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CDU-Politikerin über Umgang mit AfD im Bundestag: "Werden zu Märtyrern"


Streit um Ausschussvorsitze
"Durch Ausgrenzung werden AfD-Politiker zu Märtyrern"


Aktualisiert am 15.04.2025 - 17:15 UhrLesedauer: 4 Min.
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Friedrich Merz (l.) und Jens Spahn: Sollte die Union AfD-Abgeordnete auf Vorsitzposten in den Ausschüssen des Bundestages wählen? (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Sollte die AfD den Vorsitz für Ausschüsse im Bundestag bekommen? In der Union werden Stimmen lauter, die das fordern. Das führt schon jetzt zum Konflikt mit dem Koalitionspartner SPD.

In der Union wächst der Druck, die AfD im Bundestag auf Vorsitzposten in den wichtigen Fachausschüssen zu wählen. "Durch Ausgrenzung werden AfD-Abgeordnete in den Rang von Märtyrern erhoben", sagte CDU-Politikerin Gitta Connemann, Chefin der einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), zu t-online. Jedenfalls bestehe diese Gefahr. "Die Demokratie muss besser sein als ihre Feinde." So schwer es auch falle: "Die AfD lässt sich nur durch Sacharbeit entzaubern."

Zugleich sagte Connemann: "Wir müssen jeder Normalisierung der AfD entgegenwirken. Die AfD-Fraktion missbraucht immer wieder demokratische Mittel, um die Demokratie zu unterminieren." Sie argumentierte: "Ein Ausschussvorsitz verlangt mehr als Schreierei, markige Worte und TikTok-Clips." Die AfD-Abgeordneten würden sich messen lassen müssen.

Am Wochenende hatte Unionsfraktionsvize Jens Spahn die Debatte über den Umgang mit der AfD wiederbelebt. Am Samstag hatte er in der "Bild" gesagt, er empfehle, mit der AfD bei Verfahren und Abläufen im Bundestag so umzugehen wie mit den anderen Oppositionsparteien auch. Die Politik müsse anerkennen, wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt hätten.

Im ZDF legte Spahn am Sonntag nach. Er glaube nicht, dass "Geschäftsordnungstricks", wie er es nannte, "uns am Ende helfen". Die AfD könne sich dann in eine "Opferrolle" hineinbegeben. Man schrumpfe sie am besten durch eine "harte Auseinandersetzung und eine bessere Politik".

Die SPD lehnt das bisher jedoch entschieden ab, was nun zu weiteren Konflikten in der ohnehin komplizierten Koalitionsbildung führt. Und auch in der Union gibt es neben weiterer Zustimmung für Spahn auch deutlichen Widerspruch.

Jede Fraktion darf Kandidaten vorschlagen

In den verschiedenen fachpolitischen Ausschüssen im Bundestag wird die Sacharbeit an den Gesetzen geleistet. Jede Bundestagsfraktion hat das Recht, entsprechend ihrer Größe für eine bestimmte Anzahl an Ausschüssen Vorsitzkandidaten vorzuschlagen. Die Kandidaten müssen jedoch mit Mehrheit von den Ausschussmitgliedern gewählt werden. Das haben die anderen Fraktionen in der vergangenen Legislaturperiode bei den AfD-Kandidaten jedoch nicht gemacht.

In der ersten Wahlperiode der AfD im Bundestag hatte es jedoch schon AfD-Ausschussvorsitzende gegeben. Peter Boehringer etwa saß von 2018 bis 2021 dem Haushaltsausschuss vor, Stephan Brandner bis zu seiner Abwahl 2019 dem Rechtsausschuss. Inzwischen ist die AfD aber nicht nur bedeutend größer, sondern auch radikaler. Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen mittlerweile als "gesichert rechtsextrem" ein. Bundesweit ist sie seit 2021 rechtsextremer Verdachtsfall.

SPD, Grüne und Linke sind dagegen

SPD, Grüne und Linke haben zuletzt angekündigt, die AfD erneut nicht auf Vorsitzposten wählen zu wollen – und den Vorstoß aus der Union scharf kritisiert. SPD-Chefin Saskia Esken sagte am Montagabend auf einer Parteiveranstaltung in Hannover: "Was Jens Spahn dort vorträgt, ist wirklich sehr, sehr empörend und gefährlich." Sie fügte hinzu: "Die AfD ist keine demokratische Partei."

