grufti. Aber den Stargast, den kenne ich: Rod Stewart soll noch mal die Bühne rocken. Ob er’s noch so sexy hinbekommt wie damals?


WAS LESEN?

Wenn Sie t-online.de regelmäßig lesen, kennen Sie unsere geschätzte Kolumnistin Lamya Kaddor. Sie ist in Duisburg aufgewachsen, aber ihre Eltern stammen aus Nordsyrien. Einige ihrer Verwandten leben noch dort – und sind nun von den jüngsten Kämpfen betroffen, weshalb ich heute den folgenden Appell zitiere, den Lamya mir geschickt hat:

"Meine Familie in Syrien unterstützt seit Jahren Geflüchtete und organisiert Hilfe. Aber nun steht die Enklave Idlib unter Beschuss, mehr als 1,6 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Am Samstagvormittag rief mich mein Cousin an, beschrieb mir die dramatische Situation und sagte: 'Lamya, wir brauchen eure Hilfe!' Noch nie zuvor hatte mich einer meiner Verwandten so eindringlich um Hilfe gebeten. Die Mächtigen der Welt haben versagt, in Syrien Frieden zu schaffen, Herr Ischinger hat das auf der Sicherheitskonferenz in München gerade wieder betont. Aber ich will nicht mehr nur dagegen anreden, schreiben und mich empören. Also habe ich mich spontan entschlossen, eine Spendenaktion zu starten."


Er hat New York regiert, er besitzt 60 Milliarden Dollar (ja, Sie haben richtig gelesen), und er ist bereit, einen großen Teil seines Vermögens in den Wahlkampf zu stecken: Bislang galt Michael Bloomberg im Rennen der demokratischen Präsidentschaftskandidaten als Späteinsteiger – jetzt gibt er richtig Gas. In den USA kommt man an seinen TV-Spots nicht mehr vorbei, in den Umfragen holt er auf. Wie tickt dieser Mann? Unser Amerika-Korrespondent Fabian Reinbold hat ihn durchleuchtet.


WAS AMÜSIERT MICH?

Wie zu hören ist, könnten sich die Herren Laschet, Merz und Spahn in der CDU-Führungsfrage auf eine "Teamlösung" einigen. Wie die wohl aussieht?

Ich wünsche Ihnen einen Tag mit klarem Kompass. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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