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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Meloni in den USA Sie bringt sich aus Trumps Schusslinie

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni nutzt ihre Nähe zu Donald Trump, um sich als Vermittlerin im transatlantischen Handelskonflikt zu inszenieren. Doch ihre Sonderrolle birgt Risiken – für die EU und für Italien selbst.
Plötzlich ist sie eine Hoffnungsträgerin der Europäischen Union. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni besucht am Donnerstag Washington und möchte mit US-Präsident Donald Trump auch über die gegen die Europäische Union verhängten US-Zölle sprechen.
Trump hatte Anfang April einen Mindestzollsatz von zehn Prozent für alle Handelspartner verkündet. Für rund 60 Länder verhängte er zunächst noch teils deutlich höhere Aufschläge. Für die EU waren Zölle von 20 Prozent vorgesehen. Eine Woche später vollzog der US-Präsident jedoch eine Kehrtwende und verkündete eine "Pause" für 90 Tage. Der Mindestsatz von zehn Prozent blieb jedoch bestehen.
Italiens ultrarechte Ministerpräsidentin steht dem US-Präsidenten nahe. Nach ihrer Rückkehr aus Washington wird Meloni am Freitag US-Vizepräsident JD Vance in Rom empfangen. Sie steckt dabei in einem Dilemma: Einerseits gibt es zwischen der rechten Politikerin und Trump inhaltliche Übereinstimmungen. Andererseits will Meloni andere EU-Staaten nicht brüskieren, die wie sie selbst die höheren Zölle und Trumps Ukraine-Politik kritisieren. Meloni steht in den USA vor einem schwierigen Spagat, auch um Schaden von Italien abzuwenden.
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Gemeinsame Ideologie
Melonis außenpolitisches Selbstverständnis unterscheidet sich grundlegend von dem vieler ihrer EU-Kollegen. Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den neuen US-Präsidenten mit Zurückhaltung oder offener Skepsis betrachten, hat Meloni schon vor dessen Machtübernahme eine Beziehung zu ihm aufgebaut – und zwar nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Überzeugung.
Trump und die italienische Regierungschefin verbindet eine gemeinsame Weltanschauung.
Melonis postfaschistische Partei "Fratelli d'Italia" steht für nationalistischen Protektionismus, konservative Familienbilder, Grenzschutz – Themen, die auch Trump zur Macht verholfen haben.
In den vergangenen Jahren hat Meloni systematisch internationale Bande geknüpft: zu Viktor Orbán in Ungarn, zu Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro, zu US-Republikanern aus dem Trump-Lager. Diese Netzwerke zahlen sich nun aus. Sie verschaffen ihr Einfluss, wo andere nur höfliche Audienzen bekommen. Schon vor Trumps Amtsantritt besuchte Meloni den Republikaner Anfang Januar in Florida und traf dabei auch Trump-Berater Elon Musk.
Freundschaft zu Elon Musk
Meloni und Musk wird ein sehr gutes Verhältnis nachgesagt. Sogar von einer Freundschaft ist die Rede. Musk war mehrfach zu Besuch in Rom, trat als Redner beim rechtskonservativen Festival Atreju auf, das Meloni mitbegründet hat. Als Meloni in New York mit dem Global Citizen Award ausgezeichnet wurde, wählte sie Musk als Laudator. Der zeigte sich begeistert: Es sei ihm eine Ehre, "den Preis an eine Frau zu übergeben, deren Inneres noch schöner ist als ihr Äußeres", sagte Musk – und fügte hinzu: "Ich bewundere Giorgia Meloni."
Meloni dagegen bleibt auffällig still, auch wenn Musk in den USA zunehmend unter Druck steht. Diese Zurückhaltung ist kalkuliert – und politisch aufgeladen. Denn Meloni positioniert sich im Herzen des rechtskonservativen Machtblocks, der Trump, Musk und Teile Europas verbindet.
Auch Meloni sprach in der Vergangenheit ausschließlich positiv über den Tesla-Chef. "Wir sind definitiv zwei Menschen, die eine sehr gute Beziehung haben", sagte sie in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera". "Er ist ein genialer Mann und es ist immer sehr interessant, sich mit ihm auseinanderzusetzen."
Meloni ist anpassungsfähig
Doch bei all der ideologischen Verbundenheit gibt es auch einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Trump-Lager und der italienischen Ministerpräsidentin: Meloni ist eine Opportunistin.
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Sie teilt zum Beispiel nicht Trumps Abneigung gegenüber seinem Vorgänger Joe Biden. Schon während der Präsidentschaft des Demokraten bemühte sich Meloni um freundschaftliche Beziehungen zu Washington. Das ging sogar so weit, dass Biden Meloni bei ihrem Besuch im Weißen Haus kurz auf den Kopf küsste.
Überhaupt gelingt es Meloni auffallend leicht, sich mit den meisten westlichen Staats- und Regierungschefs gut zu stellen. Sie verurteilte den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, stimmte für die militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine durch die Europäische Union und Italien selbst belieferte die ukrainische Armee mit Waffen – wenngleich die Unterstützung nicht besonders groß war.
Doch wenn es um Einigkeit in der EU ging, war Meloni immer zur Stelle. Zwar nicht als Vorreiterin in außenpolitischen Fragen, aber sie stieß ihre europäischen Partner nicht vor den Kopf und blockierte auch keine politischen Entscheidungen wie ihr ungarischer Amtskollege Viktor Orbán.
