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Coronavirus: Für viele Covid-19-Kranke gibt es keine Tests


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Überforderte Behörden
Coronavirus: Für viele Covid-19-Kranke gibt es keine Tests


Aktualisiert am 20.03.2020Lesedauer: 9 Min.
Coranavirus-Tests: Mitarbeiter verteilen Wartenummern an Menschen auf dem Gehweg am Corona-Testcenter des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes Hessen.Vergrößern des Bildes
Coranavirus-Tests: Mitarbeiter verteilen Wartenummern an Menschen auf dem Gehweg am Corona-Testcenter des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes Hessen. (Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa)
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Kein Durchkommen bei Hotlines, keine Quarantäne, kein Abstrich trotz Symptomen und lange Schlangen an Teststationen: Die Erfahrungen mit Tests auf das Coronavirus frustrieren viele Menschen. Werden bald noch viel mehr Menschen ungetestet bleiben?

Was ist los bei den sogenannten PCR-Tests in Deutschland? Es gibt einheitliche Vorgaben, aber regional gehen Behörden völlig unterschiedlich mit der Situation um. Es sei "praktisch unmöglich", sich in Berlin testen zu lassen, schrieb auf Twitter Verleger Jakob Augstein. Er habe es zweimal versucht. Eine neue Teststrategie wird es für den Großteil der Menschen noch schwerer machen, getestet zu werden.

Gesundheitsämter sollten nach Vorgaben des Robert Koch-Instituts arbeiten

Beim Robert Koch-Institut (RKI) kennt man "aus den Medien" die Beschwerden, dass Menschen mit Symptomen, die in Risikogebieten waren, direkte Kontakte zu Infizierten hatten und trotzdem nicht getestet wurden, so eine Sprecherin. RKI-Chef Wiehler räumte in der Pressekonferenz ein: "Es gibt tatsächlich hier und dort Engpässe".

In Berlin arbeiten die bezirklichen Gesundheitsämter nach den Vorgaben des RKI in eigener Zuständigkeit, heißt es aus dem Senat auf Anfrage. "Als Senatsgesundheitsverwaltung gehen wir aber Beschwerden in einzelnen Fällen nach." t-online.de liegt jedoch ein Bericht eines Berliner Hausarztes vor, indem trotz seiner Intervention Patienten aus Risikogebieten, die schwere Symptome aufzeigten, vom Gesundheitsamt abgewiesen und nicht in Quarantäne geschickt wurden. Selbst sein persönlicher Klärungsversuch und die Aufforderung an das Gesundheitsamt, die vorgeschriebenen Maßnahmen zu ergreifen, wurden ignoriert.

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Das NRW-Gesundheitsministerium räumt ein, dass es "angesichts des Ausmaßes der zu bewältigenden Aufgaben (....) derzeit an vielen Stellen zu Problemen wie zum Beispiel sehr langen Wartezeiten für die Betroffenen" kommt.

"Einige Regionen in Nordrhein-Westfalen stehen derzeit vor riesigen Herausforderungen." Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) verfolgten aber weiter "das Ziel, die Infektionen so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verzögern".

RKI-Chef Wiehler erklärte am Mittwoch noch, dass das gelöst werde durch eine Erhöhung der Kapazität. Doch schon da gibt es die nächsten Fragezeichen. Niemand weiß, wie viele Tests in Deutschland aktuell durchgeführt werden können und durchgeführt werden: 160.000 pro Woche, hieß es vom RKI am Mittwoch. Von 180.000 sprach der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am Donnerstag, die Zahl 200.000 nannte Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Charité, nannte in seinem Podcast die Zahl 100.000. "Dass wir es noch nicht wissen, ist aber eine Stärke des deutschen Systems: Jeder darf, der kann, und viele können."

Zahl der Amtsärzte um rund ein Drittel zusammengespart

Manche Labore, wie das der Berliner Charité und dem Klinikkonzern Vivantes, arbeiten seit Wochen schon an ihren Kapazitätsgrenzen. Sie können 600 bis 700 Proben am Tag auswerten, sagt Drosten. Andere Labore hätten ihren Durchsatz erhöht. "Es gibt viele Labore, die am Tag 500 Proben testen und viele kleine, die am Tag 100 oder 200 testen."

