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Zum journalistischen Leitbild von t-online.So will er Amerika umbauen Sieben Erkenntnisse aus Trumps Rede
Donald Trump versprach zu seiner Rede vor dem US-Kongress Großartiges – stattdessen wurde es eine reine Machtdemonstration, ein Frontalangriff auf die Demokraten und eine "woke" Gesellschaft.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Viel war über Donald Trumps erste große Rede vor dem US-Kongress spekuliert worden. Der Präsident selbst hatte die Erwartungen geschürt, als er tags zuvor verkündete, dass an diesem Dienstagabend etwas Großes geschehen werde. Beobachter hielten es nach den Vorkommnissen der vergangenen Tage sogar für möglich, dass Trump eine Abkehr vom transatlantischen Verteidigungsbündnis der Nato verkünden könnte – auch wenn er das ohne Zustimmung des Kongresses gar nicht so einfach dürfte.
Aus dem angekündigten Spektakel wurde schließlich eine rund 100 Minuten lange Rede, die zumindest aufschlussreich zeigte, wohin sich Donald Trumps Amerika innen- und außenpolitisch entwickeln wird. Die sieben wichtigsten Erkenntnisse:
1. Triumphieren statt vereinen
Präsidenten nutzen ihre Reden vor dem Kongress meistens, um eine einigende Botschaft zu senden – Trump tat, wie zu erwarten, das Gegenteil. Er trat gegen seinen Vorgänger Joe Biden nach und nannte ihn einmal mehr den "schlechtesten Präsidenten in der Geschichte". Sogar für die aktuell extrem hohen Eierpreise machte er Biden verantwortlich. Diese sind auch eine Folge der Vogelgrippe, die Trump bislang nicht in den Griff bekommen hat. Dabei war er es, der versprochen hatte, die Lebensmittelkosten umgehend nach Amtsantritt zu reduzieren.
Die Spaltung der USA wurde auch bildlich so deutlich wie wohl noch nie. Die Demokraten erhoben sich nicht mal von den Plätzen, als der US-Präsident das Plenum betrat. Stattdessen hielten viele Abgeordnete Protestschilder hoch, auf denen "Musk stiehlt Geld", "Lüge" oder "Falsch" zu lesen war. Der dramatischste Moment kam, als der texanische Abgeordnete Al Green sich weigerte, seine Zwischenrufe bei Trumps Rede zu unterlassen. Immer wieder rief Al Green in Richtung Trump: "Er hat keine Legitimation!" Schließlich wurde er von einem "Sergeant-at-Arms", also einem Ordner im Kongress, aus dem Saal geführt. Später verließen mehrere Demokraten demonstrativ den Saal – ein stiller Protest gegen Trumps Politik.
Das Verhalten der Demokraten war ein Affront für die Republikaner, die ihren Anführer demonstrativ mit stehenden Ovationen feierten.
Die rechtsextreme und für ihre Skandale bekannte Kongressabgeordnete Lauren Boebert sagte nach der Rede im Interview mit t-online: "Dies war eine der besten Reden, die Präsident Trump je gehalten hat. Er hat wirklich bewiesen, dass Amerika zurück ist und dass er die Kraft hat, voranzugehen." Trump habe gezeigt, dass er für Frieden einstehe, so Boebert. Das Verhalten der Demokraten kritisierte sie mit den Worten: "Vielleicht hassen sie Amerika oder sie hassen Präsident Trump mehr, als sie Amerika lieben, was wirklich traurig ist."
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Trumps Rede, gespickt mit vielen Übertreibungen und Lügen, wirkte eher wie eine Wahlkampfrede als eine traditionelle Rede des Präsidenten vor dem Kongress. Dabei verglich er sich sogar mit dem ersten Präsidenten der USA, George Washington.
2. Trump änderte den Ton gegenüber der Ukraine
Trumps Verhältnis zum ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war nach dem Eklat im Weißen noch angespannter als zuvor. Einen Tag vor seiner Rede hatte Trump noch alle Militärhilfe für die Ukraine ausgesetzt. In seiner Rede änderte der Präsident aber den Ton und las sogar aus einer Nachricht von Selenskyj vor, in dem dieser erklärte, dass die Ukraine "bereit sei, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um dem Frieden näherzukommen."
