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Donald Trump: Details zu Bagdadi-Tötung "ausgeschmückt oder frei erfunden"


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Ex-US-General über Bagdadi-Tötung
Trump hat Details "ausgeschmückt oder frei erfunden"

InterviewVon Fabian Reinbold

Aktualisiert am 31.10.2019Lesedauer: 5 Min.
Donald Trump: Viele Fragezeichen hinter seinen Bagdadi-Äußerungen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Viele Fragezeichen hinter seinen Bagdadi-Äußerungen. (Quelle: Joshua Roberts/reuters)

Donald Trump schmückt die Tötung von IS-Anführer Bagdadi aus – der frühere Kommandeur der US-Armee in Europa erklärt, für wie gefährlich er Trumps Äußerungen hält. Und er hat eine Botschaft an die Deutschen, die das Vertrauen in die USA verloren haben.

Dem US-Militär ist mit dem Einsatz gegen den Anführer des "Islamischen Staates" ein Erfolg gelungen. Doch auch Tage nach der geglückten Mission in Syrien diskutiert die amerikanische Öffentlichkeit über die Einlassungen Donald Trumps in der Stunde des Triumphs.

Trump hatte unter anderem den Tod Abu Bakr al-Bagdadis anschaulichst beschrieben. Hat der US-Präsident das erfunden?

Im Interview mit t-online.de nährt der frühere Kommandeur der US-Armee in Europa, Mark Hertling, Zweifel an den Äußerungen Trumps. Er wirft dem Präsidenten zudem vor, heikle Informationen über die Spezialkräfte der Amerikaner preisgegeben zu haben. Der einst in Deutschland stationierte Militär findet im Gespräch auch klare Worte zu Trumps Drohungen gegenüber der Bundesrepublik.

t-online.de: Spezialeinheiten des US-Militärs haben den IS-Anführer Bagdadi zur Strecke gebracht. Donald Trump hat bei der Bekanntgabe der Tötung viele Details über die Operation verraten – zu viele?

Mark Hertling: In meinen Augen ja. Ich habe über den Vorfall mit noch aktiven Spezialkräften und meinen Kontakten in den Geheimdiensten gesprochen – und sie waren alle enttäuscht über das, was der Präsident dort preisgegeben hat. Die meisten Bürger, die den Auftritt des Präsidenten verfolgt haben, werden vielleicht denken, das seien nur Kleinigkeiten, die der Präsident da ausgeschmückt hat.

Aber?

Aber wenn es um die eigenen Taktiken, Techniken und Maßnahmen geht, wollen wir wirklich nicht, dass der Feind irgendwas darüber erfährt. Selbst die kleinste, belanglos erscheinende Information kann dem Feind ein Puzzlestück verraten, von dem er bislang nichts wusste. Und diese Information kann dann benutzt werden, um unsere künftigen Operationen zu vereiteln.

Mark Hertling, 66, ist pensionierter Generalleutnant der US-Armee. Er diente in den Jahren 2011 und 2012 als Oberkommandierender der US-Armee in Europa und war auch zuvor mehrfach in Deutschland stationiert. Während der Offensive der Jahre 2007/2008 war er Kommandeur der US-Einsatzkräfte im Nordirak. Heute ist Hertling Manager einer Krankenhausgruppe in Florida und außerordentlicher Forscher an der Militärakademie West Point.

Trump hat über Flugrouten gesprochen, über Einsatztaktiken beim Zugriff, über die Rolle eines Hundes. Was war denn das heikelste, das der Präsident verraten hat?

Das werde ich Ihnen nicht verraten, aber ich habe allein neun Informationen im Auftritt des Präsidenten gezählt, von denen ich wünschte, er hätte sie nicht ausgesprochen. Und dann gab es noch andere Sachen, bei denen ich förmlich zusammengezuckt bin, denn ich weiß nicht, ob der Präsident sie ausgeschmückt oder frei erfunden hat.

Was meinen Sie?

Es gibt die Fragen danach, ob der Präsident hören konnte, was bei der Operation vor sich ging. Ich bin mir zu 99 Prozent sicher, dass der Präsident nichts von der Operation hat hören können. Solche Signale werden nicht ans Weiße Haus übertragen, auch die Livebilder der Body Cameras der Spezialkräfte nicht. Sie werden aufgezeichnet für spätere Besprechungen im Team, aber nicht für die Führung.

Trump behauptete, Bagdadi habe vor seinem Tode "geschrien, geweint, gewinselt".

Und nun sagen manche, das beruhe darauf, dass der Präsident im Anschluss mit den beteiligten Spezialkräften gesprochen habe. Das bezweifle ich stark. Und falls er das doch getan haben sollte, bezweifle ich stark, dass sie ihm berichtet hätten, Bagdadi habe geweint, gewinselt und geschrien, so wie es der Präsident behauptet hat.

Warum?

