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Stephan Harbarth: Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts hängen Geldfragen an


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Stephan Harbarth
Dem neuen Präsidenten hängen alte Geldfragen an


Aktualisiert am 15.05.2020Lesedauer: 5 Min.
Der neue Präsident: Stephan Harbarth, bisher Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, soll die Nachfolge von Andreas Vosskuhle an der Spitze übernehmen. Der Bundesrat wird ihn an diesem Freitag nach Informationen von t-online.de in das Amt wählen.Vergrößern des Bildes
Der neue Präsident: Stephan Harbarth, bisher Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, soll die Nachfolge von Andreas Vosskuhle an der Spitze übernehmen. Der Bundesrat wird ihn an diesem Freitag nach Informationen von t-online.de in das Amt wählen. (Quelle: Florian Gaertner/photothek.net/imago-images-bilder)
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Das Bundesverfassungsgericht bekommt einen neuen Präsidenten. Die Zustimmung für Stephan Harbarth in der Politik ist groß. Aber die Kritik von außerhalb reißt nicht ab.

Als der CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth schließlich zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt war, musste Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki mehrfach zur Ordnung rufen: Zu lang und zu störend war im Plenum die Begeisterung. Ein Abgeordneter wird zum Verfassungsrichter. Das war am 22. November 2018 an sich nichts Ungewöhnliches. Anderthalb Jahre später ist er an diesem Freitag zum Präsidenten des höchsten deutschen Gerichts gewählt worden und ist damit Nachfolger von Andreas Voßkuhle.

Was ungewöhnlich ist: Dazwischen liegen vier gescheiterte Verfassungsklagen gegen Harbarths Wahl ans Gericht, eine angekündigte Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und eine Petition, die aufrief, ihn nicht auch noch zum Präsidenten zu wählen.

Wer ist Stephan Harbarth und warum reißt die Kritik an ihm nicht ab?

Im Kern geht es um die Nähe zu Konzernen, um Geld, fehlende Transparenz und Konflikte mit dem Abgeordnetengesetz. Es geht aber auch um die Frage, welchen Eindruck die Wahl des Politikers an die Spitze des Gerichts macht.

Jahrgangsbester im Jurastudium

Harbarth legte eine Musterkarriere hin: Nach dem Jurastudium in seiner Heimat Heidelberg als Jahrgangsbester erwirbt er mit dem Doktortitel (Titel der preisgekrönten Dissertation: “Anlegerschutz in öffentlichen Unternehmen”) in der Tasche in Yale noch den Grad eines Master of Laws. 2000 steigt er bei der Großkanzlei Shearman & Sterling LLP ein. Seine Zeit dort fällt in die Jahre, als auch dort die Cum-Ex-Modelle ausgetüftelt werden. Um den Staat auszuplündern.

Als Harbarth 2009 in den Bundestag gewählt wird, ist er bereits in einer anderen Kanzlei: Er und acht Partner hatten sich 2008 als SZA Schilling Zutt & Anschütz abgespalten. Harbarth bleibt dort tätig und kommt im Wahlkreis an: Mit 49,65 Prozent der Erststimmen wird er 2013 wiedergewählt, die Fraktion macht ihn zum Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Rechtsausschuss und dann 2016 zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, der Innen- und Rechtspolitik koordiniert. Er bekommt das beste Ergebnis bei der Wahl der Stellvertreter.

Kann man etliche Jahre Bundestagsabgeordneter sein und dazu hauptberuflich ein Vorstand einer Anwaltskanzlei? Rechnerisch verdient Harbarth dort so viel, dass man dafür bei 500 Euro Stundensatz 2.500 Stunden im Jahr arbeiten müsste. Diese Rechnung hat jedenfalls der Rechtsanwalt Klaus Siemon aufgemacht, der eine der Verfassungsbeschwerden eingereicht hatte.

Mindestens 75.000 Euro im Monat

Die Geschäftsberichte der Kanzlei und die Transparenzangaben auf der Seite des Bundestags lassen seine Rechnung schlüssig erscheinen. Aus Angaben für Januar 2018, als aus der Anwalts-AG eine GmbH wurde, ergibt sich eine monatliche Vergütung zwischen 75.000 und 100.000 Euro.

Harbarth verdient damals so außergewöhnlich viel, dass Kritiker fragen, ob seine Anwaltstätigkeit wirklich als Nebentätigkeit gelten kann. Das Mandat für den Bürger muss aber für einen Bundestagsabgeordneten im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen, heißt es im Abgeordnetengesetz.

Harbarth ist jedenfalls auch viel im Wahlkreis zu sehen. Es gibt viele Fotos, die ihn auf Festen zeigen. Daraus leitet er ab, Erdung mitzubringen für die Aufgabe als Richter. Als Politiker im Kontakt mit den Menschen wisse man, wie es in unserer Gesellschaft zugehe, sagte er der “Süddeutschen Zeitung” im März.

Wenn aber die Aufgaben als Abgeordneter im Vordergrund standen und für die Anwaltstätigkeit wenig Zeit blieb, stellt sich die andere Frage: Wofür bekam Stefan Harbarth dann diese Summen? “Welcher Partner schenkt einem Partner, der nur maximal 25 Prozent neben dem Abgeordneten-Job arbeiten kann, 75 Prozent Einnahmen und warum?”, fragt Siemon. Die Annahme von Geld ist nach dem Abgeordnetengesetz unzulässig, “wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestags gewährt wird”. Dahinter steckt: Abgeordnete sollen keine Lobbyisten sein.