Deshalb hat Meloni zwar eine politische Nähe zu Trump, aber sie spielt nicht ausschließlich in seinem Team. Im Gegenteil: Italien positioniert sich stets dort, wo es für Meloni strategisch am sinnvollsten erscheint. Dieser Opportunismus wird der italienischen Regierungschefin international hoch angerechnet – Bundeskanzler Scholz und andere führende Politiker in Europa verlieren kein schlechtes Wort über Meloni.
Europa schaut weg
Diese Entwicklung überraschte viele Experten. Immerhin liegen die politischen Wurzeln der Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) im Faschismus – die Partei ist auch ein Sammelbecken für italienische Rechtsextreme. Innenpolitisch gestaltet Meloni das Land seit ihrer Machtübernahme 2022 auch stark um.
Mit autoritären Instrumenten hinter einer bürgerlichen Fassade versucht sie, ihre Macht zu zementieren. So will Meloni die Verfassung ändern, um die Macht des Ministerpräsidentenamtes zu stärken und das Parlament zu schwächen. Gleichzeitig sichert sie sich immer mehr Kontrolle über Medien und vor allem TV-Sender. Mehr dazu lesen Sie hier. Doch ihre europäischen Partner schauen weg.
Solange sich Meloni international kooperativ zeigt und die Geschlossenheit in der EU nicht gefährdet, scheinen auch europäische Regierungen im Umgang mit Italien opportunistisch zu sein. Schließlich gibt es aktuell zahlreiche große Krisen und die westlichen Staaten auf dem europäischen Kontinent möchten sich aktuell keine internen Kämpfe leisten. Zu groß sind die Streitigkeiten mit Trump und die Bedrohung durch Putin. Gleichzeitig braucht Europa im Verständnis der wichtigsten politischen Führer nicht noch einen Viktor Orbán.
Meloni hofft auf Trumps Nachsicht
Es ist wahrscheinlich, dass das Melonis Verdienst ist. Bei ihrem Besuch in Washington wird es letztlich auch darum gehen, Italien aus Trumps Schusslinie zu halten. Wie Selenskyjs Besuch im Weißen Haus gezeigt hat, reicht manchmal ein falscher Satz, um Trump toben zu lassen, mit verheerenden politischen Konsequenzen. Deshalb ist es, trotz aller politischen Verbindungen zum Trump-Lager, auch für Meloni ein Tanz auf dem Vulkan.
Auch Italien ist von den US-Zöllen betroffen, denn die EU betreibt eine gemeinsame Handelspolitik. Meloni wird versuchen, den US-Präsidenten zu bearbeiten, damit am Ende vielleicht sogar Freihandel zwischen den USA und Europa möglich ist. Im Fokus steht für Italien aber vor allem eines: Es dürfte schon ein Erfolg für die italienische Regierungschefin sein, wenn Trump keinen Druck auf Italien ausübt, noch mehr in die eigene Verteidigung zu investieren.
Auch Trump schaut in der Frage mit Blick auf Italien weg. Wie lang, ist unklar. Immerhin gehört Italien zu den Ländern mit den geringsten Verteidigungsausgaben im Nato-Bündnis. Im italienischen Haushalt 2025 waren zunächst gerade einmal 1,57 Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Verteidigung vorgesehen. Nun kündigte der italienische Finanzminister Giancarlo Giorgetti am Donnerstag vor dem Parlament in Rom an, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato doch noch erreichen zu wollen.
Die Zeit der Verkündung war kein Zufall. Italien möchte Trump besänftigen, aber reicht diese Maßnahme dafür aus? Immerhin fordert die US-Regierung eine deutliche Anhebung der Nato-Vereinbarung. Trump wirft den Europäern regelmäßig eine Schnorrermentalität vor und dass sie auf Kosten der Amerikaner leben würden. Allerdings schimpft der US-Präsident vor allem über Deutschland, Italien lässt er außen vor.
Die Chancen für Meloni, dass das so bleibt, stehen aktuell nicht schlecht. Denn Trump hat auch in seiner zweiten Amtszeit gezeigt, dass seine politischen Entscheidungen oft auch von seinen persönlichen Beziehungen zu Staats- und Regierungschefs abhängen. Er verzichtet etwa darauf, Putin unter Druck zu setzen, während er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj oftmals öffentlich scharf kritisiert.
Trumps Charakter spielt Meloni in die Karten. Denn Italiens Ministerpräsidentin hat schon oft gezeigt, dass sie US-Präsidenten umgarnen kann. Ob der Rest Europas davon profitieren kann, ist allerdings fraglich.
- tagesschau.de: Was Musk mit Meloni verbindet
- n-tv.de: Giorgia Meloni verteidigt "genialen" Elon Musk
- handelsblatt.com: Wird Melonis Besuch beim US-Präsidenten zum Erfolg führen?
- spiegel.de: Hilft Giorgia Meloni ihr enges Verhältnis zu Donald Trump?
- n-tv.de: Meloni hat bei Trump einen entscheidenden Vorteil
- dw.com: Meloni in Washington: Was kann sie dort erreichen?
- welt.de: Nutzt Meloni ihren Einfluss nicht, drohen nicht nur den Europäern schwere Folgen
- Nachrichtenagenturen dpa und rtr