Diese Wendung kam nach dem hitzigen Treffen im Weißen Haus, bei dem Trump und Vizepräsident J. D. Vance Selenskyj vorgeworfen hatten, nicht dankbar genug für die Milliarden an US-Hilfe zu sein. Der ukrainische Rohstoff-Deal ist aber bislang nicht unterschrieben. Eigentlich wollte Trump den erfolgreichen Deal bei seiner Rede verkünden. Auf Nachfrage von t-online sagte Trumps neuer Handelsminister Howard Lutnick am Dienstag nach der Rede nur: "Noch nicht!"
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Senator Chris Coons, Mitglied der US-Demokraten, bedauerte nach Trumps Rede im Interview mit t-online, dass der US-Präsident falsche Behauptungen über den Umfang der Ukraine-Hilfen gemacht hatte: "Leider hat Präsident Trump in seiner Rede heute Abend einige sehr irreführende Dinge gesagt, indem er den Beitrag Europas zur Sicherheit und Verteidigung der Ukraine im Vergleich zu Amerikas Beitrag falsch dargestellt hat", sagte Coons. Die Vereinigten Staaten hätten zwar erheblich dazu beigetragen, aber insgesamt habe Europa mehr beigetragen. Trump hatte in seiner Rede den Europäern vorgeworfen, die Ukraine zu wenig zu unterstützen.
Coons lobte ausdrücklich Deutschland: "Ich denke, unser starker, vertrauenswürdiger und geschätzter europäischer Verbündeter Deutschland hat in den vergangenen Tagen einen Schritt nach vorn gemacht, um sich noch stärker für die Unterstützung der Ukraine und der Nato einzusetzen."
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Der Senator sagte außerdem, er habe von einer Reihe europäischer Botschafter in Washington die Sorge vernommen, dass Trump in seiner Rede eine dramatische und negative Ankündigung zur Nato machen könnte. "Ich war erleichtert, dass das nicht der Fall war", sagte Coons. Er würde zudem gerne weniger über Zölle hören und mehr darüber, wie Trump mit den Partnern zusammenarbeiten wolle, um die gemeinsame Sicherheit zu verbessern. Den kommenden Bundeskanzler Friedrich Merz würde er gerne bald treffen, so Coons.
3. Handelskriege und Zölle um jeden Preis
Trump machte einmal mehr deutlich, dass er an seinen aggressiven Handelszöllen festhalten werde, obwohl diese bereits zu Marktunruhen führen. Am selben Tag hatte er neue Strafzölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China verhängt. Als die Märkte daraufhin abstürzten, wischte er das in seiner Rede mit den Worten beiseite, es handle sich dabei nur um "eine kleine Störung". In Wahrheit sind nun gleich mehrere Handelskriege im Gange.
Ungewöhnlich aggressiv kommentierte die chinesische Botschaft Trumps Handlungen am Dienstag: "Wenn die USA einen Krieg wollen, sei es ein Zollkrieg, ein Handelskrieg oder irgendeine andere Art von Krieg, sind wir bereit, bis zum Ende zu kämpfen."
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Trump stellte in seiner Rede die Zölle ungeachtet dessen als die zentrale Strategie seiner Wirtschaftspolitik dar. Obwohl Ökonomen davor warnen, dass dies die Preise für Verbraucher erhöhen und wichtige Handelsbeziehungen destabilisieren werde. Kanadas Premierminister Justin Trudeau kritisierte Trumps Entscheidung als "eine sehr dumme Sache" und kündigte wie Mexiko bereits drastische Vergeltungsmaßnahmen an. Trotz der Warnungen blieb Trump im Kongress unbeirrbar: "Andere Länder haben uns jahrzehntelang mit Zöllen geschadet – jetzt sind wir an der Reihe."
Die Republikaner scheinen jedoch in diesem Punkt nicht geschlossen hinter ihm zu stehen. Sie reagierten eher gedämpft, als Trump über seine Zollpolitik sprach, nur etwa die Hälfte seiner Parteikollegen applaudierte, etliche blieben sitzen, während andere aufstanden.
4. Elon Musk als Architekt des Regierungsumbaus gefeiert
Elon Musk war nicht nur als prominenter Gast anwesend bei der Rede, sondern wurde von Trump geradezu als Held gefeiert. Der Präsident gab damit an, Musk habe mit seiner Doge-Behörde bereits "Hunderte Milliarden Dollar an Betrug" im Staatsapparat aufgedeckt – eine Behauptung, die jedoch unbelegt ist.