Kanzlei mit Volkswagen-Kunden gegen Harbarth

Seine hohen Nebeneinkünfte als Abgeordneter hängen Harbarth bis heute nach. Deshalb war auch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vor das Verfassungsgericht gezogen: Sie vertritt geschädigte Volkswagen-Kunden und VW-Anleger, Harbarths damalige Kanzlei SZA arbeitet für Volkswagen. Harbarth selbst war mit Volkswagen nicht befasst, zählte aber Daimler zu seinen Kunden und profitierte von den Volkswagen-Honoraren.

Die Beschwerde wurde nicht angenommen. Das Bundesverfassungsgericht sah keine ausreichenden Anhaltspunkte erbracht, dass die Harbarth-Ernennung die Kläger in deren Grundrechten verletzt. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer bereitet deshalb nun eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor. Sie hatte auch eine Art Pranger ins Netz gestellt, eine Abstimmung, ob Harbarth eine gute Besetzung sei. Die klare Mehrheit sagte da nein.

Es sind nicht nur Juristen, die mit der Personalie Harbarth ihre Probleme haben: Mehr als 14.000 Unterschriften einer Petition gegen die Wahl zum Gerichtspräsidenten waren am Dienstag in der Post für Bundesratspräsident Dietmar Woidke, um die Bundesratsmitglieder doch noch umzustimmen.

Die Initiatorin der Petition und der Unterschriftensammlung “Bestellen Sie eine konzernunabhängige Person zum Präsidenten des BVerfG” hat beim Bundesverfassungsgericht schon einmal ihre Visitenkarte abgegeben. Marianne Grimmenstein hatte 2016 die bis dato größte Bürgerklage eingereicht: Fast 70.000 Menschen wollten mit ihr das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA stoppen.

Harbarth begegnen "seine" Gesetze wieder

Grimmenstein fürchtet, Konzerne könnten Zugriff bekommen auf die Rechtsprechung über einen Verfassungsrichter, der sich ihnen verpflichtet fühlt. Harbarth dagegen hat erklärt, alle Verbindungen zur Kanzlei abgebrochen zu haben und auch nicht wieder dorthin zurückzukehren. Und schon viele Richter am Bundesverfassungsgericht haben gezeigt, dass sie mit dem Rollenwechsel auch mit ihrer früheren beruflichen Situation abschließen.

Harbarth wird auch über Gesetze befinden, die er vorangetrieben hat. Verfassungsrichter dürfen trotz vorheriger Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren später als Richter über eben jene Gesetze entscheiden. Er hatte für die Beibehaltung der Hartz-IV-Sanktionen gestimmt, seine Kammer entschied, dass sie zum Teil gegen das Grundgesetz verstoßen.

Er selbst war im Bundestag ein starker Befürworter der Vorratsdatenspeicherung, die zur Prüfung ansteht. Und auch die Diesel-Affäre könnte ihm begegnen. "Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, dass auch Politiker an das Bundesverfassungsgericht berufen werden können", sagte er im März der "Augsburger Allgemeinen" zu seinem Wechsel. "Wenn aus meiner Sicht eine Befangenheit vorliegen könnte, werde ich das dem Gericht anzeigen."

Als Student Urteile bewundert

Der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) sagte er, er habe schon als Student die Urteile des Gerichts bewundert. Jetzt spricht er sie selbst. "Eine Ehre", hatte er schon zu seinem Wechsel erklärt. Für die er auf Geld verzichtet und sich mit anderen Problemen herumschlägt als ein Politiker. Er ist Vorsitzender des Grundrechtssenats, ist für Versammlungsrecht zuständig und muss in letzter Instanz kurz vor knapp befinden, ob und wie Demonstrationen stattfinden können.

Christian Rath, langjähriger rechtspolitischer Korrespondent für die "taz" und auch diverse Regionalzeitungen und einer der intensivsten Beobachter des Gerichts, teilt die Bedenken nicht, Harbarth könnte als früherer Wirtschaftsanwalt voreingenommen sein. “Wenn unter den Richtern einer diesen Eindruck erwecken würde, externe Interessen zu bedienen, dann hätte der ganz wenig Freude und nur noch sehr wenig Einfluss. Das würde einem Konzern dann sehr leidtun”, sagte er t-online.de.

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Er sieht das Hauptproblem in der Personalie Harbarth an einer anderen Stelle: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei wechselt ans höchste Gericht und dort an die Spitze. “Mit seiner Wahl hat man völlig unnötig eine offene Flanke geboten.” Auch wenn dazu in Deutschland eine breite Zweidrittelmehrheit nötig ist: Das macht es schwieriger, im EU-Land Polen die fehlende Unabhängigkeit der Justiz zu kritisieren, wo ein politisch kontrollierter Landesjustizrat Richter auswählt und die EU sich um Rechtsstaatlichkeit sorgt.

Sorge hat Harbarth da auch in Deutschland. Nach einem Schwerpunkt für die kommenden Amtsjahre gefragt sagte er der "SZ", die Demokratie sehe sich starken Anfeindungen ausgesetzt. "Die Verteidigung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats wird die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre sein."

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