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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mike Bloomberg Der 60-Milliarden-Dollar-Mann drängt ins Weiße Haus
Mit der schieren Übermacht seines Vermögens will Multimilliardär Mike Bloomberg US-Präsident werden. Viele Demokraten sind geschockt – Donald Trump ist auch schon alarmiert.
Wenn der zwölftreichste Mann auf Erden US-Präsident werden will, dann ist eine Sache kein Problem: Geld. 188 Millionen Dollar hat Michael Bloomberg in den ersten Wochen seines Wahlkampfes ausgegeben – und jeden einzelnen Cent aus eigener Tasche bezahlt.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. In den Umfragen steigt der Multimilliardär im Rekordtempo, und was wohl genauso wichtig ist: Der Amtsinhaber im Weißen Haus twittert schon wild über den möglichen Gegner.
Donald Trump verspottet den mit 1,72 Metern nicht sehr hochgewachsenen Bloomberg als "Mini-Mike", "Verlierer" oder als "Masse toter Energie" – wie immer bei Trump gelten solche Tweets als Anzeichen, dass er eine Gefahr wittert. Bloomberg schadet das nicht: Er will der Nation zeigen, dass er ein Trump-Gegner ist, und bezeichnet den Präsidenten seinerseits als jemanden, der selbst "über den Gebrauch von Bräunungsspray lügt".
Der Einzige, der Trump schlagen kann?
Bloomberg ist Gründer eines Medienimperiums und war bis 2013 der Bürgermeister New Yorks. Er war erst Republikaner und dann parteiunabhängig. Jetzt will er Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden. Und während seine Konkurrenten mühsam Groß- und Kleinspenden einsammeln müssen, finanziert Bloomberg den Wahlkampf einfach aus eigener Tasche. Sein Vermögen wird auf 60 Milliarden Dollar geschätzt.
In den US-Medien grassiert dieser Tage ein wahrer Hype um Bloomberg. Immer mehr Beobachter gehen davon aus, dass es zu einem Rennen zwischen dem bislang führenden Linksaußen-Kandidaten Bernie Sanders und Bloomberg kommen könnte.
Dafür müsste Bloomberg die anderen moderaten Kandidaten wie Aufsteiger Pete Buttigieg und Absteiger Joe Biden überflügeln. Und danach sieht es momentan sogar aus: Bloomberg ist mit einem ungewöhnlichen Plan ins Rennen gestartet, und bislang geht dieser hervorragend auf.
Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Die Kür des Präsidentschaftskandidaten ist in den USA eine langwierige Sache. Die meisten Bewerber der Demokraten haben bereits einen Großteil des Jahres 2019 mit dem Wahlkampf für den Urnengang Ende 2020 verbracht. Doch Bloomberg verkündete seine Kandidatur erst Ende November 2019. Sein Kalkül: Wenn Biden, der eigentliche Favorit aus dem Zentrum der Partei, schwächelt, und dafür ein Linksaußen-Kandidat wie Sanders das Feld anführt, dann würde seine Stunde schlagen.
"Super Tuesday" – die Stunde der Wahrheit
Und tatsächlich: Biden enttäuschte in den ersten Vorwahlen in Iowa und New Hampshire, Sanders ist der augenblickliche Favorit, doch die ersten beiden parteiinternen Abstimmungen haben niemandem unter den Demokraten zum richtigen Durchbruch verholfen.
Bloomberg lässt die ersten vier Vorwahlen im Februar gleich völlig beiseite und greift ins Geschehen ein, wenn am sogenannten "Super Tuesday" am 3. März gleich ein gutes Dutzend Bundesstaaten abstimmen. Darunter sind die beiden bevölkerungsreichsten Staaten Kalifornien und Texas, die Hunderte Delegiertenstimmen vergeben für die Nominierung des Kandidaten auf dem Parteitag im Juli.
In den "Super Tuesday"-Staaten hat Bloomberg Werbung für 129 Millionen Dollar (119 Millionen Euro) geschaltet. Keiner der Konkurrenten, abgesehen von Milliardär Tom Steyer, hat dort mehr als 10 Millionen Dollar ausgegeben. So sind nun die Kräfteverhältnisse.
Werbung = Wählerstimmen?
Die Clips zeigen ihn als Unterstützer von Anliegen wie der Ausweitung der Krankenversicherung bis hin zum Kampf gegen Klimawandel und Waffengewalt. Tatsächlich hat Bloomberg diese Themen mit Millionenspenden in den vergangenen Jahren unterstützt. Der "Super Tuesday" wird zeigen, ob sich die Werbung auch in Wählerstimmen übersetzt.
