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Ukraine-Affäre: Donald Trump – So verrückt trieb er es noch nie – und es kommt mehr


Meinung
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Post aus Washington
So verrückt war es noch nie

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 25.10.2019Lesedauer: 4 Min.
Donald Trump bei Wahlkampfauftritt in Dallas: Wüten über "menschlichem Abschaum".Vergrößern des Bildes
Donald Trump bei Wahlkampfauftritt in Dallas: Wüten über "menschlichem Abschaum". (Quelle: Jonathan Ernst/reuters)

Kaum zu glauben, aber mit der rasanten Entwicklung der Ukraine-Affäre wird die Politik in Washington noch verrückter. Da ist es fast egal, wen Trump jetzt wieder als "Abschaum" bezeichnet.

Einen schönen guten Tag aus Washington,

es gibt einen Satz, der mich seit meinem ersten Monat in der US-Hauptstadt begleitet. Er wird immer wieder in die Welt getwittert, hat regelmäßige Auftritte in den Expertenrunden auf CNN und Co. Er lautet: "So verrückt war es noch nie."

Ich finde den Satz verständlich, denn es gibt Wochen in Washington, zu denen einem keine andere Beschreibung einfällt, so sehr sind sie von Absurditäten, Chaos und Lügen durchzogen.

Ich fand den Satz aber auch immer falsch, weil er sich lediglich aus dem Kurzzeitgedächtnis speiste, das die Grenzüberschreitungen, Tiefpunkte und Skandale der Vormonate schon wieder vergessen hatte. Denn einen gezügelten, präsidialen Donald Trump haben wir noch nie für länger als ein, zwei Tage am Stück erlebt.

Doch jetzt, fürchte ich, ist der Satz wirklich wahr: So verrückt war es noch nie. Es ist der Takt der kleinen und großen Ungeheuerlichkeiten, die Tonart der Lügen, die Allgegenwart von Verschwörungstheorien im Zentrum der Politik. Anders ausgedrückt: Die Wochen des Wahnsinns sind ausgebrochen.

Man sollte mit dem Wort sparsam umgehen, doch etwas Passenderes fällt mir in diesen Tagen nicht mehr ein.

Der Wahnsinn beginnt im Kleinen, wenn Trump auf Twitter seinen Verteidigungsminister Mark Esper als Mark Esperanto bezeichnet, den Tweet erst nach Stunden löscht, und dabei Esper zu Syrien das Zitat "Wir haben das Öl gesichert" in den Mund legt. Wenn Trump behauptet, man baue jetzt die Grenzmauer in Colorado (fernab der tatsächlichen Grenze zu Mexiko), dafür standing ovations von Männern in Bauarbeiterkluft erntet, die man auf die Bühne eines Konferenzzentrums um ihn drapiert hat. Das sind Schlagzeilen, die so absurd sind, dass sie auch in Deutschland Verbreitung finden.

Der Wahnsinn geht leicht unter, etwa wenn Trump die "Emoluments Clause", die es ihm verboten hat, den G7-Gipfel im eigenen Hotel zu schmeißen und die seit 230 Jahren im ersten Verfassungsartikel steht, als "erfunden" bezeichnet.

In der "Post aus Washington" berichtet unser Korrespondent Fabian Reinbold von der Arbeit im Weißen Haus und seinen Eindrücken aus den USA unter Donald Trump. , der noch weitere Einblicke und Einschätzungen aus Washington enthält und einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Der Wahnsinn hat tödliche Konsequenzen, wenn Trump im Zickzack die Türkei-Syrien-Krise befeuert und sich dann im Weißen Haus zwischen Vizepräsident und Außenminister aufstellt, vier Mal sagt, dass er "so viele Leben gerettet" habe mit seiner Syrien-Politik, dass die IS-Kämpfer hinter Schloss und Riegel seien, obwohl sein IS-Beauftragter gerade gesagt hat, 100 der Terrorverdächtigen seien nicht aufzufinden, und allabendlich in den TV-Nachrichten die "ethnische Säuberung" Nordsyriens von den Kurden eindrücklich geschildert wird.