Flächendeckende Corona-Tests wie in Südkorea seien in Deutschland undurchführbar, sagte Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, t-online.de. "Dafür haben wir zu wenig Laborkapazität und zu wenig Personal.“ Das ist in den vergangenen Jahren auch noch zusammengespart worden – die Zahl der Amtsärzte um rund ein Drittel in den vergangenen 18 Jahren. In Berlin sei zudem jede vierte Amtsarztstelle unbesetzt.

Es werde alles versucht, um die Diagnostik weiter auszubauen und mehr zu testen, so Jonas Schmidt-Chanasit. "Alle arbeiten dafür, dass das besser wird." Die Bundeswehr kann noch Kapazitäten beisteuern, tiermedizinische Labore können die Tests durchführen, dazu laufen Gespräche. Nur: Es reicht nicht.

Infiziertenzahl steigt schneller als Testkapazitäten

Der Virologe Drosten rechnet vor: Die Zahl der Erkrankten steigt immer stärker, also exponentiell, die Laborkapazitäten können nur linear ausgebaut werden: Mit größten Anstrengungen ließen sich die Laborkapazitäten um 30 bis 40 Prozent ausbauen, die Zahl der Infizierten verdoppelt sich aber bisher in weniger als einer Woche. Drosten: "Wir kommen nicht mehr hinterher mit dem Testen."

Das führt in manchen Regionen wie in Berlin schon dazu, dass Menschen, die Symptome haben und entweder aus Risikogebieten kommen oder engen Kontakt mit Infizierten hatten, nicht mehr getestet werden. Für die sind Tests eigentlich vorgesehen. "Es gibt klare Empfehlungen, wann getestet werden muss und wann nicht", so RKI-Chef Wiehler.

Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sprach am Donnerstag von einer "extrem hohen Testquote in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern". Er sagt aber auch: "Wir müssen ab einem gewissen Zeitpunkt die Tests dahin steuern, wo sie wirklich sinnvoll sind. Das ist kein Wunsch-Test, das ist auch kein Konsumgut, das ist ein medizinisches Instrument, das wir vernünftig einsetzen müssen." Die Erwartungshaltung ist aber hoch und die Enttäuschung groß bei Menschen, die sich sorgen und dann vergebens auf eine Testung warten: In Köln musste schon die Polizei ausrücken, weil Ausschreitungen drohten.

"Diagnostik mehr als Werkzeug für Risikogruppen"

Drosten skizziert, dass Tests für junge Menschen zur großen Ausnahme werden können. "Da wird man irgendwann sagen: Symptome in diesem Alter zu dieser Jahreszeit, das wird schon die Infektion sein." Dann seien auch alle im Haushalt, in der Familie als positiv zu definieren. Schon jetzt werden Partner und Kinder von positiv Getesteten vielfach selbst nicht mehr getestet: Wenn sie alle entsprechend in Quarantäne oder Ausgangssperre sind, stellen sie kein Risiko für andere dar.

Drosten sagte am Donnerstag bei "Maybritt Illner" auch, dass bald darüber nachgedacht werden müsse, "die Diagnostik gezielter einzusetzen und mehr als Werkzeug für die Risikogruppen." Wo ein Risikopatient Symptome hat, sei Gewissheit unbedingt nötig. "Dort brauchen wir Vorfahrt für die Diagnostik, denn bei diesen Patienten muss wenigstens der Hausarzt mal alle zwei Tage anrufen und fragen, wie es mit der Luft ist." Zur sinnvollen Nutzung von Diagnostikkapazitäten könne auch gehören, medizinisches Personal täglich zu überprüfen, um diese Personen "freizutesten", damit sie nicht in Quarantäne oder Isolation müssten.

Menschen, die sich in den letzten Tagen um einen Test bemüht haben, erfahren von diesen Bemühungen zum Teil nichts. Denn abhängig davon, in welcher Region Deutschlands man wohnt, verfahren die zuständigen Behörden und Teststellen sehr unterschiedlich. An manchen Stellen klappt es sehr gut. Andernorts funktioniert eine Testung auch nach den Anordnungen des RKI und selbst für Risikogruppen nicht.

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Hier dokumentieren wir einige von der Redaktion aufgezeichnete Erfahrungen von Menschen mit dem Test.

Leonie (26), nicht getesteter Fall und Intensivpflegerin aus Hamburg: "Ich brauche als Intensivpflegerin einen negativen Test."

"Ich hatte mich gerade von einer grippeartigen Erkrankung erholt, als neue Symptome kamen: Erhöhte Temperatur, Schmerzen in der Lunge. Mit Atemproblemen habe ich spätabends den Notarzt gerufen. Der sagte, er könne nichts machen, weil es der Virus sein könnte. Ich arbeite bei einem häuslichen Pflegedienst mit einer schwerkranken Patientin, mein Arbeitgeber hat mich sofort freigestellt.