Nun, zwei Wochen vor dem großen Wahltag, ist Bloomberg nicht nur auf den Bildschirmen präsent, sondern auch im Land unterwegs. Nicht auf großen Wahlkampfveranstaltungen wie Sanders, sondern bei Auftritten in kleinerem Rahmen.
Am vergangenen Samstag lud Bloomberg in eine Brauerei in Richmond ein, der Hauptstadt des Bundesstaats Virginia. Rund 500 Gäste kamen.
Anders als Trump ein Selfmade-Milliardär
Bloomberg, kein leidenschaftlicher Wahlkämpfer, liest eher geschäftsmäßig vom Teleprompter ab, was er mit dem Land vorhat. Er bleibt knapp und abstrakt, wenn er sagt, wie er die Krankenversicherung verbessern will. Nach 20 Minuten ist Schluss.
Lauten Applaus bekommt er immer dann, wenn es um sein Vorhaben geht, Trump zu besiegen. Der Präsident habe "Angst, weil er weiß, ich habe die Erfahrung und die Mittel, ihn zu schlagen", sagt Bloomberg knapp.
Das ist der rote Faden und vielleicht sein stärkstes Argument. Bloomberg ist, anders als Trump, ein Selfmade-Milliardär. Er argumentiert, Trump wolle die Demokraten als planlose Träumer verspotten. Das könne man mit ihm, dem erfolgreichen Unternehmer, der New York nach dem 11. September 2001 zu neuer Blüte geführt habe, einfach nicht machen. "Mike Will Get It Done", lautet deshalb sein Slogan: Mike wird es hinbekommen.
Kein Trump, kein Linksaußen
Beim Publikum kommt das an. Das Wichtigste bei der US-Präsidentschaftswahl? "Ich will Trump loswerden, aber auch keinen Präsidenten von Linksaußen haben", sagt Mar-Mary Lutge, eine Lehrerin. Bloombergs Vermögen störe sie nicht. "Wer kein fremdes Geld annimmt, schuldet niemandem etwas."
Das andere Lager der Demokraten sieht das ganz anders. Hier ist Bloomberg die Verkörperung von Problemen, mit denen Bernie Sanders Wahlkampf macht: die Macht der Milliardäre und der Einfluss des Geldes auf die US-Politik.
"Multimilliardäre, die Wahlen kaufen wollen"
Sanders, der selbst erklärte Sozialist, sagt, er habe "ein richtiges Problem mit Multimilliardären, die Wahlen kaufen wollen". Er verzichtet auf Groß- und Industriespenden und wird von einem weiten Netzwerk an Kleinspendern getragen – doch gegen Bloombergs Mittel kommt er nicht an.
Am Samstag attackierte Sanders Bloomberg erstmals ausführlich und namentlich. Er warf ihm vor, stets das Wohl der Börsen statt jenes der Arbeitnehmer im Blick gehabt sowie "rassistische Politik" verfolgt zu haben.
Vorwürfe des Rassismus und Sexismus
Damit zielt Sanders auf die hoch umstrittene "Stop-and-frisk"-Taktik (Deutsch: anhalten und filzen) der New Yorker Polizei, die Bloomberg als Bürgermeister beförderte. Die Polizei hielt jahrelang vor allem jugendliche Schwarze und Latinos ohne konkreten Anlass an, um sie auf Waffen zu durchzusuchen. Für viele Bürgerrechtler und Aktivisten an der Parteibasis ist dies eine rassistische Polizeitaktik. Bloomberg wird auch Sexismus aus seiner Zeit als Medienmanager vorgeworfen.
Sanders’ Attacken sind nur ein Vorgeschmack. Mit seinem Aufstieg werden Bloomberg und seine Vergangenheit jetzt stärker ins Kreuzfeuer der Konkurrenten geraten.
Am Mittwoch könnte er erstmals mit auf der Bühne stehen, wenn sich die demokratischen Präsidentschaftskandidaten in einer weiteren TV-Debatte duellieren. Wenn er dabei ist, könnte der Auftritt in Las Vegas vor allem eines zeigen: dass die neue Konfliktlinie bei den Demokraten zwischen einem Multimilliardär und dem Rest der Kandidaten verläuft.
- Eigene Recherchen
- New York Times: "Bloomberg’s Billions: How the Candidate Built an Empire of Influence"