Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Handelskrieg eskaliert China schlägt zurück

Der Handelskrieg zwischen den USA und China ist eskaliert. Donald Trump und Xi Jinping lassen immer höhere Zölle erheben, keine Seite weicht zurück. Kann Peking diesen Konflikt am Ende wirklich gewinnen?
Fast täglich wird die Weltwirtschaft mit einem neuen Schock konfrontiert. US-Präsident Donald Trump hat zwar vielen Ländern eine Atempause verschafft, indem er seine Zölle auf US-Importe für 90 Tage auf 10 Prozent beschränkte. Seinen Handelskrieg gegen China führt er jedoch ungebremst weiter. Mehr dazu lesen Sie hier.
All das hat fatale Folgen für die Weltwirtschaft. Auch die Kapitalmärkte kommen aufgrund des eskalierenden Konflikts nicht zur Ruhe. Viele Länder, so auch die der Europäischen Union, stehen gegenwärtig dabei an der Seitenlinie. Sie können nur zusehen, wie Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping die chinesisch-amerikanischen Handelsbeziehungen in Schutt und Asche legen – mit spürbaren Konsequenzen für die gesamte Welt.
Dabei geht es um viel mehr als um einen Handelskrieg. Mit den USA und China prallen zwei Supermächte aufeinander, die jeweils eine dominante Stellung in einer neuen Weltordnung beanspruchen. Deshalb weichen weder Trump noch Xi zurück. China kündigte an, in diesem Konflikt bis zum Schluss kämpfen zu wollen. Aber ist die Volksrepublik überhaupt schon bereit für diesen Kampf?
China will nicht weiter auf die USA reagieren
Trump sagt, er und der chinesische Präsident Xi seien gute Freunde. Doch von außen mutet diese Freundschaft seltsam an. Denn die meisten Menschen treten mit ihren Freunden nicht in einen Wettstreit, um ihnen die Geschäfte zu vermiesen. Doch genau das macht Trump aktuell, mit immer weiter steigenden Zöllen auf US-Importe aus China.
Zunächst war von 125 Prozent die Rede, dann legte das Weiße Haus nach. Offenbar wurden die bereits eingeführten Zölle in Höhe von 20 Prozent vergessen. Somit liegt aktuell der Zollsatz für China bei 145 Prozent. Die Volksrepublik antwortete daraufhin am Freitag mit einer eigenen Zollerhöhung auf 125 Prozent. Die Maßnahme soll am Samstag in Kraft treten. Zudem wies die chinesische Zentralbank große staatliche Banken an, ihre Dollarkäufe zu reduzieren, um so die Abwertung der chinesischen Währung Yuan aufzuhalten. Weitere Aktionen aus Washington wolle man ignorieren, teilte die Zollkommission des chinesischen Staatsrates mit.
"Handelsströme zwischen den USA und China werden sich verschieben"
In der Volksrepublik herrscht Trotz gegenüber der protektionistischen US-Politik.
Klar ist allerdings auch: China zieht im Zollstreit aktuell wirtschaftlich den Kürzeren, das Wachstum des Landes könnte ausgebremst werden, und Arbeitsplätze im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe könnten wegbrechen. Immerhin exportierte das Land bislang deutlich mehr in die USA, als es andersherum importierte. 2024 lag die Diskrepanz bei Gütern im Wert von rund 295 Milliarden US-Dollar (260 Milliarden Euro). Die nun verhängte Zollhöhe macht den Handel für China gänzlich unwirtschaftlich.
Max Zenglein, Chefökonom bei der China-Denkfabrik Merics in Berlin, sagte der "Tagesschau" dazu: "Fakt ist: Die Handelsströme zwischen den USA und China werden sich verschieben." Diese Entwicklung hat tatsächlich schon in Trumps erster Amtszeit begonnen. "Jetzt geht das Ganze noch etwas gewaltsamer voran", so Zenglein. Seit 2017 ist der Anteil chinesischer Exporte in die USA von etwa 20 auf 15 Prozent gesunken. Die Waren wurden seitdem zum Großteil über Drittländer umgeleitet, um die bereits bestehenden Zölle zu umgehen. Diesen Weg könnte China nun noch entschiedener beschreiten, Gespräche mit südostasiatischen Ländern gibt es bereits. Auch eine Stärkung des eigenen Binnenmarktes wird in China diskutiert.