Musk und die eigens für ihn geschaffene Behörde spielen in der Tat eine Schlüsselrolle bei Trumps Bemühungen, den Verwaltungsapparat radikal zu verkleinern. Dies führte bereits zu Massenentlassungen, insbesondere in Umwelt- sowie Sozial- und Entwicklungshilfebehörden. Trump machte klar, dass Widerstand innerhalb der Bürokratie nicht geduldet werde: "Jeder Beamte, der sich dieser Veränderung widersetzt, wird sofort entlassen." Während Musk seinen Aufritt und den Applaus im Kongress sichtlich genoss, schallten ihm von den Zuschauertribünen allerdings auch laute Buhrufe entgegen.
5. Einwanderung: Zweiklassensystem für Reiche und Arme
Trump verfolgte in seiner Rede eine doppelte Strategie beim Thema Einwanderung: Einerseits warnte er wie schon seit Jahren vor einer angeblichen "Flut an Kriminellen", die illegal ins Land kämen, und versprach, die Zahl der Abschiebungen massiv zu erhöhen – dabei sind diese aktuell sogar niedriger als unter Präsident Barack Obama. Womit Trump recht hatte: Derzeit kommen über die Grenze im Süden weniger Menschen als in den vergangenen Monaten.
Andererseits präsentierte Trump einmal mehr seine Idee einer "Goldkarte". Demnach sollen sich reiche Ausländer eine bevorzugte Einbürgerung für fünf Millionen Dollar einfach erkaufen können. "Es ist wie die Green Card, nur besser und eleganter", prahlte Trump. Kritiker sehen darin eine Kommerzialisierung der Staatsbürgerschaft zugunsten von ausschließlich Wohlhabenden. Eine Green Card berechtigt ihre Besitzer zum dauerhaften Leben und Arbeiten in den USA, sie kann nur über den Nachweis eines Arbeitsplatzes oder über Familienzusammenführung mit US-Verwandten beantragt werden.
6. Angriff auf Diversität
In seiner Rede vor dem Kongress griff Trump immer wieder auf kulturelle Reizthemen zurück und machte deutlich, dass seine Regierung eine harte Linie gegen Diversitätsprogramme und Transgender-Rechte fährt. Er stellte diese Themen als Teil der "woken" Agenda dar, die er entschlossen bekämpfen werde. Den wohl lautesten Applaus bekam Trump an diesem Abend, als er rief: "Unser Land wird nicht mehr woke sein!"
Trump prahlte damit, dass seine Regierung die sogenannten Diversity-, Equity- und Inclusion-(DEI)-Initiativen in der gesamten Bundesverwaltung zurückgefahren habe. Sie hatten bislang zum Ziel, Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion in Behörden zu schaffen. Er bezeichnete diese Programme als überflüssig und spaltend und präsentierte sich zugleich als Verteidiger traditioneller Werte. "Es gibt nur zwei Geschlechter", rief Trump und behauptete fälschlicherweise, Fluglotsen seien nur aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts, aber nicht wegen ihrer Fähigkeiten eingestellt worden.
Gerade bei den Transgender-Rechten hielt sich Trump nicht zurück. Er sprach sich gegen das aus, was er als "radikale Gender-Ideologie" bezeichnete, und feierte die Maßnahmen seiner Regierung zur Einschränkung geschlechtsangleichender Behandlungen. Er betonte seine Ablehnung gegenüber der Teilnahme von trans Frauen und trans Mädchen am Frauensport. Trumps Rhetorik spiegelte bei diesem Thema ganz besonders ein übergeordnetes Thema seiner Rede wider: eine Rückkehr zu dem, was er als "gesunden Menschenverstand" bezeichnete.
7. Eine Rede voller Lügen und Übertreibungen
In seinen 100 Minuten wiederholte Trump zahlreiche falsche oder irreführende Aussagen, darunter:
Die Wirtschaft sei eine "Katastrophe" gewesen, als er das Amt übernahm, obwohl das Bruttoinlandsprodukt unter Joe Biden um 2,5 Prozent gewachsen war. Trump sagte, Zölle würden "Billionen und Aberbillionen" US-Dollar einbringen – eine Behauptung, die Wirtschaftsexperten anzweifeln. Er sagte außerdem, "Millionen" Menschen seien im Ukraine-Krieg gestorben, obwohl seriöse Schätzungen zwar hohe, aber deutlich niedrigere Zahlen nennen.
Trump versucht mit solchen Übertreibungen seit jeher, das Bild eines von den Demokraten zerrütteten Landes und das einer Welt im Chaos zu zeichnen, bei der nur er selbst als Retter auftreten könnte.
- Eigene Beobachtungen, Gespräche vor Ort