Nachdem ich bei der 116 117 nicht durchgekommen bin, habe ich eine Hamburger Nummer gefunden. Da wurde mir gesagt, dass kein Test gemacht wird, weil ich mit keinem bekannten Infizierten Kontakt hatte und in keinem Risikogebiet war. So jemand wie ich steht im Regen: Es fehlen Pflegekräfte, aber ich werde nicht getestet und bräuchte das negative Ergebnis für meinen Arbeitgeber. Es geht mir wieder besser. Ich habe auch noch keine Krankmeldung, weil mein Hausarzt seine Praxis geschlossen hat, und andere Ärzte mich nicht aufnehmen und mir auch keine Krankschreibung schicken wollen."

Hamburg bietet zwischenzeitlich für 59 Euro einen Test für Beschäftigte von Einrichtungen und Unternehmen der kritischen Infrastruktur an, die bei negativer Testung die Arbeit wieder aufnehmen können.

Tanja (45), positiv getestet aus dem Kreis Limburg-Weilburg, Hessen: Ich bin den Mitarbeitern nicht böse, sie wirkten aber völlig überfordert und haben mich allein gelassen.

"Ich war mit Freundinnen in St. Anton, und eine ist nach der Rückkehr von ihrem Arbeitgeber, getestet worden, einem Krankenhaus in Westerwald. Abends hatte sie das Ergebnis: positiv. Uns anderen war die Bedeutung klar. Tags darauf hat mir das Gesundheitsamt Limburg-Weilburg gemeldet und mir erklärt, dass ich mich in häuslicher Quarantäne befinde. Zum Testen sollte ich laut 116 117 nach Wetzlar, in den Nachbarkreis. Dahin bin ich dann am Montagmorgen gefahren, mit hohem Fieber und einem Gefühl, als hätte ich einen Elefant auf der Brust. Vor mir auf der Straße standen schon 50 Leute mit und ohne Symptome. Als noch 30 vor mir warteten, wurde uns gesagt, dass nur noch fünf getestet werden. Der Unmut war groß.

Eine Freundin aus unserer Reisegruppe wurde im Rhein-Lahn-Kreis getestet und hat dem Arzt von mir berichtet. Ich hatte dann für den nächsten Morgen, den Dienstag, einen Termin für 10.25 Uhr an dem Drive-In und musste keine Minute warten. Der Arzt hat mich dann auch am Mittwoch mit dem positiven Testergebnis angerufen und mir dann auch noch einen Rat wegen einer bakteriellen Nierenentzündung gegeben. Mein Hausarzt wollte mich weder empfangen noch eine per Bote übergebene Urinprobe entgegennehmen. Das Gesundheitsamt sagte, dass er das müsste, aber da ist nichts passiert. Das macht wütend."

Arndt (50), Verdachtsfall aus dem Kreis Lindau, Bayern: Es war transparent und gut organisiert. Ich hatte schnell einen Termin für einen Test, ich bin dann aber sogar von einem mobilen Team zuhause getestet worden.

"Ich wollte am Montag wegen leichter Symptome Hilfe vom Vertreter meines Hausarztes.Der Vertreter wollte mich aber nicht sehen, weil mein Hausarzt unter Quarantäne steht und ich in der Woche davor dort ein Rezept geholt hatte. Dann teilte mir auch noch mein Arbeitgeber mit, dass ein Kollege positiv getestet worden ist.

Nach vielen vergeblichen Versuchen bei der Nummer 116 117 habe es beim Gesundheitsamt probiert: Ich kam sofort durch und Auskunft, dass ich mich im Nachbarort an einer Klinik testen lassen kann. Dort habe ich sofort einen Termin für Dienstag bekommen. Das Gesundheitsamt hat sich dann noch mal bei mir wegen Details gemeldet und mir dort gesagt, dass ich als Verdachtsfall und in angeordneter Quarantäne nicht zum Testtermin fahren soll. Ich wusste zunächst, ob und wann ich dann getestet werde. Eine Freundin ist Altenpflegerin, war bei uns und wartet auf ein negatives Ergebnis.