Darüber hinaus sucht China die Nähe zu anderen Partnern. Bei einem Treffen mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez warb Peking für eine Zusammenarbeit mit der EU im globalen Handelskonflikt. Zuvor hatten auch EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič und der chinesische Handelsminister Wang Wentao telefonisch über mehr wirtschaftlichen Austausch beider Seiten gesprochen.
Insgesamt blicken viele Experten dennoch optimistisch auf die Entwicklung in China. Chen Zhanming, Wirtschaftsprofessor an der Renmin Universität Peking, etwa sagte der "Tagesschau", dass die Produktionskapazitäten Chinas auch unabhängig von den USA gebraucht würden. "Einige der von uns erschlossenen neuen Märkte können unseren Unternehmen dabei helfen, neue Vertriebskanäle zu erschließen", so der Ökonom. Er meint damit einen verstärkten Handel mit Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika.
China sieht ideologischen Kampf gegen Hauptrivalen
Die Versuche Chinas, die Zusammenarbeit mit anderen Partnern zu intensivieren, haben auch eine geopolitische Komponente. Trump stellt traditionelle US-Bündnisse infrage, bezeichnet die Europäer zum Beispiel als "Schnorrer". Das spielt Peking in die Karten. Denn im Vergleich zu der erratischen Herrschaft des US-Präsidenten ist für viele Staats- und Regierungschefs die autokratische Führung der Volksrepublik zumindest berechenbar. Die Folge: Nicht nur die EU ist an einer engeren Kooperation mit China interessiert, sondern auch Länder wie Japan oder Südkorea sind es – plötzlich wird im Indopazifik über Freihandel debattiert.
Unter Joe Biden hatten die USA noch relativ erfolgreich daran gearbeitet, mit Bündnissen in der Region China zu isolieren. Durch Trumps nationalistische Politik gelingt es Peking nun, sich aus dieser Lage zu befreien.
Das ist ein Grund dafür, warum Xi Jinping im Handelsstreit nicht nachgeben möchte. Er hat vor allem ein Ziel im Blick: China möchte die USA bis 2049 als dominierende Supermacht ablösen – bis zum 100-jährigen Bestehen der Volksrepublik. Xi präsentiert China als Gegenmodell zur Hegemonie der USA, unter ihm soll sich sein Land den USA nicht mehr unterordnen.
Trump steht innenpolitisch unter Beschuss
Die chinesische Propaganda hat die Bevölkerung schon lange auf diesen Konflikt vorbereitet. Zwar sind Wirtschaftswachstum und eine Steigerung des Wohlstandes wichtige Säulen der Macht für die Kommunistische Partei. Doch viele Chinesinnen und Chinesen sind wirtschaftlich herausfordernde Zeiten gewohnt und wahrscheinlich resilienter als die US-Gesellschaft. Der chinesische Mittelstand ist in den vergangenen Jahrzehnten zwar erheblich gewachsen, aber in der Volksrepublik haben immer noch weniger als 20 Prozent der Menschen Aktien, in den USA sind es laut dem amerikanischen Meinungforschungsunternehmen Gallup mehr als 60 Prozent der Erwachsenen.
China ist eine Autokratie, ein Recht auf Meinungsfreiheit gibt es in der Volksrepublik nicht. Die chinesische Führung steuert die Staatsmedien, zensiert das Internet. Somit wird der chinesischen Bevölkerung täglich vermittelt, wer für die gegenwärtige Krise die alleinige Verantwortung trägt: Donald Trump. Die Staatsmedien sprechen von "Mobbing" und "Erpressung" seitens der USA.
Dementsprechend ist Chinas Ankündigung, "bis zum Ende" kämpfen zu wollen, durchaus ernst zu nehmen. Zwar steht auch Xi unter Druck der chinesischen Eliten, aber die Wut auf Trump und seine Zollpolitik dürfte für ihn und seine Politik gefährlicher werden. Nach seiner zweiten Amtsübernahme musste der US-Präsident in der Folge seiner umstrittenen politischen Vorstöße schon mehrmals zurückrudern. In China hofft man deshalb, dass Trump auch diesmal nicht den längeren Atem hat.
- tagesschau.de: Welche Optionen China jetzt hat
- aljazeera.com: Trump-China tariff war: What could the US gain and lose? (Englisch)
- guardian.com: Life in Shanghai, China’s commercial capital, goes on but anti-US sentiment is hardening (Englisch)
- spiegel.de: China erhöht Zölle auf US-Importe auf 125 Prozent
- handelsblatt.de: Treffen in China – Xi setzt im Zollkonflikt auf Europa
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- Eigene Recherche