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte Reuters zu Spahns Vorwurf, die anderen Fraktionen hielten die AfD mit Tricksereien von den Vorsitzposten fern: "Wer mit Tricksereien argumentiert, stellt legitime demokratische Entscheidungen in Zweifel und übernimmt damit die Rhetorik derer, die unsere Institutionen und unser Land schwächen wollen."

Die Grünen kritisieren die Vorstöße ebenfalls deutlich. "Die Union ist gefordert, ihr Verhältnis zur AfD unmissverständlich zu klären und sich von der extremen Rechten hart abzugrenzen", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, zu t-online.

"Die AfD ist eine mindestens in Teilen rechtsextreme Partei mit besten Verbindungen in die gewaltbereite rechtsextreme Szene und zu autokratischen Regimen, die unser Land bedrohen”, sagte Mihalic. Sie sei keine Oppositionspartei wie jede andere. "Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie Jens Spahn oder andere Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion hier zu einer anderen Einschätzung kommen können oder all diese Tatsachen im Umgang mit der AfD einfach ausblenden wollen." Deutschland brauche "eine konservative Partei mit einer klaren Haltung, bei der man sich nicht ständig fragen muss, wo sie eigentlich steht".

Union ist sich nicht einig

Die Frage, ob AfD-Politiker wie alle anderen auch zu Ausschussvorsitzenden gewählt werden sollten, ist jedoch selbst in der Union umstritten. Der Vizevorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Roderich Kiesewetter (CDU), warnte vor dem Schritt. Er halte es für "falsch, wissentlich die Blockade oder Unterminierung von Ausschüssen in Kauf zu nehmen, indem man AfD-Abgeordnete zum Vorsitzenden wählt", sagte Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Denn damit würde man de facto die Unterminierung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung in Kauf nehmen."

Kiesewetter will die AfD zudem aus manchen Bundestagsgremien ganz fernhalten. Die AfD sei eine Sicherheitsgefahr für Deutschland. "Deshalb sollten keine Mitglieder dieser Partei in sicherheitsrelevante Gremien wie das Parlamentarische Kontrollgremium gewählt werden, wo es um sensible Informationen geht", sagte Kiesewetter. Das Parlamentarische Kontrollgremium kontrolliert die Nachrichtendienste. Während die AfD in ihrer ersten Legislatur ab 2017 hier mit Roman Reusch ein Mitglied stellen konnte, blieb der Platz der AfD in der vergangenen Legislatur frei.

Spahns Vorstoß erfuhr jedoch in der Union auch weitere Zustimmung. So sprach sich etwa Unionsfraktionsvize Johann Wadephul am Dienstag dafür aus. "Der AfD die Ausschussvorsitze zu verweigern, hat dazu geführt, dass sie ihren Märtyrerstatus aufrechterhalten können", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Bei Fehlverhalten müssten AfD-Kandidaten sie aus seiner Sicht aber wieder verlieren können: "In die neue Geschäftsordnung wollen wir explizit aufnehmen, dass sie auch wieder abgewählt werden können, wenn sie sich nicht korrekt verhalten."

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Bundestagsabgeordneter Philipp Amthor (CDU) verteidigten Spahn ebenfalls.

Konflikt mit Koalitionspartner SPD

Die Frage der Ausschussvorsitzenden könnte zwischen den schwarz-roten Koalitionspartnern noch zu erheblichem Streit führen. Im gerade verabschiedeten Koalitionsvertrag hatten SPD und Union nämlich unter anderem wie üblich festgeschrieben, im Parlament gemeinsam abzustimmen. "Im Deutschen Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab", heißt es dort.

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Die SPD dürfte zudem auf eine Passage verweisen, die im Koalitionsvertrag nur ein paar Sätze weiter steht: "Die Koalitionspartner schließen auf allen politischen Ebenen jede Zusammenarbeit mit verfassungsfeindlichen, demokratiefeindlichen und rechtsextremen Parteien aus", heißt es dort. Und: "Dies betrifft im Parlament unter anderem gemeinsame Anträge, Wahlabsprachen oder sonstige Formen der Zusammenarbeit."

Ernst wird es spätestens ab dem 6. Mai. An diesem Tag will sich Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler wählen lassen. In der Zeit danach werden die Ministerien besetzt und die Ausschüsse im Bundestag bilden sich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
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