Weit nach Feierabend rief das Gesundheitsamt wieder an, dass ein mobiles Coronateam zu mir kommt. Das kamen am Dienstagabend mit einem Q-Tipp, das ich selbst ans Zäpfchen gehalten habe und sie dann entgegengenommen haben. Jetzt warte ich auf das Ergebnis. Das lief alles sehr koordiniert und freundlich."

Sascha (51), positiv getestet aus dem Raum Wiesbaden: Wenn die Gesundheitsämter mich nicht erst nach acht Tagen informiert hätten, müsste meine Frau nicht in Quarantäne gehen und könnte sich wie bisher etwa um ihre 90-jährige Tante kümmern.

"Ich hatte bei einer Veranstaltung am 5. März Kontakt mit einem Teilnehmer, bei dem dann Covid19 bestätigt wurde. Als ich das am 9. erfuhr, kam ich bei der 116117 schnell durch. Nach der Anamnese hieß es, ich sei ein Fall zum Testen. Die Klinik, die mir genannt wurde, testete jedoch nicht. In der Uniklinik Frankfurt saß ich mit 15 Leuten. Weil ich keine Symptome hatte, wollte die Ärztin mich nicht testen. Nachdem ich darauf bestanden habe, dass die 116 117 mich zum Testen geschickt hat, wurde ein Test gemacht mit dem Hinweis, dass der vielleicht nicht ausgewertet wird. Das war am 10. März.

Das Ergebnis habe ich acht Tage später bekommen, am 18. März: positiv. Ich hatte nachgefragt und keine Auskunft bekommen, ich hatte als Symptome nur ein Kribbeln im Mundraum und Abgeschlagenheit. Deshalb hatte ich meine häusliche Absonderung am 14. März. beendet, und mein Sohn, der kommende Woche seine erste Abitur-Klausur schreiben soll, ist jetzt ein Verdachtsfall. Am Dienstag ist meine Frau von einer Dienstreise zurückgekommen, wir hatten Kontakt, und deshalb kann sich jetzt auch nicht mehr um ihre 90-jährige Tante kümmern. Ihre Quarantäne läuft jetzt erst seit Dienstag.

Das Frankfurter Gesundheitsamt hat festgestellt, dass Wiesbaden für mich zuständig ist. Eine Mitarbeiterin von dort hat mit den Fragen bei Null angefangen. Dazu hat sie mir falsche Auskünfte gegeben. Ich mache den überforderten Mitarbeitern keinen Vorwurf: Die Verantwortung für den Umgang der Menschen im Gesundheitssystem mit der Pandemie hat die Politik. Sie muss jetzt sofort handeln und in der Nachbetrachtung die Lehren ziehen."

Michaela (Name geändert), Risikogruppe Tirolurlauber, Berlin: Trotz Symptomen und Intervention meines Hausarztes werde ich nicht getestet und bekomme gesagt, ich könne auch weiter einkaufen gehen

"Ich war in Tirol im Urlaub und habe da schon Probleme mit der Luft bekommen. Mein Hausarzt riet mir nach der Rückkehr, dass ich mich sofort ans Gesundheitsamt in meinem Bezirk wende, damit dieses Quarantäne ausspricht. Dort wurde mir gesagt, ich soll mir beim Arzt eine Krankschreibung holen. Kein Test, Infektionsschutzmaßnahmen wurden nicht angesprochen. Im Gegenteil: das Gesundheitsamt weigerte sich, eine häusliche Quarantäne auszusprechen.

Mein Hausarzt sah die Verordnungen des Robert Koch-Instituts verletzt und hat sich eingeschaltet. Er hat das Gesundheitsamt am Montag darauf hingewiesen, dass es Symptome für eine Infektion bei mir gibt und ich in einem Risikogebiet war. Er sollte zurückgerufen werden, aber es ist nichts passiert.

Ich habe am Dienstag, 17. März. noch mal beim Gesundheitsamt angerufen und nun vom Amtsarzt die Auskunft bekommen, ich solle zwei Wochen zu Hause bleiben. Mit meinen Beschwerden soll ich gegebenenfalls ins Krankenhaus. Ich sei aber nicht unter Quarantäne und könne auch normal einkaufen gehen. Ich habe mich gefragt, ob die irre sind. Mein Arzt erwägt rechtliche Schritte gegen das Gesundheitsamt, da sie mit ihrem Verhalten das öffentliche Wohl gefährden."

Oben im Video sehen Sie auf einer animierten Karte, wie sich das Coronavirus in Deutschland ausbreitet, oder Sie klicken hier.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • ZDF-Mediathek: "Markus Lanz" vom 18. März
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