Weil die Spezialkräfte so nicht über einen Auftrag sprechen, nicht mit dieser Art von Angeberei. Sie geben nicht solche Details heraus, weil sie wissen, dass sie es mit einer ernsten Angelegenheit zu tun haben. Wenn sie gebeten würden, über ihren Einsatz zu sprechen, würden sie das niemals mit so überheblichen Worten tun. Denn sie wissen, dass ihre Aufgabe eine sehr schwerwiegende ist – sie töten jemanden und darüber spricht man nicht auf solche Art. Jeder, der damit zu tun hatte, versteht das. Sie müssen auch nichts ausschmücken, weil das, was sie geleistet haben, an sich schon sehr beeindruckend ist.

Sie haben also keinerlei Erklärung dafür, wie Trump so etwas behaupten kann?

Richtig, ich habe keinerlei Erklärung für die Einlassungen des Präsidenten.

Was macht das mit der militärischen Führung, wenn sie fürchtet, bei der politischen Führung versagt der Filter für sensible Inhalte?

Als früherer militärischer Kommandeur kann ich nur sagen, ich wäre zutiefst enttäuscht und frustriert davon, weil es absolut unnötig ist.

Jetzt sind die US-Truppen aus großen Teilen Nordsyriens überhastet abgezogen. Kann das US-Militär in Zukunft solche Anti-Terror-Operationen überhaupt noch durchführen?

Ein zentraler Schritt im Kampf gegen den IS war, in Syrien ein Netz aus Informanten und Informationen aufzubauen. Sie müssen wissen, was in der Organisation des Gegners vonstatten geht, um ihn bekämpfen zu können. In meinen Augen wird es für uns in Zukunft schwieriger, solche Operationen durchzuführen. Ich weiß, es gibt Kollegen, die sagen: Wir als US-Militär können an jedem Ort der Welt ein Terrorziel zur Strecke bringen. Das stimmt schon, aber Erfolg werden solche Angriffe nur dann haben, wenn die richtigen Informationen bereitstehen, und die gewinnt man gewöhnlich vor Ort. Wir haben die militärischen Fähigkeiten, aber wir brauchen jemanden vor Ort, der uns sagt, wo wir angreifen, und der uns hilft, einen Angriff zuvor zu proben.

Nach dem, was den Kurden in Syrien passiert ist, stellt sich eine Frage dringlicher denn je: Sind die USA überhaupt noch ein verlässlicher Partner?

Ich denke, wir können das weiterhin sein. Aber wir haben viel Vertrauen, das wir über Jahrzehnte aufgebaut hatten, in den vergangenen Jahren verspielt. Wir müssen hart arbeiten, um dieses Vertrauen in Zukunft wieder aufzubauen.

Sie waren als Kommandeur von US-Truppen viele Jahre in Deutschland. Ihr Präsident nimmt Deutschland besonders stark ins Visier – etwa wegen unserer für ihn zu niedrigen Verteidigungsausgaben. Hat er recht?

Er ist nicht der erste, der Deutschland und andere dafür kritisiert. Aber ich sorge mich um den Ton. Ich kenne die deutsche Geschichte und Kultur sowie die Bedenken, die viele deutsche Bürger hegen. Wenn man will, dass Deutschland sich mehr um seine Verteidigung kümmert, muss man all dies in Betracht ziehen. Präsident Trump hingegen schlägt solch einen drakonischen Ton an, dass es der Bundesregierung nicht hilft, die eigenen Bürger davon zu überzeugen. So erzeugt man eher Ablehnung in der deutschen Bevölkerung.

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Trump droht auch damit, US-Truppen aus Deutschland abzuziehen, weil diese nicht den nationalen Interessen dienen und den USA nur Kosten verursachen würden. Stimmen Sie zu?

Nein, überhaupt nicht. Als Kommandant der US-Army in Deutschland habe ich mich schon mit der Vorgängerregierung darüber gestritten, dass wir möglichst viele Truppen in Deutschland behalten. Das hat drei Gründe: Erstens ist es für unsere Streitkräfte ein extremer Vorteil, Truppen in Europa zu haben, um Operationen in anderen Ecken der Welt durchzuführen. Zweitens: Haben wir doch bereits Milliarden an Dollar in die vorhandene Infrastruktur auf den Basen investiert. Und drittens schaffen wir über die Stationierung von Truppen genau jenes Vertrauen, das so wichtig ist für unser Bündnis. Die aktuelle US-Regierung handelt da sehr kurzsichtig. Wir würden sehr viel verlieren, wenn wir Truppen aus Deutschland abzögen.


Drei Viertel der Deutschen halten das deutsch-amerikanische Verhältnis für gestört. Was ist Ihre Botschaft an jene Deutschen, die das Vertrauen in die transatlantische Partnerschaft verloren haben?

Ich würde sagen: Wartet auf uns! Wir werden zurück sein, kühlere Köpfe werden sich wieder durchsetzen. Ich bin hoffnungsvoll, dass sich unsere Institutionen erholen und dass wir zu einem besonneneren Umgang mit unseren Bündnispartnern zurückkehren.

Herr Hertling, vielen Dank für das Gespräch.

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