Der Wahnsinn zieht die Präsidentschaft weiter hinab, wenn ein altgedienter Diplomat, der von Trumps Außenminister gebeten wurde, die Geschäfte an der Botschaft in Kiew zu übernehmen, den Kern der Vorwürfe in der Ukraine-Affäre bestätigt – nämlich dass Trumps höchstselbst Außenpolitik nur nach wahltaktischen Gesichtspunkten statt nach nationalen Interessen betrieben habe – und der Präsident dann Leute wie ihn per Tweet als "menschlichen Abschaum" bezeichnet. Die Entgleisung war nicht einmal eine große Geschichte in den Medien.

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Der Wahnsinn greift auf Trumps Parteifreunde über, die dessen Ruf nach energischer Verteidigung damit beantworteten, dass sie den Raum im Keller des Kapitols stürmten und besetzen, in dem die Impeachment-Untersuchung stattfindet.

Wahnsinn, oder?

Und jetzt erst kommt die schlechte Nachricht: Es wird alles noch schlimmer.

Denn Trumps Lage spitzt sich weiter zu. Seine Türkei-und-Syrien-Politik nehmen beide Seiten in Washington als Desaster war, auch wenn ein Abzug an seiner treuen Wählerbasis gut ankommt. Die Ukraine-Affäre schreitet weiter in Rekordtempo voran. Die belastenden Aussagen mehren sich, die Republikaner wissen immer weniger, wie sie Trump verteidigen sollen, die Zahl der Bürger, die für eine Amtsenthebung ist, steigt. Das ist der Stand nach dem ersten Monat der Impeachment-Untersuchung.

Und Trump wird es so auf die Spitze treiben: Alles, wirklich alles, was ihm vorgeworfen wird, spielt er den Gegnern zurück:

Trump droht die Amtsenthebung? Trump ruft: Demokraten-Chefin Nancy Pelosi und der innerparteiliche Kritiker Mitt Romney sollen des Amtes enthoben werden!

Diplomaten belegen Trumps korrupte Absichten? Trump sagt: Korrupt sind doch Joe Biden und dessen Sohn Hunter!

Trump soll die Verfassung missachtet haben? Eine Kampagne von "Linksaußen-Abgeordneten und radikalen, nicht gewählten Bürokraten, die einen Krieg gegen die Verfassung führen", dröhnt es per offizieller Pressemitteilung aus dem Weißen Haus.

Die Demokraten wagen eine Untersuchung? Trump lässt die Russland-Untersuchung nun von seinem Justizminister untersuchen.

Diese Taktik mag funktionieren bei seinen Anhängern, bei den Vasallen im Kongress, bei den Unterstützern auf Fox News. Doch für die Nation führt sie weiter in den Strudel der Verblendung hinab.

Und um den Wahnsinn perfekt zu machen, hat mit dieser Taktik ja überhaupt erst alles angefangen: Weil Trump den dunklen Fleck der Wahleinmischung Russlands zu seinen Gunsten abwaschen wollte, stürzte er sich auf die Verschwörungstheorien über die Demokraten und einer angeblichen Wahleinmischung der Ukraine zu deren Gunsten, die ihm besonders hartnäckig sein Anwalt Rudy Giuliani ins Ohr setzte.


Giuliani und Trump schaukelten sich hoch, bis sie schließlich die Ukraine-Politik auf Eis legten, den dortigen Präsidenten drängten, Ermittlungen zu einem nicht vorhandenen "Server" der Demokraten im Land anzukündigen, und damit Ukraine-Affäre und den Impeachment-Vorgang auslösten. Die letzte Meldung dazu: Trumps Anwalt Giuliani sucht jetzt selbst einen Anwalt.

Wahnsinn, oder?

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